Literaturgefluester

2022-07-11

Salonfähig

Filed under: Bücher — jancak @ 00:00
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Hurrah, hurrah, jetzt komme ich im Juli endlich zum Backlistlesen, beziehungsweise zu einem meiner Geburtstagsbücher zu Elias Hirschls „Salonfähig“, der beim letzten „Bachmannlesen“ mit meiner Stimme den Publikumspreis gewonnen hat und über einen rasanten Sprachstil verfügt und wo mir lange nicht klar war, ob es sich dabei um einen Schlüßelroman über Sebastian Kurz und die türkise ÖVP handelt, die ist jetzt vorbei und Sebastian Kurz Geschichte. Der Korruptionsskandal ist noch da und ich, die ich ja auch sehr politisch schreibe, habe mich vor meiner Covid-Phase ja auch einmal mit Sebastian Kurz und auch mit den Identitären versucht, beziehungsweise schon in „Zwischen Hütteldorf und Heiligenstadt“, in der „Reise nach Odessa“ und „Mathilde im Coronaland“ mit den jungen ÖVP-Politikern versucht.

Zugegeben, ich habe keinen so rasanten Schreibstil, wie der noch nicht dreißigährige junge Mann, den man seine Poetryslam-Vergangenheit anhört oder ablesen kann. Trotzdem hat mich das Buch ein bißchen ratlos gemacht und es war auch meiner Meinung nach nicht ganz strigent. Es ist eher so, als wären rasante Szenen an rasante Szenen aneinandergereiht, die dann der eigentlichen Handlung widersprechen und so ganz logisch erscheint mir dieser junge ÖVP–Funktionär auch nicht, denn ob diese junge gestylten Supermänner wirklich alle einen Psychotherapeuten haben und ob sie, wie wenn man den Inhalt ernst nimmt dann psychotisch werden, weil sie so extrem unsicher sind?, sei dahin gestellt.

Es ist also kein Buch über Sebastian Kurz, der in dem Buch Julius Varga heißt, während der rasant rasende Ich-Erzähler keinen Namen hat. Er ist Funktionär in den hinteren Reihe der „Jungen Mitte“, gießt also seinem Idol Julius Varga, der im Laufe des Romans Bundeskanhzler wird, die Blumen und interessant ist auch und da würde mich interesseieren, wann Elias Hirschl das buch geschrieben hat, daß der Ich-Erzähler und Julius Varga, der eigentlich nur eine Nebenrolle spielt, einen Gehstock haben und leicht hinken. Aber den verwendet ja Norbert Hofer nach einem Flugzeugunfall und nicht Sebastian Kurz und der Erzähler hat sich seinen Unfall zugezogen, als er in Shaghai zu Silvester war und dort jemand Geldscheine von einem Hochhaus schmiß und ihn die daraufhin entstehende Maßenpanik erdrückte. Dann sind wir aber in Wien und da geht der Antiheld zu Silvester glaube ich auf den Stephansturm und schmeißt da die Geldscheine hinunter und auf einmal ist er selbst der Shanghai-Täter und das ganze wird dann noch Julius Varga in die Schuhe geschrieben, während ihm die Rhetoriktrainerin erklärt, wie man die Wirklichkeit verändert.

Rasant verwirrend. Beginnen tut es vergleichsweise langsam, in dem der Held seine Morgenhygiene betreibt und erzählt, daß er ein guter Mensch sein will. Seine Rhetoriktrinerin hat ihm einige Sätze in den Mund gelegt und weil er das werden will, gibt er täglich einem Bettler zwanzig Cent und belohnt sich dafür mit einem Stück Sachertorte. Dann stellt er das ein und zu seiner Freundin ist er besonders fies oder neurotisch unsicher. Die besucht ihm nämlich. Er läßt sie warten und dann doziert er stundenlang über Thomas Glavinicn und spult da eingelernte Sätze hiunter bevor er Moni hinausschmeißt, weil er Zeit für sich braucht.

Beesonders skurril die Szene, wo die Wahl stattfindet. Der Held betritt die Wahlkabine. Da hat jemand „Varga muß sterben!,“ hingekritzelt und er gerät in Panik, versucht verzweifelt das wegzukratzen, fällt damit auf, die Polizei und die Rettung wird geholt und statt im Steinhof geht es und im nächsten Kapitel, wie gewohnt weiter.

Er schreibt unzählige Mails oder SMS an sein Idol, das ihm nicht antwortet, entschuldigt sich dafür besorgt sich dann die ganze Auflage der Varga-Biografie und gerät noch einmal und noch mehr in Rage. Er stellt die Bücher um sich auf und verwandelt sich immer mehr in die Person seines Idols. Am Ende zerstückelt er ihn und man weiß nicht, ist er jetzt der neue Bundeskanzler und wie es es weitergehen wird? Es geht ins Hotel Sacher weiter und dann fliegt er nach China und wandelt dort herum.

Interessant, interessant, die Frage, wie schreibt man ein Buch über lebendige Personen? Da war ich ja erst kürzlich einer diesbezüglichen Veranstaltung. Man tut es offenbar in dem man sehr verfremdet. Die Rollen wechselt und die anderen offenbar interpretieren läßt, was man jetzt gelesen hat und das jetzt bedeutet und als ich mich schon fragte, wieso das Buch ausgerechnet „Salonfähig“ heißt, finde ich das Wort dann auf Seite zweihundertfünfundvierzig: „Ich bin salonfähig. Mein Hugo-Boss Anzug, slim fit betont beiderseitig meine schlanke Figur und den Ansatz an wohltrainierter Muskelmasse.“ und wer es jetzt wissen will „250 Seiten unterhaltsamer Irrsinn auf ziemlich hohen Niveau“, hat Cathrin Kahlweit, von der „Süddeutschen Zeitung“ auf den Buchrücken geschrieben.

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