Literaturgefluester

2010-11-11

Zerfließende Identitäten, starke Charaktere

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:00

Unter diesem Titel – Textdialog: Familienmuster im Wandel“ fanden am Mittwoch zwei Lesungen in der Alten Schmiede statt und ich hatte die Gelegenheit den neuen Saal live zu erleben. Nämlich Angelika Reitzer „Unter uns“, eingeleitet von Daniela Strigl und Melinda Nadj Abonji „Tauben fliegen auf“ eingeleitet von Petra Messner.
Da ich nicht genau wußte, wieviele Leute es zu der Lesung der deutschen Buchpreisträgerin zieht, bin ich rechtzeitig hingegangen, was gut möglich war, da ich um drei meine letzte Stunde und vom Leiner einen Geburtstagsgutschein hatte und ich nicht sicher war, wie lange der offen hat. Also bin ich noch vor sechs mit einer Kerze, Zimtstangen und einem Packerl Servietten von dort weggegangen und war um halb sieben im Zeitschriftensaal.
Da war ich ein wenig verwirrt, hing an der Türe doch ein Zettel, der die Lesung Angelika Reitzers ankündigte. Daß eine Fastbuchpreisträgerin nicht kommt, habe ich im letzten Jahr erlebt und Angelika Reitzers Lesung schon gehört. Es war aber wieder eine Wechsellesung, solche habe in den letzten Jahren schon einige erlebt. Vom Parterresaal in das Museum und umgekehrt, damit die Leute sich bewegen. Diesmal vom Schmiedesaal in den Keller, was gut zu Angelika Reitzers Lesung passte, zog sich deren Clarissa ja auch dorthin zurück und führte eine Untergrundexistenz, bevor sie sich neben armseligen Feldern ins Wasser stürzte.
Aber ich hatte ein ungutes Gefühl, war ich ja so früh gekommen, um einen guten Platz zu haben, wenn ich aber bei der Lesung sitze und unten um dreiviertel Acht die Leute hineingelassen werden, bekomme ich vielleicht keinen Platz und das scheinen sich die Veranstalter auch gedacht zu haben, haben sie doch eine Leinwand in den Schmiedesaal gehängt und verkündeten zu übertragen. Ich komme aber nicht so früh, um ein Video zu sehen, zumindestens nicht gern, das habe ich dem Lehrer, der schon da war, gesagt und mich ein bißchen über den deutschen Buchpreis und das Buch, das er schon gelesen hat, mit ihm unterhalten. Jochen Jung erschien und einige andere. Von den Autorinnen war nichts zu sehen. Die warteten sicherlich in einem Büro, vom Publikum abgeschirmt, vermutete ich, der Lehrer ergänzte etwas von Bodyguards. Meine Jacke lag in der zweiten Reihe, wo diesmal nicht reserviert war, aber auch nicht gut, wie ich fürchtete, denn wenn ich warte, bis die anderen im Keller sind…
Daniela Strigl, die, glaube ich, auch bei der Erstpräsentation im Phil war, hat eingeleitet, Richard Obermayr ist zwei Plätze neben mir gesessen und Daniela Strigl, die im „Volltext“ eine Kritik über den Buchpreis geschrieben hat, erwähnte in ihrer Einleitung wieder, daß ihrer Meinung das Buch auf die Liste gehört hätte, ist es ja einer der besten Romane des letzten Jahrs und ich überlegte, ob ich nicht besser erst um acht gekommen wäre, Angelika Reitzer hat aber andere Stellen gelesen und Kurt Neumann erwähnte in seiner Einleitung das Gemeinsame an beiden Büchern, daß sie nämlich das Brüchige und Prekäre an Gesellschaften und Familie zeigen.
Es war also interessant und ich habe das Buch besser verstanden, wenn ich vielleicht auch einen etwas anderen Blick auf das Prekäre und die Arbeitslosigkeit habe, weil das die meisten meiner Klienten sind und ich auf der anderen Seite immer wieder erlebe, wieviel man in dieser Stadt umsonst bekommt. Aber und das hat Angelika Reitzer schon richtig erwähnt, es heißt zwar „Arbeit ist nicht alles“, aber lebe das erst einmal in dieser Gesellschaft, die so tut, als ob und die Leute trotzdem wegrationalisiert. Da muß man schon sehr selbstbewußt sein, um nicht depressiv zu werden.
Nachher gabs eine Diskussion über den Schreibprozeß, dann gings in den Keller.
„In einer Viertelstunde fangen wir an!“, sagte Kurt Neuman und es war nicht so schlimm, wie erwartet, sondern Platz in der zweiten Reihe und ich bin auch mit einer Dame ins Gespräch gekommen, die mir erzählte, daß sie das Buch gerade liest. Der Saal wurde voll, das Klavier war verschwunden, es war aber nicht überfüllt.
Dann kam Melinda Nadj Abonji, die, wie schon Walter Famler am Sonntag sagte, auch zu „Jugoslavia revisited“ gut gepasst hätte, stammt sie doch aus der Vojvodina, als Anghörige der ungarischen Minderheit und ist in der Schweiz aufgewachsen, wo Germanistik und Geschichte studierte und auch als Musikerin tätig ist. Der Roman „Tauben fliegen auf“ schildert an Hand der Ich-Erzählerin Ildiko diese Identität. Petra Messner sprach von der Vielschichtigkeit und Melinda Nadj Abonji las quer durch den Ronman, ein Stückchen Dorf, ein Stückchen Schweiz und wieder zurück.
Die Familie hat sich in der besten Gegend am Zürcher See ein Cafehaus eingerichtet, wo sie Croissants serviert und aus Anpassung an das neue Leben, sowohl die ungarische Sprache, als auch das Serbokroatisch verboten ist. Die Eltern müßen eine Staatsbürgerprüfung machen und sprechen schlechter Deutsch als ihre Kinder. Dann fahren sie ins Dorf auf Urlaub zu der Maminka, wo inzwischen der Krieg ausgebrochen ist und sich die Leute gegenseitig abschlachten und einen Cousin, der Taubenzüchter ist, gibt es auch.
Daher der Name des Romans, der Melina Nadj Abonji, wie sie erzählte, nicht so gut gefallen hat, weil sie ihn als etwas matt empfand. Der Jung und ihre Lektorin haben sie dazu überredet. Es gab im Anschluß eine kleine Diskussion mit den Leuten, die das Buch schon gelesen haben, zwei Sitze neben mir ist diesmal, der Pfarrer Nemeth gesessen und das ist auch ein ungarischer Emigrant.

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