Literaturgefluester

2024-01-13

Der Zahlschein kommt

Filed under: Textbeispiel — jancak @ 00:37
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Erika hatte die Post geholt und sich damit an den Küchentisch gesetzt. Sich eine Tasse Kaffee aufbrühen und die Post aufgemacht.

Da lag neben einigen Werbezettel ein Brief von der OBS, dem ORF-Beitragsservice, vormals GIS, denn da gab es es ja jetzt die Haushaltsgebühr, die jeder zahlen mußte, egal ob er das ORF-Programm konsumierte oder einen Fernseher hatte. Jetzt sollte sie also für etwas zahlen, das sie nicht brauchte und wenn nicht, bekam sie hohe Strafe und konnte dafür sogar ins Gefängnis kommen.

Das waren die Veränderungen der letzten Jahren. Seit der Corona-Pandemie hatte das angefangen, daß von oben diktiert wurde und man keine eigene Meinung und auch keinen Hausverstand haben durfte. Hatte man sich damals auf eine Parkbank gesetzt, konnte die Polizei erscheinen und einen Strafzettel über fünfhundert Euro ausstellen. So war es fast drei Jahre gegangen. Dann waren die Maßnahmen langsam aufgehoben worden und es kam der Angriffskrieg auf die Ukraine. Da konnte man hören, daß man keine eigene Meinung haben durfte, weil man sonst ein Putin-Versteher, ein Schwurbler oder rechtsexem war und das hatten nicht nur einige Freunde, sondern sogar der Bundespräsident und die Neos-Chefin, geäußert.

„Man darf nicht für Russland und gegen die Sanktionen sein!“, hatte der Präsident mit seinem sanften Lächeln gemahnt.

„Denn sonst ist man antidemokratisch und man muß auch wählen gehen!“, etcetera. Dann war die Teuerung gekommen und die Umweltministerin, die angeblich für sich sehr spendabel war und mit ihren Chats durch die Welt reiste, erklärte, daß man den Deckel beim Kochen auf den Topf geben und die Heizung herunterdrehen mußte.

Was war denn das? Sie war doch kein Kind, sondern eine fünfundvierzigjährige Frau, die beim „Billa“ an der Kassa saß und da nur sehr wenig verdiente. Die Miete war schon dreimal erhöht worden, die Energiekosten und natürlich die Waren beim Supermarkt. Da saß sie an der Quelle und bekam den Ärger der Kunden mit.

Sehr wenig verdiente sie und jetzt sollte sie 183 Euro 6o Cent, ihren Jahresbeitrag für nichts bezahlen und das auf einmal, während die, die bisher GIS bezahlt hatten, das weiterhin monatlich tun konnten.

„Verdammt, verdammt und wirklich sehr verrückt!“

Seit der Corona-Krise hatte sich wirklich sehr verändert und es passierten Sachen, die man sich vorher nicht vorstellen hatte könnte.

Jeder Haushalt mußte zahlen. Egal, ob er den ORF konsumierte oder nicht und sie hörte immer, daß das Programm gar nicht so gut war. Es war klar, daß sich in den letzten Jahren etwas verändert hatte. Die Leute hatten die GIS abgemeldet und das Programm gestreamt. Aber da konnte man doch etwas tun und zum Beispiel eine Streamingsperre einführen.

Aber das wollte der ORF nicht, der während der Corona-Zeit sehr sehr einseitig berichtet und die Leute zur Impfung manipulieren wollte und, wie man hörte sich die Manager die größten Gagen auszahlte, während sie schon so bei Null angekommen war und jetzt diese hundertdreiundachtzig Euro zahlen mußte. Sonst wurde sie exekutiert, den Fernseher konnten sie ihr ja nicht nehmen. Aber vielleicht den Laptop und wenn sie nicht zahlte, kam sie ins Gefängnis und verlor vielleicht den Job.

„Verdammt, verdammt und wirklich sehr verrückt!“2“, fluchte Erika vor sich hin und nahm einen Schluck Kaffee, der ihr gar niccht schmeckte. Was sollte sie nur machen?

Zahlen natürlich, damit sich die Manager vielleicht Maßschuhe kaufen durften.konnten. Aber ganz so kampflos würde sie nicht aufgeben. Die hundertdreiundachtzig Euro mußten eingespart werden. Aber wie, was aber was? Wie konnte sie damit die Managerriege treffen, der das wahrscheinlich egal sei würde.

„Sie müßen zahlen, auch wenn Sie murren!“, hatte der Direktor vor einigen Tagen zynisch lächeln gesagt.

Also nie mehr etwas für „Licht ins Dunkel“ spenden. Aber das traf die Falschen. Was konnte sie bei sich einsparen, damit es sich ausging. Denn um Stundung würde sie nicht ansuchen. Nicht betteln und sich erniedrigen. Während die Führungsschicht vielleicht jeden Abend um hundertdreiundachtzig Euro in die Nobellobkale essen gingen.

Also nicht mehr ins Kino und nur mehr das Billigste kaufen. Kartoffel, Reis und Burenwürste und zum McDonald`s gehen. Auch wenn das Kanzlermenü, zum Unwort des Jahres gehen. Aber ein Hamburger mit Pommes frites waren wirklich billig und das konnte sie mitnehmen, wenn sie sich mit einem Plakat „Ich bin gegen die OBS-Gebühr“ vor das ORF-Gebäude stellte.

Ob da die Polizei kommen und sie verhaften würde, wenn sie das tat? Vielleicht bekam sie einen Strafbescheid über fünfhundert Euro und sie konnte sich ein paar Monate nicht satt, sondern nur Kartoffeln und Margarinebrot essen oder mußte die Heizung abdrehen,“ dachte Erika seufzend und trank den Kafffee aus.

„Verdammt, verdammt, man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte!“, dachte Erika wütend und fluchte neuerlich vor sich hin.

2024-01-11

Aus dem Leben einer Schwurblerin

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Und jetzt wieder ein Schmankerl aus dem Work of Progress. Den Beginn der „Schwurblerin“:

„Agathe Bischof hatte das Wahllokal betreten, ihren Ausweis abgegeben und war mit dem Wahlzettel in die Zelle gegangen. Den Zettel ausbreiten, nach dem bereitstehenden Kugelschreiber greifen und ihre bevorzugte Partei ankreuzen.

„Wenn das nur so einfach wäre?“, dachte die achtunddreißigjährige Architektin und seufzte auf. Das letzte Mal vor fünf Jahren war es das gewesen. Da hatte sie sich, die Linkswählerin war, sich für die Grünen entschieden, um die FPÖ zu verhindern. Was war seither geschehen?, fragte sie sich und merkte, daß sich ihr Körper zu schütteln begann. Viel war geschehen. Zuerst die Pandemie, die Corona-Krise, dann der Ukraine-Krieg, die Klimakatastrophe, die Teuerung, dann der Angriff der Hamas auf Israel, der sie im schönen Österreich eigentlich nichts anging. Eine Zwangsorfsteuer war auch eingeführt worden, die sie bezahlen mußte, obwohl sie keinen Fernseher besaß.

„Uje, uje!“, dachte Agathe. Ihr Schütteln verstärkte sich und starrte auf den vor ihr liegenden Wahlzettel ÖVP, SPÖ, FPÖ. Dann gab es noch die Grünen und die Neos. Die Linkspartei, ihr bisheriger Favorit gab es auch, aber wenn sie ehrlich war, hatte sie in den letzten Jahren ihr Vertrauen in den Staat und die Parteien verloren.

„Uje, uje!“, hörte sie sich nochmals seufzen.

„Wenn ich das laut sage, werde ich sicher den Reichsbürgern zugezählt!“

Denn eine Schwurblerin, eine Rechte, eine Corona-Leugnerin war sie schon, weil sie sich nicht impfen und nicht testen hatte lassen und keine Maske tragen wollte! Laut dem Bundespräsidenten, den sie einmal gern gewählt hatte und ein halbes Jahr lang bangte, daß er bei der Wahlwiederholung verlieren würde, eine Kollaborateurin und laut der Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, eine Staatsfeindin, weil sie gegen die Russlandsanktionen, gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine und noch immer für Friedensverhandlungen war. Da kommen diese Parteien wohl nicht in Frage und die Grünen wählte sie nicht mehr. Hatten sie die sie bezüglich der Corona-Maßnahmen und der Zustimmung zur Impfpflicht mehr als enttäuscht. Die Grünen also nicht. Das war klar. Das war ein fehlgeschlagener Versuch gewesen. Die ÖVP nicht und die Sozialdemokraten kamen für sie, die in einem Gemeidebau aufgewachsen und die Tochter eines sehr engagierten Parteigenossen war, auch nicht in Frage. Was blieb also über?, dachte Agathe Bischof und ihr Blick blieb blieb auf dem FPÖ-Kästchen hängen. Die FPÖ, die sie das letzte Mal durch die Wahl der Grünen verhindern wollte und jetzt könnte sie, wenn sie ehrlich war, zumindestens zu fünfzig Prozent wählen. War sie doch zu hundert Prozent mit deren Corona-Ansichten einverstanden gewesen. Hatte sich an ihren Demonstrationen beteiligt und hätte sich auch, wenn die Impfpflicht Wirklichkeit geworden wäre und sie einen Strafbescheid bekommen hätte, die Einspruchsformulare von ihrer Seite heruntergeladen. So weit war es nicht gekommen. Sie war aber immer noch zu hundert Prozent mit der Freiheitlichen Corona-Meinung einverstanden und, daß Herbert Kickl, wenn er Volkskanzler wäre, die ORF-Zwangssteuer abschaffen würde, war auch ein Argument, das sie in diese Richtung bringen könnte. Wenn das nur glaubhaft wäre?, dachte Agathe und seufzte auf. War sie sich doch diesbezüglich gar nicht sicher und mit der freiheitlichen Ausländerpolitik und der Festung Österreich war sie auch nicht einverstanden, wie sie auch weiterhin „Töchter, Söhne!“, bei der Bundeshymne singen und ein bißchen gendern wollte. Das also nicht, obwohl der blaue Kästchen verlockend blinkte und sie 2020 bei der Wien-Wahl auf einer Veranstaltung der Linkspartei im Wiener Prater gewesen war und da eine junge Genossin begeistert von der Enteignung des Theresianums schwärmen hörte. Das ebenfalls nicht, obwohl sie bezweifelte, daß die junge Frau jemals Gelegenheit bekam, ihre Forderung umzusetzen. Die Grünen hatten sie enttäuscht und die FPÖ würde sie auf keinen Fall wählen. Was aber dann?, fragte sich Agathe und wußte die Antwort nicht.

„Brauchen Sie Hilfe?“, hörte sie von draußen eine besorgte Stimme rufen. War sie doch offenbar zu lange in der Zelle verblieben und hielt den Betrieb auf.

„Nein, nein, keine Sorge!“, hörte sie sich dementieren. Steckte das unbeschriebene Formular in das dazugehörende Kuvert, hielt es dem Wahlleiter entgegen und stürzte mit ihrem Paß aus dem Lokal.“

So, das müßte dem Uli eigentlich gefallen. Er wird aber schon etwas finden, was ihn empört.

2023-12-17

Drittes Adventwochenende

Weihnachten naht mit Riesenschritten und obwohl ich nicht katholisch bin, ist der Advent für mich immer eine besondere Zeit und seit ich blogge, gibt es auch immer ein Adventspezial. Es gibt die Weihnachtsbücher, da lese ich heuer wieder einen Adventkalender, wo es jeden Tag ein Gedicht und eine Weihnachtsgeschichte gibt, wo man sehen kann, wie es früher war, als es noch geschneit hat.

Einige der Weihnachtlichen Aktionen, wie das Adventwandern durch Neubau oder das xxx-small im Amerlinghaus gibt es, glaube ich, nicht mehr. Die „Ohrenschmaus-Preisverleihung“ findet seit Corona auch nicht mehr im Dezember statt. Dafür gibt es aber das Punschtrinken und die Weihnachtsmärkte. Jetzt kann man ja wieder dorthin gehen, vor zwei Jahren während des Ni-Lockdowns war das ja streng verboten und die „Lese.Auslese mit Punsch und Keksen“ gibt es auch in der „Gesellschaft“ und auf meinen Schlafzimmertisch häufen sich die weihnachtlichen Gaben. Da baue ich mir ja immer eine Art Bücheradventkalender auf und hoch oben liegt der „Ispa-Adventkalender“, den mir der Alfred gebracht hat, als ich im „El Speta“ gelesen habe. Das ist eine viereckige Schachtel, wo man sich jeden Tag eine kleines Schokotäfelchen herausholen kann.

Dann gibt es auch meinen Adventkalender, meine „Nika-Weihnachtsfrau“, von der ich heuer wieder drei neue Fenster geöffnet habe.

Da verlinke ich unten das schon Vorhandene und Punschtrinken waren wir mit der Iris vor zwei Wochen auf dem Karlsplatz und wollten da eigentlich letzten Mittwoch mit der kleinen Lia hingehen. Die war aber krank, so haben wir das gestern nachgeholt.

Da gibt es ja ein Ringelspiel, das man selber durch Radfahren antreiben muß. Es gibt den Punsch und für die Kinder zeichnen, Kerzen ziehen oder basteln und am Sonntag hat uns die liebe Ruth eingeladen, die ja den Monat November auf einen Schreibaufenthalt in Bad Hall verbracht hat und daher nicht bei meinen literarschen Geburtstagsfest war. Die hat sich ja im Sommer den Arm gebrochen und da hat ihr der Physiotherapeut gesagt „Finger viel bewegen!“ Also ist sie auf die Idee mir zu Weihnachten eine Jacke zu stricken gekommen und die wollte sie mir heute übergeben.

Der Tisch war schön mit einer Kerze und einem Nuß- und Mandarinenteller geschmückt. Es gab sehr schöne Servietten und einen Weihnachtskuchen und dann gibt es auch ihr neues Buch, das sie mir übergeben hat.

„Begona, la Trigena“, heißt der Roman, der in Nikolaus Scheibners „Edition“ herausgekommen ist. Angesichts meiner immer noch sehr langen Leseliste, werde ich vor Februar höchstwahrscheinlich nicht kommen. Was aber vielleicht auch ganz passend ist, denn am siebenten Februar feiert die Ruth ja ihren siebenundsiebzigsten Geburtstag und da gibt es eine von einem Schauspieler gelesene Präsentation . Im Linzer „Stifterhaus“ stellt sie das Buch auch vor und vielleicht auch in der kubanischen Gesellschaft, denn es geht in dem Buch auch um Kuba oder Havanna und jetzt schreibt die Ruthschon an dem nächsten Buch.

Fleißig fleißig, aber ich bin das auch, korrigierte ich ja immer noch an meiner „Stalkingstory“ und dann gibts schon Ideen für ein oder zwei Projekte und Anfang nächstes Jahr gibt es wieder Jurenka Jurks „Romanplanjahr“, wo ich wieder mitmachen werden, obwohl ich inzwischen schon weiß warum ich schreibe und wahrscheinlich auch wo meine Stärken und Schwächen sind.

So jetzt kommt noch eine Arbeitswoche und dann geht es am Freitag wahrscheilich nach Harland, wo wir über Weihnachten bis Silvester bleiben werden und jetzt, wenn meine Leser wollen, wieder ins Jahr 2015 zurück, wo die Flüchtlingskrise ihren Höhenpunkt hatte und die Einstellung dazu noch ganz anders war.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 ein paar Lücken gibt es noch, mal sehen, wann sie sich füllen und interessant ist wahrscheinlich auch, die Vortexte dazu zu lesen, wo man verfolgen kann, wie ich die jeweiligen Tage von 2015 bis jetzt verbracht habe.

2023-12-07

Slavko Grum übersetzt von Erwin Köstler

Filed under: Textbeispiel — jancak @ 00:06
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Ein von Traduki veranstalteter Übersetzerabend im Literaturhaus, wo der 1964 in Trier geborene Erwin Köstler, der auch Medizin studierte seine zweiteilige Werkausgabe mit Slavko Grums Werken moderiert von Ana Marwan präsentierte. Petra Nagenkögel hat die Textstelen des 1901 geborenen slowenischen Autors gelesen, der in Wien Medizin studierte, da auch schon zu schreiben begonnen hat und 1926 nach Slowenien zurückging. Dort war er, drogen und alkoholabhängig als Arzt tätig, hat seine Prosatexte in denen er sich auch mit der Psychoanalyse beschäftige und als der slowenische Kafka bezeichnet wurde, in verschiedenen Feuilletons veröffentlichte und als Schriftsteller eher unbekannt geblieben ist. Er hat auch Theaterstücke geschrieben und wissenschaftliche Vorträge gehalten und ist 1949 gestorben.

Erst nach seinem Tod wurde er in Slowenien entdeckt und wie beschrieben mit Kafka verglichen, was sein Übersetzer energisch bestritt und erzählte, daß er während seines Medizinstudium wo er Ivan Cankar, übersetzte, irgendwann auf Slavko Grum gestoßen ist, wo er in einen Übersetzerseminar von einer Kollegin auf ihn aufmerksam gemacht wurde.

Inzwischen hat er Slavko Grum mehrmals übersetzt, es hätte auch eine Burgtheateraufführung eines seiner Theaterstücke, für das er auch in Slowenien einen Preis bekommen hat, geben sollen und jetzt ist die zweiteiige Werkausgabe herausgekommen.

Der erste Text den Petra Nagenkögel gelesen hat, trug den Titel „Ratten“ und hat mich sehr an Kafka herinnert, aber eigentlich wird wahrscheinlich in expressionistischer Manier eine Psychose geschildert, die mich sehr beeindruckt hat. Da hat einer Ratten im Zimmer, wird deshalb gemeidet und schließlich von ihnen angemissen.

Sehr eindrucksvoll geschrieben oder übersetzt und Erwin Köstler erwähnte im Gespräch noch eine andere Erzählung, wo einer am Dachboden lebt, weil er sich nicht auf die Straße traut und aus einer Nebenwohnung immer Geräusche oder die Gespräche zwischen einer Mutter und einer Tochter hört, aber als er endlich hinübergeht, ist drüben alles leer.

Im Gespräch betonte Erwin Köstler, daß Slavko Grum sehr ambivalent gewesen ist und in poetisch schöner Sprache immer von Widersprüchen gelebt hat.

Die zweite Geschichte hat er offenbar während seines Turnus aufgeschnappt. Da beschreibt er eine Krankenschwester, die auf der Geburtenstation immer Nachtwachen macht und sich da heimlich die Babies holt, sie badet und an ihre Brust legt

Es gab noch einen dritten Text und ich habe wieder einen mir bisher unbekannten sehr interessierten Autor kennengelernt.

Annemarie Türk war da, Astrid Nischkauer, Henrike Blum, Cornelius Hell und zu meinen Erstaunen sogar Stephan Teichgräber.

2023-12-04

Ein Stückchen aus dem Adventkalender

Filed under: Textbeispiel — jancak @ 14:43
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Gehen wir am Montag, den vierten Dezember ins Jahr 2015 zurück, wo der vierte November ein Freitag war. Denn da habe ich ja meine „Nika Weihnachtsfrau“ endlich geschrieben und das war das Jahr der großen Flüchtlingswelle ,und der Willkommenskultur, wo ich mir große Sorgen machten, daß ich mich zu wenig um die Flüchtlinge kümmerte und höchstens etwas gespendet oder darüber geschrieben habe, zum Beispiel die Geschichte der Germanistikstudentin Nika Horvath,die sich im Dezember bei einem Kaufhaus auf der Mariahilferstraße, als Weihnachtsfrau verdingt. Drei Geschichten gibt es im Blog schon aus dem Buch, jetzt öffnet sich das vierte Türchen und weitere Geschichten kann man hier auch immer wieder finden.

„Freitag 4. Dezember

Die Schlagzeilen hatten auch am Freitag nicht aufgehört, sich mit Vera Mosebachs Toilette zu beschäftigen und so schwirrte der Weihnachtsfrau immer noch der Kopf, als sie mit ihrem Sack und ihren Flyers auf der Mariahilferstraße auf und abmarschierte und versuchte, all die in ihr vorhandenen Eindrücke zu ordnen.

„Nur nichts anmerken lassen!“, dachte sie, während sie zwei älteren Damen einen Flyer in die Hand drückte.

„Und versuchen sich nicht verwirren zu lassen!“

Denn eigentlich ging Vera Mosebachs toter Klient, ganz egal, ob er einen Schlaganfall erlitten hatte oder, wie, sowohl die Polizei, als auch die Zeitungsschreiber behaupteten, von einem Leuchter, der auf Veras Klo gestanden hatte und von dem sie bisher keine Ahnung hatte, erschlagen worden war, niemanden etwas an. Die Spuren auf Kronauers Stirn wiesen deutlich darauf hin. Einen Herzstillstand hatte er aber offenbar auch erlitten. Vera schwor, den Leuchter, den die Polizei gefunden hatte, noch nie gesehen zu haben. Hatte aber hinzugefügt, den ganzen Tag nicht auf der Toilette gewesen zu sein. Vielleicht hatte ihn einer ihrer anderen Klienten mitgebracht und dort vergessen. Vera hatte mit Rücksprache des Psychotherpievereinsjuristen ihre Patientenliste bei der Polizei abgeliefert und die Zeitungsschlagzeilen beschäftigten sich immer noch mit dem toten Vergewaltiger auf dem Therapeutenklo, beziehungsweise der Tatsache, daß er von einer Lesbe therapiert worden war, die mit einer Menschenrechtsaktivistin zusammenlebte, die ein Kind von einem Mann bekam, von dem sie nichts wissen wollte. Und der, der Schauspieler Joe oder Johann Prohaska, gehörte nachweislich nicht zu Veras Klienten. Hatte also mit dem Fall nichts zu tun. Trotzdem war sein Foto am Titelbild der Gratis-U-Bahnzeitung zu finden, die sich Nika genommen hatte, bevor sie eingestiegen war. Joe Prohaska, ein zugegeben schöner Mann, der als Schauspieler offenbar trotzdem nicht sehr erfolgreich war, hatte der Zeitung ein Interview gegeben und sich bitter über den Egoismus der Frauen von heute beklagt und damit ihre Schwester Ruth gemeint, die mit einem Balken vor den Augen im Sommerkleidchen mit Vera am Strand von Brighton, wo sie mit ihr im letzten Juli zwei Wochen Urlaub machte, zu sehen war.

„Der Egoismus mancher Frauen ist sehr schrecklich und für mich völlig unverständlich!“, hatte Joe Prohaska dem Zeitungsreporter geklagt und geoutet, daß er Ruth in einen Jazzclub kennengelernt hatte. Da war sie an der Bar gesessen, hatte einen „Campari Soda“ getrunken, ihn angelächelt und nichts dagegen gehabt, daß er sie auf einen zweiten eingeladen hatte. Sie hatte ihm im Gegenteil zugeprostet und sich so intensiv mit ihm unterhalten, daß er sich in sie verliebt hatte. So hatte er sie, da er Single war und eine Partnerin suchte, eingeladen, die Nacht mit ihm zu verbringen und sie hatte keinen Einwand gehabt. Nicht aufgeschrieen oder empört gewesen und ihm auch nicht verraten, daß sie sich mehr für Frauen als für Männer interessiere. Diesen Eindruck habe er, der sich bei Frauen auskenne, in keiner Weise gehabt und nicht daran gezweifelt, daß die braunhaarige Juristin mit dem kurzen roten Röckchen, die ihn verliebt angesehen und ihm viel über ihre Arbeit erzählt hatte, an ihm interessiert gewesen war.

„Keinen Moment habe ich daran gedacht, der ich kein Waserl bin, sondern mit Frauen durchaus meine Erfahrungen machte, daß sie mir etwas vorspielt und nur meinen Samen will, damit sie Mutter werden und mit ihrer Freundin mein Kind aufziehen kann! Denn ich hätte mich, wenn ich das geahnt hätte, geweigert mitzuspielen! Bin ich doch kein Zuchtochse und es war auch durchaus eine schöne Nacht, die ich mit ihr verbracht habe! Nur war sie am nächsten Morgen verschwunden! Da habe ich mir noch nichts dabei gedacht, habe ich doch gewußt, daß sie jeden ihrer Tage am Westbahnhof verbringt, um bei der Flüchtlingsberatung ihre juristischen Kenntnisse einzubringen. Nur, daß sie mir ihre Telefonnummer nicht hinterlassen hat, hat mich ein wenig gewundert! Aber gedacht, daß sie vergessen hat und selber geforscht, um sie herauszubekommen, was im Internetzeitalter nicht schwierig war! So habe ich sie angerufen, mich für die schöne Nacht bedankt, sie wiedertreffen wollen und war vor den Kopf gestoßen, als sie durchblicken ließ, kein Interesse an mir zu haben! So leicht habe ich aber nicht aufgegeben, immer wieder angerufen und als ich von ihrer Schwangerschaft erfuhr, habe ich erst recht meine Verantwortung wahrnehmen und mich um sie und mein Kind kümmern wollen! Jetzt erfahre ich aus der Zeitung, daß sie mich betrogen hat und bin zutiefst enttäuscht!“, hatte Joe Prohaska dem Reporter Clemens Wunderlich erzählt und ihn dabei genau treuherzig, wie verzweifelt angesehen und der Reporter hatte nicht gezögert, seine Einschätzung über Frauen, wie Ruth abzugeben! Das schienen auch einige der Leser und Leserinnen der Gratiszeitung zu tun, die bei Ruth anriefen, sie beschimpften und sich bei ihren Vorgesetzten über sie beschwerten. Das war am Mittwoch geschehen und Ruth hatte das so zugesetzt, daß sie sich an ihren alten Freund Harald erinnert und ihn angerufen hatte. Der war auf der Mariahilferstraße aufgetaucht und hatte sie zum Essen eingeladen. Eigentlich verstand Nika gar nicht, was sie mit der Sache zu tun hatte? Kannte sie doch Vera nicht besonders gut und Joe Prohaska war ihr vollends unbekannt. Sie hatte Haralds Schwabeneder wahrscheinlich nichts anderes über ihre Schwester erzählen können, als er schon wußte. Trotzdem war der Umstand, daß er ihrem Traummann zum Verwechseln ähnlich sah, sehr verwirrend. Wahrscheinlich war es Einbildung und es war nur der Wuschelkopf, der sie an ihn erinnerte, trotzdem kam sie nicht umhin, sich einzugestehen, daß ihr der „Standard-Reporter“, der, wie er ihr beim „Asia-Nudeltopf“ erzählt hatte, geschieden war und derzeit allein lebte, gut gefiel. Also hatte sie ihm bereitwillig mitgeteilt, was sie über ihre Schwester wußte. Viel war das nicht gewesen und es hatte auch nichts mit dem toten Peter Kronauer auf Veras Klo zu tun. Nur, daß ihre Schwester seit einigen Jahren mit Vera zusammen lebte und sich ein Kind wünschte, das sie, wenn es die Gesetzeslage zuließ, von Vera adoptieren lassen und mit ihr gemeinsam aufziehen wollte, konnte sie ihm erzählen und das hatte Ruth schon getan.

Beziehungsweise stand in der Zeitung, daß der Vater des Kindes Joe Prohaska war.

„Das ist alles was ich Ihnen erzählen kann!“, hatte sie gesagt, als der Nudeltopf gegessen und das Cola getrunken war und hatte nicht verhehlen können, daß ihr der braune Wuschelkopf sehr gut gefiel, denn sie interessierte sich durchaus für Männer. Aber das wollte sie ihm nicht verraten, hatte es doch mit dem Toten auf Veras Klo gleichfalls nichts zu tun.

„Jetzt muß ich wieder auf die Mariahilferstrraße, um weiter meine Zuckerln zu verteilen. Mein Chef schimpft, wenn ich zu spät komme, hat er mir doch absolute Pünktlichkeit als unerläßliche Tugend aller Weihnachtsfrauen eingeprägt!“, hatte sie gescherzt, war aufgestanden und etwas zögernd ihre Geldbörse mit der Weihnachtsfraumütze aus der Hosentasche gezogen.

„Sie sind von mir eingeladen, haben wir uns doch sozusagen dienstlich oder aus Sympathie für meine Jugendfreundin miteinander unterhalten!“, hatte Harald Schwabeneder erwartungsgemäß gesagt und ihr dabei so tief in die Augen geschaut, daß sie wieder rot geworden war und verlegen. Dann hatte er abgestritten, daß die Auskünfte nicht nützlich für sie waren.

„Denn ich werde jetzt einen etwas sachlicheren Bericht schreiben und wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mich auch mit den anderen Teil beschäftigen, denn ich bin, das werden Sie vielleicht komisch finden, ein großer Freund von Kriminalromanen und habe in meinen Jugendtagen Detektiv werden wollen! Ein „Tom Turbo“ oder „Nick Knatterton“ ist mir vorgeschwebt, was mir meine energische Mutter aber ausgeredet hat! So habe ich gehorsam Publizistik studiert und beim „Standard“ angeheuert! Das Interesse ist aber geblieben! So schreibe ich Gerichtskolumnen und schlage auch vor, daß wir uns übermorgen wieder treffen! Wenn Sie nichts dagegen haben, hole ich Sie um Punkt sieben von hier ab, dann besuchen wir Vera Mosebachs Praxis und sehen uns am Tatort um! Vielleicht finden wir etwas heraus, was der Polizei und den „Heute-Österreich-Reportern“ entgangen ist! Ruth werde ich auch anrufen! Vielleicht kann sie ebenfalls kommen! Zu viert finden wir sicher mehr heraus!“

Da war sie nicht herumgekommen zuzustimmen, war sie auf Veras Praxis zugegebenermassen auch ein wenig neugierig. So hatte sie genickt und war zum Kaufhaus zurückgegangen. Fünf Minuten vor eins war sie dort gewesen, was gut war, so konnte ihr Widerling Seidler nichts anhaben, der sie prompt abgepasst und ihr ihren Abgang mit Harald Schwabeneder vorgehalten hatte. Von dem asiatischen Nudeltopf schien er zwar nichts gewußt zu haben, hatte aber wissen wollen, warum sie nicht in der Kantine gegessen hatte und sich zu Mittag prompt neben sie gesetzt, nachdem sie sich eine Portion Salat und ein Vollkornbaguette vom Buffet geholt hatte.

„Da bin ich, Frau Magister! Nachdem Sie mich so freundlich eingeladen haben!“, hatte er gesäuselt und wieder versucht ihr in den Ausschnitt zu schielen. Sie hatte ihre Weihnachtsfraujacke aber fest verschlossen, war ein wenig zur Seite gerückt und sagte sachlich, daß das ein Mißverständnis sei! Sie habe nur darauf hingewiesen, daß sie heute im Kaufhaus essen würde und ihn nicht hindern könne, sich neben sie zu setzen, da die Kantine wahrscheinlich für alle Kaufhausangestellten zugängig sei!

„Seien Sie nicht immer so streng zu mir!“, hatte Klaus Widerling gefordert und ins Leere gegriffen, als er ihren Busen begrapschen wollte. Sie hatte den Kopf geschüttelt und „Ich bin nicht streng, sondern nur korrekt und sachlich, wie es sich meinen Chef gegenüber gehört!“, geantwortet.

Dann hatte sie von ihrer Arbeit gesprochen und ihm erklärt, daß ihr die sehr gut gefiele.

„Sie sind eine exzellente Weihnachtsfrau!“, hatte er etwas verstimmt gesagt und sie ermahnt, daß er sich von ihr korrektes Arbeiten erwarten würde! Für die Kinder, die Zuckerln und die Schokoladestückchen, für die Mamis, die Flyer, während die Obdachlosen, die sich jetzt bevorzugt an den Kaufhauseingängen und vor den Schaufenstern breitmachen, nichts bekommen würden und sie eigentlich ein Skandal seien, weil sie die Kunden vom Einkaufen abhalten würden und er sich daher überlege, die Polizei zu rufen“

„Aber da sind die Gutmenschen sicher dagegen und die gehören auch zu unseren Kunden! Sie sehen, Frau Magister, es ist nicht leicht!“, hatte er geklagt und wieder nach ihren Busen geschielt. Aha, der Herr von der FPÖ hatte sie verklagt. Es war aber nichts geschehen, was er ihr vorwerfen könnte. Denn der junge Bursch, der heute wieder beim Kaufhauseingang kauerte und sie nach wie vor anstarrte, hatte ihre Zuckerln und ihre „Naps“ nicht genommen und, daß sie ihn gefragt hatte, wie es ihm ging, konnte er ihr nicht verbieten, denn das gehörte zu den Bürgerpflichteen und höchstwahrscheinlich auch zu den aufgaben eine Weihnachtsfrau! Es hatte aber ohnehin nichts geholfen. Er hatte sie nicht verstanden und, daß sie gestern Sandra angerufen, die versprochen hatte, ihre Freundin Fatma Challaki vorbeizuschicken, die Arabisch konnte, um mit ihm zu sprechen, mußte sie Klaus Seidler nicht auf die Nase binden. Also war sie aufgestanden, hatte auf die Uhr geschaut, die leere Salatschüssel genommen und freundlich zu ihm gesagt, daß sie Pause vorbei wäre und sie wieder auf die Straße müsse!

„Ja, ja, Frau Magister, Sie sind sehr korrekt!“, hatte er geantwortet und sich erkundigt, ob sie eine Lesbe, wie ihre Schwester sei? Darauf hatte sie nicht geantwortet. Weder genickt, noch den Kopf geschüttelt. Sollte er es glauben, wenn er wollte, dann ließ er sie in Ruhe und sie brauchte ihre Energien nicht in Abwehrstrategien verpuffen. Die Antwort war aber nein. Lesbisch war sie nicht und so kam sie auch nicht umhin, daß Harald Schwabeneder in ihren Kopf herumspukte, obwohl das lächerlich war oder auch nicht. Eigentlich war es schön, sich auf ein Treffen mit ihm zu freuen und so hatte sie, ganz ehrlich, sie gestand es sich nur selbst in ihrem Inneren ein, auch heute Nacht von ihm geträumt. Da war sie mit ihm , Vera Mosebach und Peter <kronauer im „Asia-Noodleshop“ gesessen und als der Mißbrauchtäter gerade erzählen wollte, wie der Leuchter auf Vera Mosebachs Klo gekommen war, hatte der Wecker gekongelt. Sie war aufgewacht zu ihrem Adventkalender gestürmt und hatte dort wirklich und wahrhaftig, einen Leuchter hinter dem Fenster mit der Zahl vier gefunden. Wenn das kein Omen war? Ein Gutes oder auch ein Schlechtes, da war sie nicht sicher? Sie hatte sich jedenfalls angezogen, ihren Kffee getrunken, die Milchberotschnitte hinuntergeschlungen, sich bei der U-Bahnstation eine Gratiszeitung aus dem diesbezüglichen Ständer genommen und überlegt, ob sie sich einen „Standard“ leisten sollte, um Harald Schwabeneders Artikel zu lesen? aus Sparsamkeitsgründen hatte sie es unterlassen und die Gratiszeitung war von den Causen Mosebach, Horvath, Kronauer voll gewesen. Interessant was die Zeitungsfritzen so aslles interessierte. Da schien die Flüchtlingsfrage in den Hintergrund zu treten. Auch der kommende Adventsamstag war unwichtig geworden. nur der Tote auf dem therapeutenklo schien zu interessieren und da war auch wieder Andrea >Herbst, Kronauers Stieftochter mit der Schlagzeile „<mißbrauchsopfer packt aus!“, auf Seite drei zu sehen. Vielleicht hatte sie den Stiefvater mit dem Leuchter erschlagen? Vielleicht war sie, während Vera ihre Dokumentationspflichten nachgekommen war, mit dem Leuchter in die Praxis geschlichen und hatte ihn, um sich an ihren Vergewaltiger zu rächen, ihm auf den Kopf geknallt! Das schien bei einem so schlanken Mädchen, Andrea Herbst wirkte fast ein wenig magersüchtig, zwar unwahrscheinlich. Daie Zeitungsfritzen konnten aber auf die Idee kommen und von Vera und Ruth ablassen. Aber nein, das wäre politisch unkorrekt und sollte sie sich nicht wünschen! Also hatte sie die Zeitung zugeschlagen, war umgestiegen, in die Garderobe gehetzt und stand jetzt einige Stunden auf der Straße. Lächelte dem verwirrten Burschen zu, verteilte ihre Zettel und wartete darauf, daß sie mit Harald Schwabeneder in Veras Praxis gehen konnte. Das schien zwar ein wenig absurd, war aber, wenn sie ehrlich war, so. Vielleicht war das Zettelverteilen so langweilig, daß sie auf diese Idee kam. Sie wußte es nicht und ehe sie darüber nachdenken konnte, hörte sie ein dünnes Stimmchen „He, Frau Weihnachtsfrau!“, rufen und spürte, daß sie am Kostüm gepackt wurde.

„Erkennst du mich noch? Ich bin die Jessica! Du warst so lieb und hast mich am Dienstag in deinen Sack greifen lassen und ich habe dir versprochen wiederzukommen! Ich habe der Mama aber zusagen müssen, das erst heute zu tun, damit ihr Chef nicht schimpft! „Nicht jeden Tag, Jessi, sei ein braves Mädchen und mach mir keine Schwierigkeiten!“, hat sie mich angefleht. Aber heute ist Freitag! Wir hatten früher aus! Da ist mir langweilig und da kann sie nichts dagegen haben, wenn ich einen Abstecher her mache und außerdem besuche ich dich, Weihnachtsfrau und hole mir ein Zuckerl! Bist du so lieb und läßt mich in deinen Sack greifen?“, fragte sie und lächelte Nika verführerisch an, die nickend „Bitte sehr!“, sagte.

„Danke!“, antwortete Jessica begeistert, zog wieder eine Hand voll „Naps“ und „Stollwercks“ heraus, steckte ein oranges „Nimm zwei Bonbon“ in den Mund und grinste über beide Ohren.

„Das muß bis morgen reichen, denn morgen ist der zweite Einkaufssamstag, da komme ich meine Weihnachtsgeschenke für die Mama und die Oma kaufen und wenn das Geld reicht, auch für den Papa! Obwohl da nicht klar ist, ob er Zeit hat, uns zu Weihnachten zu besuchen und ihn seine neue Flamme Lydia das auch läßt! Denn die hat ihm jetzt ein kleines Brüderchen geschenkt und da hat er keine Zeit für mich, sondern braucht seine Energie für den Dominik! Also spare ich das Geschenk für ihn vielleicht ein! Aber dich werde ich, wenn es recht ist, besuchen, denn die Weihnachtsfrau ist für die Kinder da und da kann der Chef der Mami nichts dagegen haben, nicht wahr?“, fragte sie zwinkernd. Nika nickte und griff neuerlich in ihrem Sack, um ein „Naps“ mit Erdbeergeschmack herauszunehmen und es einem kleinen Mädchen hinzuhalten, das die ganze Zeit schon vor ihr stand und sie ungeduldig anstarrte.“

2023-11-09

Eja Augustin auf der Buch-Wien

Filed under: Glosse,Textbeispiel — jancak @ 22:51
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„Da bin ich wieder, werde mir jetzt viereinhalb Tage lang einen literarischen Urlaub in der Welt der Bücher geben und dabei auch meinen siebzigsten Geburtstag feiern! Was gibt es besseres für das Jubiläumsjahr mit fünfzig Jahre schreiben, fünfzehn Jahre bloggen und fünfzig Jahre GAV?“, dachte Eja Augustin und atmete tief durch.

Es gibt wahrscheinlich nichts, denn sie hatte ja ein Superplus Festival Ticket und konnte sich daher in Ruhe umsehen und alles ansehen, bei der „Buch-Wien“, die es jetzt ja auch schon fünfzehn Jahre gibt. Da konnte Eja Augustin sich erinnern, daß damals vom Hauptverband sehr viel Werbung gemacht wurde, so daß sie sich etwas ähnliches wie Frankfurt oder Leipzig erwartete und dann ein paar Schritte in die eine Rchtung, ein paar in die andere machte und als sie das viermal getan hatte, enttäuscht dachte, war es das jetzt?

„Was soll ich da vier Tage?“

Dann wurde doch etwas daraus, auch die nächsten fünfzehn Jahre lang. Das heißt, nicht ganz, denn 2020 im Corona-Jahr gab es ja keine Messe. 2021 hätte sie sich zwar akkreditieren können, hätte aber 2G und höchstwahrscheinlich auch eine Maske gebraucht und einmal ist sie nach dem ersten Tag mit den Nachtzug nach Basel zur „Buch-Basel“ gefahren. Aber jetzt das Ticket in der Tasche und als Eja Augustin kurz vor halb fünf die Halle D betrat, sah sie schon eine lange Schlange vor den Eingangsschalter, denn Einlaß war erst um halb. Also anstellen, uje uje, dann war es nicht so arg. Zwei Drittel der Plätze der ORF-Bühne, wo die Eröffnung stattfand, aber reserviert und sie wußte nicht recht, ob da auch einer für sie dabei war?

Sich also wieder ein wenig isoliert und einsam fühlen, während die Autoren, denen es besser als ihr ging, die Verlagsmenschen etcetera an ihr vorbeimarschierten.

Die Eröffnungrede wurde von der schottischen Autorin E. J. Kennedy gehalten und dann ging es los mit der langen Nacht der Bücher, die diesmal nur bis neun dauerte und die Eröffnungsrede auch für alle möglich war, was ja sehr fein war.

Also zum Wein in die VIP-Lounge strömen, die sich langsam füllten. Junge Mädchen mit den „Buch-Wien-Shirts“ kontrollierten die Berechtigung. Dann gab es Wein und später auch einen Korb mit Semmeln und Brezeln und viele Küßchen, Umarmungen, Begrüßungsschreie und sie stand wieder mal daneben. Grüßte aber tapfer nach allen Seiten, denn das hatte sie sich vorgenommen und wurde von Gustav Ernst prompt darauf angesprochen, daß sie immer und überall die Erste wäre“

Diesmal schon, aber sonst nicht. Denn was nützte es, eine halbe Stunde vorher zu kommen, wenn die guten Plätze schon ausreserviert waren und nur die zwei vorletzten überblieben und was nützte es, wenn sie, weil sich ja selbst verlegend, nie auf einer Buchpreisliste stehen würde?

Sich davon aber doch nicht entmutigen lassen, nahm sie sich tapfer durch und atmete durch. Sprach Anton Thuswaldner auf seinen „Gegenkanon“ an, begrüßte die Frau M. die ihr sogar ihr Rotweinglas anbot und natürlich auch die Literaturreferentin, die ja immer sehr freundlich war und zum siebzigsten Geburtstag gratulierte und bei der „Donau Lounge“ gab es sogar einen Goodiebag, obwohl sie die heilige Gisela mit der Kaiserin Ssi verwechselt hatte. Die Hertha Müller ,zwar gewußt, aber da nicht die erste war. Dann den Büchergutschein der Tochter eingelöst um sich ein bißchen mit dem Frankfurt Gastland Slowenien zu beschäftigen und dann nach Hause fahren, weil ja die lange Nach um neun endete.

Da gab es weil drei Jahre lang Straßenbahnabstinenz auch Probleme mit der U-Bahn, die lötzlich nur bis zum Schottenring und dann wieder zurückfuhr und das jetzt vier Tage?

Vier Tage lang in die Bücherwelten eintauchen.

„Da werden Sie Bücher finden, von denen Sie gar nicht wußten, daß Sie sie gesucht haben?“, hatte die Staatssekretärin in ihrer Eröffnungsrede behauptet und am Donnerstag, Freitag, etcetera, dann weniger VIPS, nur das gewöhnliche Publikum, das sich dann die Bücher kaufen und sie lesen durfte. Aber sie würde tapfer dabei bleiben und ihren Geburtstagsurlaub genießen, auch wenn sie nur im Publikum und nicht auf den Bühnen sitzen würde. Was aber nicht ganz stimmte, weil sie den lieben Conny, als der sie am Donnerstag fragte, ob sie auch auftreten würde“Ja!“, sagen konnte.

Sie selbst zwar natürlich nicht, aber das Buch, das sie lektorieren durfte, wurde um fünf auf der „Standard-Bühne“ vorgestellt und außerdem hatte sie sich auch vorgenommen, ein ganz kleines bißchen unbotmäßig sein und ihre Bücher einfach bei den IG-Autoren oder sonstwo zur freien Entnahme aufzulegen. Denn das müßte eigentlich gehen. Dürfte nicht verboten sein und vielleicht würde sich jemand sogar darüber freuen….

2023-11-07

Schock in der U-Bahn

Filed under: Textbeispiel — jancak @ 00:10
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Und jetzt eine Kostprobe aus meinem heurigen „Nichtnanowrimo“, der „Stalkingstory“, die ich in diesem Monat korrigieren und eventuell erweitern werde und die derzeit aus 36.690 Worten, einundvierzig Szenen und über dreiundsiebzig Seiten besteht.

„Laura Hofgarten atmete tief durch, als sie die Werbeagentur verließ, bei der sie ab Montag Praktikantin sein würde.

„Geschafft, geschafft!“

Sie könnte sich freuen und erleichtert sein, dachte sie und schüttelte den Kopf. Denn das war sie nicht. War sie undankbar, daß sie sich nicht freuen konnte, daß das Leben weiterging und die Pandemie und die Schrecken der letzten Jahre vorüber waren und sie alles vergessen konnte, wie ihr ihre Schwester Barbara, die besorgte Sozialarbeiterin, immer predigte? Wenn das nur so einfach wäre, dachte Laura seufzend und schlug den Weg zur U-Bahnstation ein, um nach Hause zu fahren, wo sie Barbara von ihrem Erfolg berichten konnte. Das war es auch. Das wußte sie schon. Da hatte die Schwester recht, daß sie sich freuen und das Andere vergessen sollte. Denn jetzt war sie zu Barbara gezogen und konnte die Lockdowns vergessen, die sie mit Walter dem damaligen Lebensgefährten der Mutter, die als systemrelevante Krankenschwester in ihrer Klinik gebraucht wurde, in der Wohnung verbracht und dort mehr oder weniger verzweifelt versucht hatte, ihr Graphikdesignstudium im Distancelearning zu beenden. Das war jetzt geschehen, dachte Laura, atmete erleichtert auf und versuchte sich zu freuen. Natürlich war es schön, daß ihr das gelungen und die Lockdowns und die Pandemie vorüber waren. Sie würde am Montag mit einem Praktikum bei „Allfritz“ beginnen und die Idee Comics zu zeichnen, hatte sie auch nicht aufgegeben. Alles bestens also und in schönster Ordnung, auch wenn sie noch ein bißchen brauchte, um sich zu freuen, würde sie es versuchen und am Abend mit Barbara ein Gläschen Wein trinken. Die Mutter würde sie auch anrufen und ihr berichten, daß es mit dem Praktikum geklappt hatte und sie sich keine Sorgen machen mußte. Eigentlich machte Laura sich Sorgen, um die Mutter, an der die letzten Jahre auch nicht spurlos vorübergegangen waren. Die sie in Verdacht hatte, depressiv zu sein und die höchstwahrscheinlich öfter, als ihr gut tat, nach einem Gläschen griff. Vielleicht hatte sie all das auch noch nicht verkraftet, obwohl es gut war, daß sie sich von Walter getrennt hatte. Für sie war es gut. Für die Mutter vielleicht weniger, dachte Laura, als sie die U-Bahnstation erreicht hatte und die Stufen zum Bahnsteig hinunterging. Obwohl es ihr egal sein könnte, wie Barbara immer predigte. Natürlich war es so. Da hatte die Schwester schon recht. Die Pandemie war vorbei und als die Lockdowns vorüber waren und sie wieder normal die Wohnung verlassen konnte, hatte sie ihre Koffer gepackt und war zu der Schwester gezogen.

„Das wird dir gut tun!“, hatte die behauptet und nur die Mutter hatte traurig geschaut, wie sie sich erinnern konnte, obwohl sie nichts dagegen gesagt hatte. So war sie ausgezogen und hatte die Mutter mit Walter zurückgelassen, den diese, wie sie ihr vor vier Wochen mitgeteilt hatte, hinausgeschmissen hatte.

„Ich habe mich von Walter getrennt, Laura! Jetzt kannst du mich wieder besuchen kommen!“

Laura hatte es ihr versprochen und nur die vernünftige Barbara hatte sich eingemischt und „Du mußt nicht, Laura! Nur wenn du es willst!“, gesagt. Und das wußte sie ganz ehrlich nicht, obwohl sie es der Mutter versprochen hatte. Inzwischen war der U-Bahnzug eingefahren. Laura hatte sich hineingedrängt, einen Platz gefunden und dachte erleichtert, daß man nun auch in Wien schon seit einem halben Jahr keine Maske mehr in den Öffis tragen mußte, obwohl für den nahenden Herbst wieder gefordert wurde, um sich und die vulnerablen Gruppen zu schützen, eine solche freiwillig zu tragen. Laura wusste auch hier nicht recht, ob sie das wollte oder nicht? Das heißt, sie wollte es natürlich nicht. Hatte auch keine solche aufgesetzt. Andererseits konnte sie nicht verhehlen, daß sie etwas ängstlich war und nicht krank werden wollte. Aber jetzt war keine Gefahr, denn der Zug war nicht so voll, so daß der Babyelefantenabstand gewahrt werden konnte, obwohl der auch nicht mehr vorgeschrieben war. Laura atmete noch einmal auf und sah in das maskenlosen Gesicht des jungen Mannes, der ihr gegenüber saß. Ein attraktiver junger Mann mit einem braunen Wuschelkopf und einer runden Brille, der sie anzustarren schien, so daß sie, als gebranntes Kind den Kopf, erschrocken den Kopf schüttelte und abwehrend dreinschaute. Sie wollte ihre Ruhe haben, sich über ihren Erfolg freuen, nicht angequatscht und dadurch an Walter erinnert werden, dachte sie und versuchte noch abwehrender zu schauen, als sie hörte, daß er jetzt etwas herausstotterte, daß wie „Haben Sie etwas Zeit? Wollen Sie ein Cola oder einen Kaffee mit mir trinken?“, klang. Das heißt, soviel hatte er, der etwas schüchtern schien, gar nicht herausgebracht. Denn da hatte sie wieder Walters Grinsen und seine grapschende Hand vor ihrem Gesicht gesehen, mit der er ihr über ihren Schenkel gefahren war und sie an sich gedrückt hatte, so daß sie gar nichts weiter hören, sondern schleunigst aussteigen sollte, um nicht den U-Bahnzug vollzukotzen und dann vielleicht Strafe zahlen mußte, obwohl sie nichts dafür konnte, daß Walter grapschende Hand und sein schleimiges Gesicht nicht aus dem Kopf zu bekommen war und sie das Geschehene nicht vergessen konnte.

„Stop, halt!“, verzweifelt denken. Dann war sie schon aufgesprungen und aus dem Zug gestürzt, der gerade in die Station eingefahren war. Nicht auf den Perron kotzen und Strafe für etwas zahlen, für das sie nichts konnte. Das nicht ihre Schuld war, wie ihr Barbara ständig predigte, dachte Laura, die die Toilette gerade noch rechtzeitig erreicht hatte.

„Alles gut, Laura!“, murmelte sie mit hochroten Kopf vor sich hin, hielt den dann über das Waschbecken, um sich den <mund mit kalten Wasser auszuspülen.

„Alles gut, Laura! Du kannst dich beruhigen! Es ist nichts geschehen und es ist auch nichts dabei, wenn dich ein schüchtener junger Mann ansprechen will!“

Barbara würde das sogar gefallen, die ihr immer einredete, daß sie sich nicht so einigeln, sondern ihr Leben genießen sollte, da die Pandemie vorbei, Walter Krieger und sie ausgezogen und eigentlich nichts geschehen war.

„Gar nichts war geschehen!“, dachte sie, als sie vorsichtig die Toilettentür öffnete, um nachzusehen, ob ihr der Wuschelkopf vielleicht nachgeschlichen war, um dann sogar ein wenig enttäuscht zu sein, daß er nicht zu sehen war und höchstwahrscheinlich über die flüchetende Laura den Kopf schüttelnd, weitergefahren war, während sie auf den nächsten Zug warten musste.

„Stell dich nicht so an, Laura!“, schimpfte sie mit sich.

„Es ist nichts passiert und das Leben ist schön! Du kannst nach Hause fahren und mit Barbara ein Gläschen Wein trinken“ Ihr erzählen, daß es mit dem Praktikum geklappt hatte und sie am Montag in der Agentur anfangen konnte!“

Der Mutter würde sie das Gleiche erzählen. Konnte es aber nicht. Zumindestens nicht gleich. Denn jetzt meldete sich ihr Handy. Es war ihre Freundin Sandra, die wissen wollte, wie es mit dem Praktikum stand?

„Hast du Zeit, Laura? Können wir uns im „Phil“ auf einen Cafe latte treffen? Ich habe dir etwas zu erzählen, denn ich habe, da wir jetzt beide mit unseren Studium fertig sind, einen tollen Plan!“

2023-10-20

In den Fußspuren der Bachmann

Filed under: Textbeispiel — jancak @ 15:30
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Eja Augustin rauchte der Kopf, als sie das Kino verließ, in dem pünktlich zu ihrem fünfzigsten Todestag ein Film über Ingeborg Bachmann gezeigt wurde, die ja am siebzehnten Oktober 1973 an den Verbrennungen oder den Folgen einer Medikamentenabhängigkeit, wie man heute weiß, in einem Spital in Rom gestorben war.

Damals war sie fast zwanzig gewesen, hatte im ersten Semester studiert und auch ihre erste Erzählung verfasst gehabt, denn sie hatte im Mai des Jahres die sogenannte Knödelakademie in der Straßergasse sehr euphorisch mit dem Wunsch Psychologie zu studieren und zu schreiben, verlassen und beides auch getan.

In den Spuren der Bachmann, dachte Eja Augustin und schüttelte den Kopf, konnte sie sich doch vorstellen, daß ihre Kritiker in den weltweiten Netzen, aber auch die, die sie auf literarischen Veranstaltungen traf, jetzt aufschrieen und „Überschätz dich doch nicht so, die Bachmann hat den „Büchner-Preis“ bekommen bei der Gruppe 47 gewonnen und wäre vielleicht, wenn sie länger gelebt hätte „Nobelpreisträgerin“ geworden!“

Außerdem hatte sie im Oktober 1973, als sie noch bei ihren Eltern und ihrer Schwester in der Wattgasse gewohnt hatte, nicht viel von der Bachmann gekannt, die in ihrem Deutschunterricht bei der Frau Prof Friedl keine große Rolle gespielt hatte. Oder doch natürlich, den Haneke Film „3 Wege zum See“ hatte sie sicher noch in den Siebzigerjahren im elterlichen Wohnzimmer im Schwarzweißfernseher gesehen und sich viele Jahre später, als den „Radetzkymarsch“ , ein Fundstück aus dem elterlichen Bücherkasten gelesen hatte, über den Namen „Trotta“ gewundert, der in beiden Texten eine Rolle spielte. Die Todesnachricht hatte sie höchstwahrscheinlich auch gehört und damals im Sommer 1973, als die Grazer Autorenversammlung gegründet wurde, auch viel gelesen.

Von Michael Scharangs „Charly Traktor“ und Andreas Okopenko „Lexikonroman“ hatte sie im Radio gehört und sich in den Buchhandlungen „Der Mann ohne Eigenschaften“ und eine Rilke-Gesamtausgabe besorgt und eifrig gelesen. Die Bachmann erst ein paar Jahre später, als sie sich von ihren Eltern die vierbändige Gesamtausgabe schenken hatte lassen. Den „Fall Franza“ im Türkenschanzpark zwischen ihren Psychologieskripten gelesen und selbst geschrieben oder es zumindestens versucht, weil das ja in Zeiten, wo es noch keine Schreibschulen gab und man das Schreiben höchstens in Leipzig studieren hätte können, nicht so einfach war.

Die erste Erzählung, im Sommer 1973 geschrieben und nicht richtig korrigiert, war unveröffentlicht geblieben. Spätere Schreibversuche scheiterten. erst 1977 war ihr wieder eine Erzählung „Die Einladung zun Tee“ gelungen, die von zwei Freunden, denen sie sie zeigte, als schlecht bezeichnet wurden.

Später war sie Mitglied im „Arbeitskreis schreibender Frauen“ geworden und dadurch in Kontakt zu Schriftstellerinnen, wie Marie Therese Kerschbaumer, Elfriede Haslehner, Christa Stippinger, etcetera gekommen.

In die Spuren der Bachmann natürlich nicht, dachte sie also, als sie fünfzig Jahre später kurz vor ihrem siebzigsten Geburtstag vom Kino nach Hause ging. Denn so berühmt, wie die Bachmann war sie selbstverständlich nicht geworden, war es ihrdoch nicht einmal gelungen einen richtigen Verlag zu finden. Nur einmal hatte Jack Unterweger, der umstrittene Autor und Kleinverleger ihre „Hierarchien“ herausgebracht, bevor er aus der Strafanstalt Stein auf Initative der kritischen Autorenschaft entlassen wurde und sich Jahre später, als er nach weiteren Frauenmorden verurteilt wurde, in einer anderen Haftanstalt erhängte, das ebenfalls stark kritisiert wurde.

Dann hatte es nur zwei Sach- und Ratgeberbücher gegeben, die sie in ihrer Rolle als Psychologin, denn das Studium hatte sie problemlos geschafft, über das „“Stottern“ in großen Verlagen gegeben, während sie nun schon seit über zwanzig Jahre ihre Bücher selber, ohne ISBN-Nummer drucken ließ und es dadurch erst recht nicht in den Literaturbetrieb hineinschaffte, obwohl sie seit 1987 Mitglied bei den „Grazer Autoren-Autorinnen“, wie das jetzt heißt,war.

Über sechzig selbstgemachte Bücher reihen sich in ihren Regalen, die sich alle sehr gesellschaftspolitisch und realistisch waren, sich mit dem Älterwerden, dem Tod und dem Sterben aber auch mit den Schreiben beschäftigten und in den letzten Jahren hatte sie das Thema Corona sehr beschäftigt, mit dem sie, weil sie das sehr kritisch betrachtete, wahrscheinlich noch einen Stückchen weiter an den Rand gerückt war.

Links oder rechts war hier die Frage und eigentlich betrachtete sie sich schon länger als eine Borderlinegängerin, allerdings im nicht kinischen Sinn, sondern eine, die immer, wenn sie sich zu nahe an der Mitte befand, erschreckt einen Schritt zur Seite machte und jetzt den Spuren der Bachmann folgen?

Ja, natürlich, obwohl, wie festgestellt lange nicht so berühmt oder eigentlich das gar nicht. Da keine wirklichen ernstzunehmenden Preise und nicht einmal ein Stipendium bekommen, obwohl sie sich seit Jahren in einigen literarischen Juries befand und zu dem berühmten „Bachmannpreis-Lesen“ war sie, obwohl sie das ganz gern wäre, nicht eingeladen worden.

Trotzdem schrieb sie tapfer weiter und hatte angesichts der fünfzig Jahre, die sie nun schon länger, als die Bachmann lebte, höchstwahrscheinlich mehr als sie geschrieben und weil sie nicht so berühmt geworden war, waren ihr vielleicht auch ihre Krisen erspart geblieben.

Denn ihr Leben war sicher nicht so turbulent. Zwar trank sie ganz gern ein Gläschen Wein, rauchte aber nicht und hatte auch nie Drogen und Beruhigungsmittel konsumiert. Deshalb war ihr ihr tragischer Tod erspart geblieben, litt zwar unter ihrer Erfolglosigkeit war aber nie unter einen solchen Druck gestanden, der die Bachmann, wie sie psychologisieren würde, überfordert hatte, so daß sie zu Alkohol, Medikamente und Zigaretten gegriffen hatte.

Kein schöner Tod und wahrscheinlich trotz ihrer Berühmtheit sicher auch kein sehr schönes Leben, würde sie vermuten und trotzdem weitermachen. Weiterschreiben, ob in- oder außerhalb der Bachmannschen Fußspuren war eigentlich egal. Denn höchstwahrscheinlich schrieb sie ganz anders, war sie ja keine Lyrikerin, sondern eine sehr bemühte, unentwegt schreibende Frau, die ihr Leben der Literatur gewidmet hatte, aber auf der anderen Seite stand.

Auf der des Publikums, der Literaturveranstaltungsbesucherin, der Buchpreis-Leserin und daher auch andere Erfahrungen als die Bachmann hatte, den Literaturbetrieb von der anderen Seite sah, daher höchstwahrscheinlich auch gesünder lebte, obwohl die ständige Erfolglosigkeit auch depressiv machen konnte, dachte Eja Augustin, hatte ihre Wohnung erreicht, die Jacke abgelegt und war zu ihrem Bücherregal gegangen, um sich die Gesamtausgabe herauszuholen und darin zu blättern .

2023-09-10

Eja Augustin lässt sich coachen

Es knarrte ein bißchen als sich Eja Augustin, auf den braunen Stuhl des sogeannten Pfarrcafes setzte, und Fritzi Jelinek erwartungsvoll anblickte.

Was erwartete sie sich eigentlich von der Schreibtrainerin, die sie vor kurzem bei einer Veranstaltung kennengelernt hatte?

Sie wußte es, um korrekt und genau zu sein, gar nicht. Die andere, eine etwa Dreißigjährige mit einem dunklen Pagenkopf, die schwarze Leggins, ein schwarzes T-Shirt und eine grüne Leinenjacke darüber gezogen trug, hatte ihr erzählt, daß sie eine Schreibtrainerausbildung absolviert hatte und angehende Autoren und ihre Werken coachen würde und da hatte sie für sich vollig überraschend gesagt „Das können auch bei mir tun!“

Die Frage sofort zurücknehmen und mit „Unsinn! War nur ein Scherz!“, kommentierten wollen.

Die andere hatte aber erfreut geschaut.

„Sehr gern!“, gesagt und ihr das Pfarrcafe vorgeschlagen, in dem sie einmal in der Woche eine Schreibgruppe abhalten würde.

„Wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch dorthin!“, gesagt. Und für Eja wieder völlig überraschend, hatte sie das, obwohl sie das ja eigentlich gar nicht wollte, getan. Eineinhalb Stunden zwischen einer handvoll älterer Damen gesessen, die die neue österreichische Buchpreisliste durchgekaut und als „Wenig überraschend!“, bezeichnet hatten.

„Dann treffen wir uns am besten nachher im Cafe und Sie sagen mir, wo der Schuh drückt!“, hatte die Schreibtrainerin zu ihr gesagt, nachdem sie sie begrüßt und ihr versichert hatte, wie sehr sie sie freue, Eja in ihrer Schreibgruppe zu sehen.

„Vielleicht haben Sie Lust regelmäßig teilzunehmen!“, gehofft. Eja hatte den Kopf geschüttelt und tat das jetzt noch einmal. Denn eigentlich hatte sie keine Ahnung, was sie von der mindestens dreißig Jahre jüngeren junge Frau wollte. Was wollte sie bei ihr coachen? Oder ja, doch natürlich und selbstverständlich. Wurden ihre Texte doch immer kürzer. Die letzten Romane, die sie geschrieben hatte, waren nicht länger als zwanzig bis fünfundzwanzigtausend Worte geworden und wenn sie im November wieder am „Nanowrimo“ am nationalen writing month, der von Amerika auch nach Österreich hinübergeschgewappt war, teilnehmen wollte, mußte sie fünfzigtausend Worte zusammenbringen. Das hatte sie in den letzten Jahren schon mehrmals getan und die erforderte Wortzahl, für die man sich dann eine Winner-Urkunde und einen Tusch abholen konnte, auch zusammengebracht. Gut, da hatte sie auch öfter zusammengestückelt und jetzt war sie nicht ganz sicher, da ihre Texte immer kürzer wurden und sie, die erfolglose Autorin, die sehr darunter litt, daß es ihr nicht und nicht gelang in den Literaturbetrieb hineinzukommen, ein wenig den Verdacht hatte, vielleicht schon ausgeschrieben zu sein.

„Wo drückt der Schuh? Wo kann ich Ihnen helfen!“, fragte sie schwarzhaarige und schwarzgekleidete Trainerin, nachdem sie ihren Kaffee ausgetrunken hatten, auch jetzt und Eja Augustin schüttelte wieder nachdenklich den Kopf.

„Damit länger und erfolgreicher zu werden! Endlich einmal aufzufallen und positives Feedback zu bekommen!“, war natürlich die Antwort.

Aber ob ihr da die junge Frau, die eigentlich auch nur ein Phantasieprodukt und in ihren Texten zu finden war, ihr helfen konnte, war die Frage? Wahrscheinlich würde sie, wenn sie die Taktik der konstuktiven Kritik, die ihr früher sehr gefehlt hatte, beherrschte, sie loben und ihr dann auch raten, sich Zeit zu lassen, auf ihre Schwächen, die natürlich vorhanden waren, zu schauen und sich nicht unter Druck zu setzen.

„In der Kürze liegt die Würze!“, würde sie vielleicht ein bekanntes Sprichwort zitieren und dann hinzufügen, daß man in der Kürze auch die Dichte sehen könne

„Vielleicht sind Sie einfach dichter und lyrischer geworden!“

Und das wurde auch von den Literaturprofis gefordert und ihr dann zu ihrer Beharrlichkeit gratulieren und ihr empfehlen sich nicht irriteren zu lassen, sondern einfach weiterschreiben.

2023-08-30

Turbulenzen beim Frühstück

Filed under: Reisebericht,Textbeispiel — jancak @ 11:27
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Wir sind ja vier Tage lang von Saint Denis d`Oleron nach Harland zurückgefahren, weil der Alfred zu lange Strecken vermeiden wollte, so daß wir am letzten Mittwoch schon am frühen Nachmittag in Annency angekommen sind und da unser Zelt auf einen kleinen Campingplatzt dich am See aufstellten. Ein sehr kleiner, der siebzehn Euro für Zelt und zwei Personen angeschrieben hatte, Dusche einen Euro extra und dann standen zwanzig bis dreißig Campingwägen auf einer kleinen Wiese, wo sich auch ein Häuschen befand. Daneben befanden sich die Klos und die Waschbecken und bei dem Häuschen standen die die Preise für den Kaffee und das Bier angeschrieben und auch, daß man einen Tagesteller haben konnte.

Also hat der Alfred Kaffee für den nächsten Morgen um acht bestellt. Die Kipferl müßten wir uns dazu mitnehmen, was wir auch getan haben, weil wir anschließend die Seepromenade in die Stadt hineinspaziert sind. Dort habe ich eine Crepe mit Schokolade gegessen, lange vor dem Klo gewartet und bei der Rückkehr haben wir noch in einem Restaurant am See Halt gemacht, wo die gedeckten Tische zwar ziemlich leer waren, sich die Leute ihre Drinks und Schinkenteller auf die Stehtische holten und an den Waschbecken am Camp war ein Zettel angeschlagen, daß man Frühstück um acht Euro haben konnte.

„Ist schon gedeckt!“, erklärte mir der Alfred am nächsten Morgen, während er das Zelt abbaute und als wir zu den Tischen vor dem Häuschen gingen, sahen wir auf dem grünen Tisch in der Mitte war schon das Frühstück für zwei Personen gedeckt. Brotstücke, Käse, Marmelade, zwei Stück Kuchen, Tassen, aber kein Kaffee.

„Uje, uje!“, denn wir hatten schon die Kipferln, die wir verzehrten, während wir auf den Kaffee warteten, denn der alte Mann, der dem Alfred vorher zugewinkt hatte, war verschwunden. Auf den Balkon erschien dann eine Frau mit einem Hund, aber die schien nicht zu den Campbetreiber zu gehören. So packten wir unser Zeug zur Gänze zusammen und als ich wegfahren wollte, sagte der Alfred „Probieren wir es noch einmal!“

Jetzt war ein Mann vor dem Häuschen, dem ich sehr energisch erklärte, daß wir „Seulment cafe!“ und kein Frühstück wollte.

Der räumte stoisch das Frühstück wieder ab, stellte die Tassen auf den Nebentisch, auf den wir inzwischen Platz genommen hatten, das Milchkännchen holte ich mir selber, schenkte die Kuchenstückchen einem jungen Mann, der inzwischen aufgetaucht war und als dann noch einer mit einem Hund auftauchte, unterhielt er sich mit ihm, nahm ihm den Hund ab und räumte von diesen begleitet, die Frühstücksachen samt neuen Kuchenstückchen wieder auf den Tisch, an dem dann der Mann, die Frau vom Balkon und der auch der Hund Platz nahmen und wir haben den Kaffee ohne Croissants ausgetrunken und sind dann in Richtung Schweiz gefahren. Später nach Bregenz wo wir auf einen schönen Campingplatz übernachteten, auf dem wir schon einmal waren, später den Bücherschrank am See plünderten und dort auch einen Aperitiv und ein Bier nahmen.

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