Literaturgefluester

2012-04-08

Rückzugsgedanken

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:54

Im Moment gehts mir ein ein bißchen ambivalent. Auf der einen Seite rase ich fast manisch dahin, schon fünfzig Seiten an dem neuen Buchprojekt, zwei Bücher in Vorbereitung, wo im Moment mehr oder weniger weitergeht und ich, wenn sie fertig sind, dreißig sogenannte Indie-Bücher, wie das ja jetzt heißt, präsentieren kann. Mit dem Literaturgeflüster bin ich mit den drei oder vier Kategorien, die ich gar nicht wirklich habe, auch sehr schnell unterwegs, warten ja schon viele Bücher auf der Leseliste, meistens habe ich auch einen straffen Veranstaltungsplan und ein oder zweimal in der Woche will ich auch über mein (erfolgloses) Schreiben bloggen. Das heißt, ich bin, wenn ich nur täglich einen Artikel schreiben will, ziemlich ausgeplant und habe meistens einen Artikelvorrat in Planung, das ist ja auch etwas, das zum Thema passt und gerade höchst aktuell ist, will ich mich ja auch immer mit der politischen Situation beschäftigen.
Im Moment befinde ich mich in Harland und mache Osterferien, das heißt ich fahre mit dem Rad nach Herzogen- oder Wilhelmsburg und lese die Bücher meiner Harland-Leseliste und bin da gerade mit den „21 neueren rußischen Erzählern“ am Fertigwerden.
Nach Ostern werde ich eine intensive Praxis-Woche mit wahrscheinlich viel Diagnostik haben, dann feiert die Anna ihren Geburtstag, da werde ich wahrscheinlich zwei interessante Alte Schmiede Termine ausfallen lassen und dann fahren wir ja bald zur Lesung mit Margot Koller, Wolfgang Kauer und Josef K. Uhl nach Salzburg. Danach fährt der Alfred mit dem Karli nach Australien und dann wird wieder ein bißchen still und ich habe Zeit für mein neues Projekt, aber da bin ich ja derzeit ziemlich abgestürzt und habe das Gefühl, ich stehe an.
Bei einem so manisch intensiven Schreiben, wie ich das ja jetzt schon mehrere Jahre betreibe, eigentlich natürlich, daß einmal die Luft ausgeht und wahrscheinlich, günstig stehenzubleiben, sich umzuschauen und sich zu orientieren, wo bin ich jetzt?
Ich bin da aber ein bißchen skeptisch und scheine große Angst zu haben, daß ich, wenn ich loslasse, nichts mehr weitergeht, auf der anderen Seite scheine ich mich aber ohnehin derzeit auf dem Rückzug zu befinden und habe Thomas Wollinger vor einigen Tagen kommentiert, daß das Literaturgeflüster mein Ein- oder Ausstieg aus dem Literaturbetrieb ist.
Der Ausstieg? Wohl nicht, da man dort, wo man nicht drinnen ist, nicht aussteigen kann! Andererseits wenn ich mir die über tausend Literaturgeflüsterartikel so durchlese, sehe ich, daß ich in der Zeit, in der ich blogge, einiges verloren habe. War ich 2008 zum Beispiel in der Jury für die Buch-Prämien des BUMUKs und jetzt kämpfe ich herum, von denen Einladungen zu den Preisverleihungen zu bekommen, habe noch den „Tag der Freiheit des Wortes“ organisiert und die Frauenlesung, die ich eigentlich nicht mehr machen will, weil so wenig positives Feedback zurückkommt und sich scheinbar so keiner für mein Schreiben interessiert und wenn das so ist, muß ich mich nicht aufdrängen und immer mit Zetteln herumlaufen „Schaut her, da habe ich eine Lesung!“, zu der dann niemand kommt. Da hatte ich ja auch eine ziemliche Schockerfahrungen vor ein paar Monaten im Cafe Amadeus. Aber die Zahl der Lesungen sind schon vorher zurückgegangen. Ich muß nicht überall lesen und ich muß nicht schreiben. Aber das will ich ja. Trotzdem bin ich am Dienstag mit dem Laptop auf den Knien auf der Wiener Terrasse gesessen, habe meine vierzig Seiten korrigiert und gedacht, ich stehe an. Solche Erlebnisse hatte ich schon früher, daß ich nicht mehr weiterwußte. Die Lösung war dann immer weiterzuschreiben und es ist auch irgendwie gegangen. Trotzdem bin ich nicht sicher, ob ich über meine Grenzen kann und die wenigen Kommentare, die diesbezüglich kommen, behaupten auch das Gegenteil. Irgendwie stehe ich an, schon wieder oder immer noch. Ich habe in Wien auch eine blaue Mappe, wo die Kritiken drinnen stehen, wenn ich mir das durchlese, bin ich ebenfalls ambivalent. Denn einerseits habe ich ja sehr viel geschrieben. Andererseits schummle ich mich vielleicht schon um meine Schwächen herum und so stehe ich jetzt vor der Frage, wie mache ich mit der Paula Nebel weiter?
Im Augenblick spüre ich keine große Lust dazu, denke, ich sollte die fünfzig Seiten so lassen. Dann denke ich wieder neu anfangen und aus dem was ich habe, etwas Neues und Besonderes machen? Wie geht das aber? Obwohl ich schon glaube, daß das Beschreiben einer neunzigjährigen Frau interessant sein kann. Dann bin ich aber von der Demenz und der Einsamkeit sehr schnell in einen Alltag mit einer dreizehnjährigen Wahltochter, die einen Platz an einer Elitehauptschule bekommen hat und einem gemobbten Hausmeister geglitten. Paula kocht ebenfalls etwas manisch und die Schwester vom sozialen Stützpunkt rät immer „Aufzupassen und vorsichtig sein!“
Da kann man vielleicht schon einiges daraus machen, wenn man nicht, wie ich, im Moment ansteht, Widerwillen empfindet und denkt, ich kann es nicht! Ich denke dann inzwischen, du mußt ja nicht. Du kannst im Literaturgeflüster jammern oder auch Kurzgeschichten schreiben. Zeitlassen, schreibe ich ja immer, Kraft holen und nachtanken, weil eine, die jahrelang manisch einen Text nach dem anderen schreibt, naturgemäß einmal ein wenig ausgepowert ist. Vorgestern habe ich gedacht, ich bin in den vierzig Schreibejahren kein Stück weitergekommen. Dann denke ich wieder, das stimmt nicht und eine, die so viel schreibt, muß es schon ein bißchen können und man kann auch aus der „Paula Nebel“ einen interessanten kurzen oder längeren Text machen.
Ein bißchen schwierig ist es ja auch mit den Feedbacks. Da habe ich zum Beispiel am Montag die Literarische Soiree gehört und da sagte Katja Gassner, daß sie, seitdem sie in Karenz und junge Mutter ist, nur mehr gute Bücher lesen würde. Was bitte ist darunter zu verstehen? Was ist gute Literatur? Cornelia Travniceks „Chucks“, das in dieser Sendung ziemlich verissen wurde, ist ja ein gutes Beispiel, für ein spannendes Stück neuer Literatur. Da wurde aber die Jugendlichkeit bemängelt und sogar gesagt, daß man nicht über den AIDS-Tod schreiben soll, weil es den nicht mehr gibt und so viel Jugendlichkeit vertragen, die älteren Kritikerinnen offenbar nicht.
Ich habe mir gedacht, wenn ich die „Paula Nebel“, ein bißchen fetzig hinbekomme, wäre das vielleicht gut, aber wie macht man das?
Den Anfang und das Ende schreiben, hat Cornelia Travnicek, in einem Interview gesagt und dazwischen mit Szenen auffüllen, die nicht chronologisch sein müßen. Ich schreibe eigentlich immer chronologisch und verändere dann nicht mehr viel. Vielleicht ist das, das Problem, denn ich kann mich erinnern, daß Cornelia Travnicek auch etwas von vierzig Seiten gesagt hat, die sie weggeschmissen hat. Nun werfe ich nicht viel weg und war mit fünfundzwanzig Jahren sicher nicht so weit, so souverän über mein Schreiben Auskunft zu geben. Mit Dreißig kann ich mich erinnern, daß ich über die Psychose einer Freundin schreiben wollte und nicht weitergekommen bin. Jetzt stehe ich wieder an, denke, ich mag nicht mehr, weil das ja niemanden interessiert. Aber was ist die Alternative? Richtig, ich habe keine. Denn nur meine Bücherberge auflesen, will ich eigentlich nicht. Was ist aber, wenn mit dem Schreiben nichts weitergeht? Du mußt nicht schreiben, hast keinen Anspruch darauf und brauchst es nicht, werden die Kritiker jetzt sicher mahnen. Richtig, was ist aber, wenn ich es will?
Ich kann mich noch sehr genau an meine ersten Kritiker vor fünfunddreißig Jahren erinnern. Die haben „Die Einladung zum Tee“ angeschaut und gesagt „Das ist schlecht, wir können dir aber auch nicht sagen, wie es besser geht!“ und Rudolf Blazejewski aus Frankfurt, meinte freundlich, ich solle mich an meinem Schreiben freuen und das nur für mich tun. Das ist mir zwar immer noch zu wenig, geht aber wahrscheinlich nicht anders. Was mache ich aber, wenn es nicht weitergeht? Die Freewriter raten, solange „Mir fällt nichts ein!“, zu schreiben, bis es wieder geht. Also aufhören, hinausgehen, den Bleistift mitnehmen und denken, „Du mußt nichts schreiben, kannst es aber, wenn du willst!“
So war ich am Gründonnerstag mit dem Rad in Herzogenburg und habe in der dortigen Bücherei schon „Chucks“ in der Auslage des ziemlich verschlafen wirkenden Städtchens liegen gesehen und mir gedacht, „Wow, sind die aber schnell!“
Jetzt jammere ich ein bißchen im Literaturgeflüster und dann sehen, wie es weitergeht? Inzwischen habe ich fünfzig Seiten geschrieben, neunzehn Szenen, 22.860 Worte und es passt noch nicht ganz zusammen und sollte vielleicht mindestens noch eine Verbindungsszene bekommen. Sonst denke ich aber fast, daß ich fertig bin und aus der Paula Nebel ein kürzerer Text geworden ist, der vielleicht die realistische Antwort auf Kurt Palms „Die Besucher“ geworden ist, der im Wochenendstandard seine Gedanken über Ostern und das Eiersuchen äußert. Soll und kann so sein!
„Das Haus“ war eigentlich auch nicht viel länger. Hebe ich den Text eben, wenn ich mit dem Korrigieren fertig bin auf und schreibe einen zweiten kurzen oder gebe ihn mit den anderen Kurzgeschichten, die ich schon habe, als Geschichtenband oder „Best of III“ heraus.
Ich muß ohnehin auch noch meine zwei anderen Bücher fertig machen und zum Lesen habe ich auch genug. Daraus lerne ich immer viel und natürlich muß ich nicht schreiben, will es aber und glaube schon, daß ich es ein bißchen kann!

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2 Kommentare »

  1. Hallo 🙂
    in einer leserunde habe ich aus dem buch texte von Gelasimov, Gavrilov und Churgin gelesen, meine zuhörer waren restlos begeistert. zur zeit kann russische literatur so viele schillernde (und göthende, haha 🙂 )persönlichkeiten aufweisen, sie werden aber nicht übersetzt. und so bleibt der masse die gedanke, das wir nur tolstoj und dostoevskij haben 😉
    ich bleib mal da und lese weiter, danke.

    Kommentar von 3olotko — 2012-12-20 @ 09:46 | Antworten

    • Vielen Dank für den Kommentar, fein, daß Sie zu mir gefunden haben und ein bißchen wieder den literarischen Diskurs in das Literaturgefülster bringen, obwohl ich mich bezüglich der russischen Literatur nicht so besonders auskenne.
      Wir haben in Wien aber einige russische Emmigranten, wie Julya Rabinowich oder Alexander Nizberg, die schon Bestseller geschrieben haben oder Bulgakows „Meister und Margarita neu übersetzten.
      In der Alten Schmiede kann man derzeit auch immer wieder Alexander Nizbergs Performances hören oder es sind russische Dichter, wie Oleg Jurjev und die Bachmannpreisträgerin Olga Martynova zu Gast.

      Kommentar von jancak — 2012-12-20 @ 17:34 | Antworten


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