Die Entscheidung ist mir schwer gefallen, gabs ja heute ein Gespräch im Literaturhaus zwischen Ilija Trojanow und Martin Balluch zum Thema „Angriff auf die Freiheit und Widerstand in der Demokratie“ und in der Gesellschaft für Literatur unter Marianne Grubers Moderation, die Lese.Auslese mit Katja Gasser und Cornelius Hell.
Um es leichter zu machen, habe ich Helmuth A. Niederle nach der Liste der zu besprechenden Bücher gefragt, er war so freundlich sie mir zu geben, so daß ich mich für den Bauch entschieden habe und in die Herrengasse gegangen bin. Diesmal etwas später, als der Befund geschrieben war, für den ich länger, als für den gestrigen brauchte und so war ich fünf nach sieben im Palais Wilczek. Außer mir waren elf Damen und zwei Herren da, die von Marianne Gruber begrüßt wurden.
„Die Leserinnen sind Damen!“, meinte sie sehr freundlich und lobte den Vorteil den es hat, bei einer Veranstaltung, wie dieser mit den Rezensenten ins Gespräch zu kommen und die haben die Chance zu erfahren, wer die Leser der Bücher, die sie besprechen, sind.
Katja Gasser und Cornelius Hell haben es sich nicht leicht gemacht und das Besondere und keine Gefälligkeitsrezensionen ausgewählt, hat sie dazu gesagt und die Bücher auf der Leseliste waren wirklich interessant, obwohl ich schon einiges gekannt habe.
Gelesen noch nichts, das ist bei einer Büchertauscherin und offenen Bücherschrankbenützerin nicht möglich.
Aber die meisten Namen hatte ich zumindestens schon gehört. Katja Gasser und Cornelius Hell hatten auch keine großen Ansprüche an ihr Publikum und setzen nicht viel voraus. So hat es mit zwei Tschechen begonnen, mit Jiri Kratochvil und Jachim Topol.
Katja Gasser hat Jiri Kratochvils „Das Versprechen des Architekten“ besprochen und Cornelius Hell hat sich gewundert, wieso dieser 1940 geborene Dichter nicht weltberühmt ist und keinen großen Verlag gefunden hat?
Jachym Topol hat das inzwischen mit dem Suhrkamp und beide verwenden den tschechischen Surrealismus, wo die Realität und die Fiktion sehr eng beieinander liegen. Dann kam die große Sprachkunst. Nämlich Friederike Mayröckers „Ich bin in der Anstalt – Fußnotizen zu einem nicht geschriebenen Werk“ und Andea Winklers „Drei vier Töne, nicht mehr“.
Katja Gasser meinte, daß es Friederike Mayröcker damit gelungen ist, Ernst Jandls Tod, der sich in wenigen Tagen zum zehnten Mal jähren wird, zu überwinden. Mir ist eingefallen, daß ich endlich „Und ich schüttelte einen Liebling“ lesen will und Cornelius Hell merkte an, wie lang und schwer sein Weg zu Friederike Mayröcker war. Dem kann ich mich anschließen. Dann kam Andrea Winkler an die Reihe, die beiden Rezensenten versuchten sie dem Publikum schmackhaft zu machen, in dem sie ein Plädoyder für den Winklerischen Realismus hielten.
„Das Lesen dieser Prosa ist zwar anstrengend, wird sich aber lohnen und Sie gehen verändert aus der Lektüre hervor. Wenn Sie sich aber nicht anstrengen wollen, lassen Sie es besser bleiben!“
Obwohl die kleine Tochter von Cornelius Hell von dem Buchcover sehr fasziniert sein soll, damit immer auf Papas Lesesessel klettert und sich zwei Sätze vorlesen läßt.
Ich habe mich im letzten Jahr wirklich mit der Verwinklerung der Sprache auseinandergesetzt, halte sie für wunderschön, aber schon für weltfremd, danach kam Wolfgang Hermanns Erzählband „In Wirklichkeit sagte ich nichts“, den die beiden in eine Reihe mit Andrea Winkler und Friedeike Mayröcker stellten, da sehe ich schon Unterschiede.
Ein solcher Sprachspieler ist Wolfgang Hermann sicher nicht, obwohl er den Siemens Literaturpreis gewonnen hat. Danach kam ein völlig Unbekannter.
„Den werden Sie nicht kennen!“, sagte Cornelius Hell und hatte Recht, was mich betraf. Von Jean Matterns „Im Karoly Bad“ hatte ich noch nichts gehört. Es ist ein Nachholocaust Roman eines Ungarn, der in Frankreich aufgewachsen ist und einen Roman darüber schrieb, daß er die ungarische Sprache nicht erlernen durfte, weil ihm seine Emigranteneltern, das Fremdsein ersparen wollten, über den Tod der Schwester durfte man auch nicht reden. Da kann nur Sprachlosigkeit herauskommen oder Rechtschreibfehler.
„Kein ungarisches Wort ist richtig geschrieben“, merkte Cornelius Hell kritisch an, die Psychologin denkt sich dabei etwas. Nach Katharina Hackers „Die Erdbeeren von Antons Mutter“, den zweiten Teil einer Trilogie, mit dem sie den Verlag wechselte, bzw. vom alten empört weggegangen ist, einem einfach strukturierten Roman für alle ungeübten Leser über eine Kindheit und Demenz, wie Cornelius Hell empfahl, wurden am Schluß Elazar Benyoetz „Aphorismen“ gestellt.
Eine geballte Ladung Frühjahrsliteratur. Danach gabs Wein und Knabbergebäck und ein Gespräch in kleiner Runde. Ich unterhielt mich mit Angela Bidermann, zeigte ihr meine Bücher und dachte mir, ich muß Katja Gasser sagen, daß ich den Realismus in der Winklerischen Sprache nicht finden kann. Sie war erstaunlich freundlich, hat mich sogar gefragt, ob ich ebenfalls schreibe und sich für das „Haus“ interessiert.
„Wieviel Bücher haben Sie in diesem Jahr schon gelesen?“, fragte plötzlich eine Frau und meinte natürlich nicht mich damit.
Trotzdem kam die Antwort wie aus der Pistole geschoßen.
„Fünfundvierzig!“
Das Literaturgeflüster macht das möglich. Katja Gasser wußte es nicht. Zwei drei pro Woche vermutete sie und Marianne Gruber ergänzte eifrig, sicher mehr als fünfundvierzig. Aber das, liebe Literaturfreunde, ist schon viel, vor allem, wenn man es nicht hauptberuflich, sondern zum Vergnügen betreibt. Ich bin stolz darauf und der offene Bücherschrank bekommt neue Standorte, habe ich gelesen.
Am 12. wird einer in der Brunnengasse eröffnet, dann folgt noch einer in der Gumpendorferstraße. Da kann nichts schiefgehen und zwei der anwesenden Damen waren auch sehr ratlos, weil sie nicht wußten, wohin sie ihre gelesenen Bücher bringen sollten, das wäre ein Tip und das Lesen ist sicher schön, vor allem weil Frauen anders schreiben, wie das neue Buch von Ruth Klüger heißt, das im Tag für Tag vorgestellt wurde, aber da hat der Klient an der Tür geläutet.
2010-06-08
Lese.Auslese statt Angriff auf die Freiheit
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