Literaturgefluester

2012-05-18

Reigen des Todes

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:37

Nun kommt, ganz zufällig, mein Beitrag zum hundertfünfzigsten Geburtstag von Arthur Schnitzer, der diese Tage die Gemüter und Ö1 erregt, denn Gerhard Loibelsbergers Roman aus dem alten Wien „Reigen des Todes“ spielt ja ganz offensichtlich, auf das berühmte Schnitzer Stück an. 1908 in dem der Roman spielt, passt auch, obwohl im Verzeichnis der historischen Personen auf Seite sechs, zwar Sigmund Freud und Oskar Kokoschka erscheinen, Arthur Schnitzer aber fehlt, als ich aber am Montag auf meinen Gang in die Alte Schmiede durch den Morawa gegangen bin, habe ich „Reigen des Todes“ dort liegen gesehen, obwohl das Buch aus dem Gmeiner Verlag schon 2010 erschienen ist. Ich habe es, schon bei „Rund um die Burg“ vorgelesen bekommen und den Vorgänger des Buches, die berühmten „Naschmarktmorde“ auf die mehrmals verwiesen wird, habe ich durch leselustfrust kennengelernt und die hat mich vor einem Jahr auch auf den Bücherflohmarkt im Museumsquartier aufmerksam gemacht und da habe ich für einen guten Zweck, sowohl den Loibelsberger, als auch den folgenden Krimi um einen oder zwei Euro gekauft.
Historische Krimis aus dem Alten Wien scheinen derzeit hoch in Mode, für mich war die Besprechung der „Naschmarktmorde“ die erste Begegnung damit, damals war das für mich etwas Neues, inzwischen habe ich „Chuzpe“ und „Der Tod fährt Riesenrad“ gelesen. Man lernt viel durch Blogs und kommt dadurch auf neue Bücher und „Reigen des Todes“ ist in vielen Bereichen interessant. Erstens interessiere ich mich für das Wien Anfang des vorigen Jahrhunderts, wo mein Eltern ein paar Jahre später in Ottakring oder Fünfhaus in Zinskasernen aufgewachsen sind und dann kann man auch über das Romanschreiben und die Verlagspolitik ein bißchen was erfahren und das Titelbild zieht auch gleich an. Ist es ja ein berühmter Klimt, der darauf abgebildet ist, no na, das wollen die Touristen und die Teile des Buches, die Februar/März 1908, April/Mai etc heißen, haben einführende Zitate, wie beispielsweise „Dieses Buch ist den Elenden gewidmet, den Verdammten der Gesellschaft, den Lumpen von Schiksals Gnaden“ – Aus Emil Klägers „Durch die Wiener Quartiere des Elends und Verbrechen, Wien 1908“ und dort geht es gleich hinein, in die Fluten des Donaukanals, wo die Sandler oder, wie es im Buch genannt wird, die „Griasler“ leben, denn da findet der ehemalige Fleischergeselle Anastasius Schöberl einen „steif gefrorenen Finger“, den er dem Redakteur Goldblatt bringt. Der schreibt in seiner Zeitung vom „Wiener Kannibsalismus“ und so muß der Polizeiinspector (Achtung Kritiker, ich hab mich nicht verschrieben, so stehts im Buch und war wohl auch die Schreibweise von 1908, wo es auch Films statt Filme hieß) Joseph Maria Nechyba, ein Freund des guten Essens, der auch mit einer Herrschaftsköchin verheiratet ist, ausrücken, stürmt den Kanal und findet auch noch einen Kopf. Der gehört samt Finger dem ehemaligen Oberstleutnant Vestenbrugg, der berühmten Deutschmeister, die hier Edelbuben genannt werden und der hatte ein Gspusi (für meine deutschen Leser, ich übersetz das nicht, im Buch gibt es ein genaues Glossar, was unter einer Marille, einer Buchtel, einem Beisl etc zu verstehen ist) mit der Steffi Moravec, einer herben vollbusigen Schönheit und ehemaligen Sitzkassiererin des Cafe Sperls, die aus armen Verhältnissen des ehemaligen Ratzenstadls kam, vom Oberstleutnant aber ausgehalten und eine schöne Wohnung bezahlt bekommen hat. Aus der muß sie aber nach seinem Tod heraus, so zieht sie eine Weile am Naschmarkt herum, während sie am Abend bei einer Freundin schlafen darf, bis sie die noch nobligere Geliebte des Markgrafen
Collredi wird, in dessen Palais sie sich sehr aufführt und die Dienstboten anherrscht, aber als sie mit dem Liebsten ins Theater an der Wien geht, wird sie von einem Deutschmeister angepöbelt, der Graf fordert ihn zum Duell auf, wird erschossen und die Schöne muß wieder ihre Koffer packen. Sie geht für eine Weile zum Leutnant Hansi Popovic zurück, den sie schon einmal durch ein Brieflein, um einen Gefallen gebeten hat, der hat, weil ein Säufer aus Liebeskummer, inzwischen den Dienst quittiert und ist Assistent Österreichs ersten Filmproduzenten Johann Schwarzer 1880-1914, steht in den Anmerkungen der historischen Persönlichkeiten, geworden, der die ersten Pornofillms mit den süßen Mäderln dreht und weil die schöne Steffi nicht nur einen großen Busen und sadistische Veranlagungen, sondern auch künstlerisches Talent besitzt, schnappt sie sich bald den Chef, wird Pornodarstellerin und schreibt sich auch die Drehbücher dafür. So findet man auch die Leiche des erhängten Popovic im Wasser. Steffi wird von Nechyba wegen Mords gesucht, kann nur in letzter Sekunde entkommen, er will sie am Fuß aus dem Fenster aus dem sie schon fast entkommen ist, zurückziehen, sie schlägt ihm den Absatz ins Gesicht oder Bauch und zerschneidet sich mit dem Messer das Gesicht, weil man ein entstelltes Gesicht nicht so leicht erkennt. Am Schluß wird dann eine zerfetzte Frauenleiche, aus der auch die Leber herausgeschnitten wurde und ein weiteres Drehbuch der Moravec gefunden. Eines, in dem steht, daß der Oberstleutnant Vestenbrugg wegen der ihn überfordernden Reize der nackten Schönen, einen Herzinfarkt bekam, so daß sie mit Popvics Hilfe seine Leiche zerstückeln mußte, der sich dann aus Gram erhängte, gibt es schon. Jetzt ist noch der Bruder, der in Galizien diente, zurückgekommen und hat sich an der Schwester gerächt, weil ein Soldat der K.und K. Armee, wahrscheinlich nicht nur keine Schulden, was ja einem Leutnant Gustl das Leben kostete, sondern wohl auch keine unehhrenhafte Schwester haben durfte und wir haben, wenn wir so weit gekommen sind, viel von dem historischen Wien des Jahres 1908 kennengelernt, nicht nur die Elendsquartiere und die Suppenküchen am Graben, sondern auch, daß zum sechzigjährigen Jubiläum seiner Mayestät ein Kinderfestzug stattfand. Nebycha mußte seine Mayrestät dabei beschützen und die historische Schriftstellerin Marie Sidonie Heimel-Purschke 1853-1928, nie von ihr gehört, hat das Festgedicht dazu geschrieben und weil in Krimis, wie wir inzwischen wissen, viel gekocht und gegessen werden muß, um die Leser anzulocken, gibt es auch historische Kochrezepte mit der dazugehörigen deutschen Übersetzung, die ich mich an dem Buch ein bißchen störte, denn ich weiß ja, daß „in dünne Streifen geschnittene Pfannkuchen“ Frittaten sind, Aprikosen Marillen, Kartoffeln Erdäpfeln etc, muß das wissen, denn ich lese öfter Bücher aus dem Suhrkamp oder S.Fischer Verlag, wo es keine Übersetzungen ins Österreichische gibt und sich, wenn die Bücher von österreichischen Autoren geschrieben wurden, nur die großen, wie beispielsweise Marlene Streeruwitz die Eindeutschung verhindern können, während das noch nicht so ganz berühmten, wie beispielsweise Cornelia Travnicek, derzeit noch nicht gelingt und blöder, als die Österreicher werden die deutschen Leser ja auch nicht sein!
Ansonsten aber ein spannender Rundgang durch das alte Wien, das ich ja ganz gut kenne, weil ich zufällig, immer in der Nähe der historischen Orte wohne und besonders interessant, die Umkehrung der Verhältnisse. Die Heldin ist das, mir nicht immer ganz sympathische, süße Mädel, das aus ihrer Not den Spieß umdreht, mit den hohen Herren verkehren muß, um nicht zu verhungern, die sterben dann immer ganz natürlich. Sie muß sie aber, um nicht an ihrem Tod hängen bleiben, trotzdem zerstückeln und in den Donaukanal oder Wienfluß werfen lassen. Ein bißchen zynisch-ironisch könnte man sagen und ich kann mir vorstellen, daß das auch gern gelesen wird. Die allzu große Anbiederung an den deutschen Leser stört mich zwar, denn ich habe ja auch schon einmal eine fürchterliche nord-oder undeutsche Übersetzung von John Irvings „Der Bär ist los“, gelesen und da konnte man angeblich auch nichts machen, daß der Übersetzer ein Deutscher war, der mit dem Wienerischen, wo der Roman ja spielt, nichts anfangen konnte.
Gerhard Loibelsberger wurde 1957 in Wien geboren, arbeitete seit 1984 als freier Webe- und PR- Texter und ist Autor von Sach- und Gourmetbüchern, Songtexten und Kriminalromanen.

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