Literaturgefluester

2012-05-12

Milena Michiko Flasar und Festwocheneröffnung

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:36

Normalerweise gehe ich ja nur einmal zu Lesungen und Milena Michiko Flasar habe ich schon in Leipzig im Berliner Zimmer, gehört, aber der dritte Roman, der 1980 in St. Pölten geborenen Milena Michiko Flasar „Ich nannte ihn Krawatte“, wurde, wie Edith Ulla Gasser, die in der Hauptbücherei moderierte, einführte, von der Kritik hochgelobt. Die Kritik ist abgefahren auf das in Japan spielende Buch über das Phänomen der Hikikomori, das sind meist junge Männer, die den Leistungsdruck von Schule und Gesellschaft nicht aushalten, sich in ihr Zimmer einschließen und die Wohnung oft Jahrelang nicht verlassen und es ist neben Cornelia Travnicek und Emily Walton das dritte hochgelobte Frühlingsbuch junger Frauen und wurde auch überall vorgestellt, in Leipzig, beim Wiener Stadtfest vor einer Woche und noch bei anderen Gelegenheiten. In Leipzig habe ich, wie erwähnt, in das Buch hineingehört, das mich als Psychologin interessiert, da ich gelegentlich Schulverweigerer in meiner Praxis habe und auch von Kollegen immer wieder höre, daß ihre Verwandten Sorgen um ihre Kinder haben, die plötzlich nicht mehr in die Schule gehen.
Als ich in die Hauptbücherei gekommen bin, war es sehr früh, da man wegen der Festwocheneröffnung, ab fünf gratis mit den Wiener Linien fahren konnte und ich mit dem Durchkorrigieren der „Paula Nebel“ fertig war und nicht neu beginnen wollte. Kam also in einen leeren Saal, nicht einmal der Büchertisch war schon aufgestellt, nur die Autorin probierte gerade das Mikrophon und machte mit Edith Ulla Gasser aus, wo sie sitzen würde.
Die begrüßte mich auch gleich, sagte, daß sie in meine „Zwillingswelten“ hineingelesen hätte, ich habe ihr ja letzte Woche „Die Frau auf der Bank“ geschickt und sagte mir dann, heute wird ein interessantes Buch vorgetellt. Aber das wußte ich schon und es spielt auch auf einer Bank, denn Milena Michikos Roman, das ist auch sehr interessant, ist nicht chronologisch, sondern beginnt erst, als der Hikikomori, das ist für mich ein schwer merkbares Wort, für die anderen aber wahrscheinlich interessant. So wurde er nur als solcher bezeichnet, daß ich in der Diskussion fragte, ob die Protogonisten keine Namen hätten, die Wohnung der Eltern schon wieder verläßt und in einem Park einen anderen Außenseiter der Gesellschaft, nämlich den, den er Krawatte nennt, trifft und das ist ein sogenannter Saleryman, der aber schon entlassen wurde, weil achtundfünzig und nicht mehr leistungseffizient genug. So geht er jeden Tag mit Anzug und Krawatte aus dem Haus, damit seine Frau nicht merkt, daß er arbeitslos ist.
Die beiden, jeweils von Schuldgefühlen geplagt, freunden sich vorsichtig an, erzählen sich ihr Leben und so bekommt man rückwärts heraus, warum der für mich Namenlose ein Hikikomori wurde. Es ging um einen Freund, dessen Vater ihm das Gedichtheft entriß, weil der Sohn nicht unglücklich, sondern in die Fußstapfen seiner Ahnen treten und die Juristenlaufbahn übernehmen sollte, der ihm auf die Straße bestellte und sich in den Verkehr stürzte, der Ich-Erzähler schämte sich aber für ihn, hilft ihn nicht und zieht sich aus diesen Grund in sein Zimmer zurück. Klingt alles ein bißchen abstrakt und abgehoben, ich würde da viel realistischer erzählen und am Boden bleiben.
Milena Michiko Flasar, die viel über das Buch und wie es geschrieben wurde, erzählte, meinte, daß sie ein Buch über Japan schreiben wollte. Dann hat sie eines Nachts den ersten Satz „Ich nannnte ihn Krawatte“ geträumt, sich die Handlung in Bildern vorgestellt und auch ein paar Artikel über das Phänomen der Hikikomori gelesen. Zuviel wollte sich sich aber nicht in die Theorie einlassen, sondern sich lieber in die Personen vorstellen und interessant, sie schreibt in der Ich-Form über einen jungen Mann. Es geht um Schuld und um das Zulassen von Gefühle, die beiden nähern sich vorsichtig an, erzählen sich ihr Leben und das Buch geht, wie Edith Ulla Gasser erwähnte, gut aus. Am Schluß steht „Anfang“, aber es wurde nicht verraten, was da alles noch passiert.
Ich bin ja an der psychologischen Seite des Problems interessiert. So tat ich mir Anfangs mit der für mich erlebten Distanz auch etwas schwer. Die Sprache ist aber wieder wunderschön schön, wenn auch für mich fast zu abgehoben. Aber das will die Literaturkritik ja, deshalb wurde das Buch wahrscheinlich so gelobt und etwas über Japan zu erfahren ist sicher auch interessant, obwohl eine Frau aus dem Publikum, die das Buch schon gelesen hat, meinte, daß es überall spielen könne und ein Herr erkundigte sich, was man therapeutisch gegen das Phänomen machten könne und schien auch nicht nur an der schönen Sprachen interessiert
Milena Michiko Flasar, die Komparatistik, Germanistik und Romanistik studierte und Deutsch als Fremdsprache unterrichte, erzählte noch, daß sie in Japan meist die Sommer verbracht hat und keine Schwierigkeit mit ihrer doppelten Identität hat, sie hat ja auch einen interessanten Namen, der tschechisch ausgesprochen wird, was die Fremdheit vielleicht noch ein wenig erhöht. Ein interessantes Buch, hochstilisierte Psychologie und wir haben vielleicht wieder eine Sprachkünstlerin, wie Andrea Winkler beispielsweise. Ich habe am Büchertisch noch ein wenig in die beiden anderen Bücher hineingeschaut.
„Ich bin“ heißt das erste, „Okaasan, mein unbekannte Mutter“ das zweite, das von einer an Alzheimer erkrankten Japanerin handelt, deren offenbar österreichische Tochter ihr Leben aufzuspüren versucht und am Ende nach Japan geht, auch ein interessantes Thema, das vielleicht sehr literarisch aufgearbeitet wurde.
Nach der Lesung war es Zeit für die Festwocheneröffnung am Rathausplatz, die ich immer gern besuche. Auch hier ging es um junge Talente, nämlich um das Finale der Eurovision Young Musicians, wo sieben ausgewählte junge Leute zwischen fünfzehn und achtzehn aus ganz Europa mit dem ORF-Symphonieorchester unter Cornelius Meister musizieren durften. Mnozil Brass unterstützte, Martin Grubinger moderierte und es war sehr voll am Rathausplatz, da ich aber diesmal von der anderen Seite eingetroffen bin, habe ich ziemlich vorn einen guten Platz bekommen und gewonnen haben, was natürlich ein Zufall ist, drei junge Männer, das war ja bei den Bezirkschreibern am Dienstag anders. Da haben drei junge Frauen gewonnen, das Musikgeschäft läuft aber vielleicht anders. Es war ein interessanter Abend und die Wiener Festwochen sind eröffnet.

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