Literaturgefluester

2012-10-05

Von Orten. Ein Poem

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:00

Das kleine graue Heftchen mit einem Schuh, grauen Socken und ebensolchen Schnürrlsamt am Titelbild, Oleg Jurews zwischen 2006 und 2009 geschriebene Gedichte, die im Gutleut Verlag Frankfurt am Main und Weimar, erschienen sind, habe ich im Februar beim Fix Poetry Gewinnspiel, das es jetzt nicht mehr zu geben scheint, gewonnen und hatte keine Ahnung, wer Oleg Jurjew ist. Die Ahnung ist mir dann im Juli gekommen, als Olga Martynova beim Bachmannpreis gelesen und gewonnen hat. Er ist ihr Ehemann, 1959 geboren aus Russland emigriert, seit 1991 in Deutschland lebend. Am 23. Oktober werden die Beiden in der Alten Schmiede lesen, er aus seinem neueren, bei Jung und Jung erschienenen Gedichtband „In zwei Spiegeln“, sie aus den bei Droschl erschienenen Gedichten „Von Tschwirik und Tschwirka“ und im Programm kann man über Oleg Jurjew „von einem dreifachen Exil, als Lyriker in der Alltagssprache, als Jude in der Sowetunion, als russischer Dichter, der seit 1991 in Deutschland lebt, lesen.
Elke Erb hat bei beiden Bänden übersetzt oder beraten und das Poem besteht eigentlich aus Prosatexten in sechs Gesänge, die sich tatsächlich von Ort zu Ort bewegen.
In der „Kurpfalz“ fängt es an „Weinberge im Schnee. Eine Katze geht vorüber“, lautete die Überschrift. Dann geht es „Eine Bergstraße“ weiter über „Die Liebe zum Vaterland“ nach Österreich. Da trägt eine „Empfangsdame ein Lächeln, das mit einer gewissen Verzögerung ihr Gesicht einholt.“
Mit „Eine Raststätte am Hügel. Kyrillisch und lateinisch, Vokale und Konsonanten“ geht es weiter in den „Sonnenwinter in Florenz. Früher Morgen (blau und golden und die scewarze florentinische Luft ist bereits aus der Stadt abgezogen.) zu den „Straßen Chicagogs -Urbana/Champaign, il über Leben und Tod.
Der zweite Gesang führt zuerst in Zürcher Oberland „Auf der Alm lagen Kühe mit den Gesichtern betagter russischer Schriftstellerinnen liberaler Gesinnung des ausgehenden 19. Jahrhunderts.) von Zürich nach Berlin und dann noch an den Nordseestrand „In den gestreiften Hüttchen lesen die bemäntelten und grestiefelten Kurgäste Bücher deren Umschläge schnattern.“
Dann gibts „Neues aus der Baumkunde, die Schilerhöhe oberhalb von Stuttgart, erstmals Herzogpark, heute Wildwuchs mit numerierten Baumstämmen und biologischen Windbruch, anscheinend Mitte März.“
„Warum riecht der Faulbaum nach billigen Parfum, der Flieder aber nach teurem?“ fragt Jurjew weiter, um sich im dritten und vierten Gesang nach Frankfurt zu begeben, wo er zu leben scheint.
Im fünften Gesang geht es nach Leningrad zur „Tram Nummer neun“ in die „sechziger Jahre“ zum „Winter“ und der „Nacht“.
„Puschkinberge. Früherbst 1977. Die Studentengruppe der Leningrader Hochschule für Binnenschiffahrt, an der ich damals studierte, hatte den „sozialistischen Studenten Leistungswettbewerb“ gewonnen und wurde mit einem Gruppenausflug in die Puschkinberge belohnt, in die zu einem Museumspark erhobene Gegend im Pskower Gebiet, in der Puschkins Gut lag. Hier ist es wirklich sehr schön.“
Danach gehts nach „Gantiadi, Abchasische Schwarzmeeküste, August 1985, Schwarzsiedlung am Eisenbahndamm, hinter ihr ein wilder Strand“ um im Gesang sechs das „Verschwinden Marseilles“ zu beschreiben .
„In den dunklen Gesichtern der Araber glühten kleine Zigarettenkreise auf. Dann verschwanden auch sie. Seitdem hat Maseille niemand mehr gesehen.“
Um über Elsaß in die Pfalz zurückzukommen.
Es gibt dann noch einen Epilog „Über die Geometrie der Substanzen und Wesen“, der Oleg Pafil gewidmet ist, sowie eine Danksagung an Elke Erb und etwas habe ich vergessen. Um die biografischen Angaben machen zu können, habe ich mir vorhin das Alte Schmiede Programm hergeholt. Das Büchlein ist aber in graues Packpapier eingewickelt, wenn man es herausschält, kommt man zu einem weiteren Gedicht über die Pfalz, einer Seite Text den Lebenslauf und einem großen Bild des Autors.
Wieder etwas gelernt und vorhin in der Badewanne, eine interessante literarische Kurzreise durch das halbe Europa gemacht.

1 Kommentar »

  1. […] Eva Jancak: Von Orten. Ein Poem literaturgefluester.wordpress.com, 5.10.2012 […]

    Pingback von Oleg Jurjew: Von Orten. Ein Poem - planet lyrik @ planetlyrik.de — 2014-05-18 @ 10:34 | Antworten


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