Andreas Steiner, war wie meist nicht ausgeschlafen, als er kurz nach neun, die Wartezone des Hauptbahnhofs erreichte und sich suchend umblickte, um festzustellen, wie das mit den Securities war.
„Ob die Bekannten mit denen er sich regelmäßig in der Wartezone traf, da die Notschlafstellen, die er regelmäßig benützte, um neun ihre Pforten schlossen und sie erst am Abend wieder eröffnenten schon anwesend waren, um den Tag dort zu verbringen oder totzuschlagen?“, fragte er sich und schüttelte verärgert den Kopf.
Ärgerlich das war es. Er war verärgert und unzufrieden mit sich, hatte er in seinem zweiundvierzigjährigen Leben doch nicht mehr geschafft, als an der Flasche zu hängen, die Nächte in einer Notschlafstelle zu verbringen und die Tage meistens am Hauptbahnhof, wenn er dort von der Security nicht wegeschaucht wurde.
Das stimmte nicht so ganz. Denn eigentlich hatte sein Leben recht erwartungsvoll begonnen. War er doch ein guter Schüler gewesen, der das Gymnasium mit links geschafft hatte. Danach hatte er Soziologie und nicht Medizin, Jus oder an der Wirtschaftsuni, wie die Aufsteiger studiert, denn er war ein gesellschaftspolitisch engagierter Mensch, der die Welt verändert wollte, was ihm aber, weil ihm früh ein Kind passiert war, nicht gelungen war. Denn die Frau mit der einige Zeit zusammengelebt hatte, war sehr anspruchsvoll gewesen und hatte für sich und das das Kind hohe Forderungen gestellt, die er mit den befristeten Anstellungsverhältnissen, die als Sohziloge zu bekommen waren, nicht schaffen konnte. So hatte er, bis die Frau ihm hinausgeschmissen hatte, seine Abend öfter mit Kollegen und Freunden in Beiseln verbracht, bis er zum Alkoholiker geworden war und Ingrids und des Jugendamts Unterhaltsforderungen erst recht nicht erfüllen konnte.
Corona hatte ihm dann den Rest gegeben. Da hatte er seine Wohnung verloren. Von Jobs war schon lange keine Rede mehr und so verbrachte er seine Tage regelmäßig in den Wartezonnen am Hauptbahnhof, unterhielt sich mit anderen Sandlern über die Beschissenheit des Lebens und versuchte sich von den Securities, die ihn wegscheuchen wollte, nicht erwischen zu lassen.
„Hallo, Andi! Auch wieder da, hörte er die Stimme des übergewichtigen Robert, der sich schom um halb zehn an seine Bierflasche klammerte und ihm zuwinkte.
Da ging es ihm etwas besser, denn es gelang ihm meistens sich noch ein paar Stunden zurückhzuhalten und in den Notschlafstellen galt ohnehin striktes Alkoholverbot.
„Auch wieder da? Der Erwin kommt auch und der Memet und mit ihm wollen wir vielleicht, damit sich die Securities, die sich immer aufregen und uns nach unseren Tickets fragen, nach Bratislava fahren! Kommst du mit? Machen wir eine kleine Spritztour? Da ist das Bier billiger und die Odnungshüter lassen uns auch in Ruhe?“, fragte der dicke Robert ihn und er schüttelte unentschlossen den <kopf.
„Weiß noch nicht! Keine Ahnung!“, antwortete er zögernd und war fast froh, daß er den schon erwähnten Erwin auftauchen sah, der ebenfalls eine Bierdose in der Hand hielt und sie mit „Hallo, Freunde!“, begrüßte.
„So sieht man sich wieder! Das ist eine Idee! Verbringen wir den heutigen Sonntag in Bratislava und saufen uns ein wenig an! Denn heute ist ein Feiertag, denn ihr habt gestern sicherlich den Parteitag der SPÖ verfolgt, wo sie ihren neuen Vorsitzenden wählten! Was meinst du dazu, Andi? Du bist doch ein Studierter, ein Obersoziologe und kennst dich da sicher aus! Was sagst du zu der SPÖ, die einen neuen Vorsitzenden wählten und dabei eine Frau verscheuchten, weil sie die nächste blau-schwarze Regierung verhindern wollen!“, fragte er ihn und Andreas Steiner schüttelte erneut den Kopf.
„Doch!“, korrigierte er sich dann.
„Den Parteitag habe ich im Fernsehen verfolgt, natürlich, klar und bei der Mitgliederversammlung habe ich auch gewählt, bin ich doch ein Parteimitglied! Bin immer noch, ein aufrechter Sozialist, der immer noch an das Gute glaubt, auch wenn mir, wie auch euch, sehr viel schief gelaufen ist, deshalb bin ich auch verärgert und glaube nicht, daß das billige Bier in Bratislava meinen Frust vertreiben kann! Deshalb bleibe ich, auch lieber hier und lasse euch allein verreisen!“
„Was hast du Andi?“, mischte sich der dicke Robert jetzt wieder ein.
„Warum bist du verärgert? Weil der Doskozil, der scharfe Polizist und nicht der linke Babler gewonnen hat? Mich hat das gefreut, denn einen Linken will ich nicht als Parteivorsitzenden, obwohl ich ohnehin nicht mehr wählen geh! Aber jetzt habe ich jetzt vergessen, du bist ein Studierter und daher ein Marxist und daher enttäuscht, daß der Rechte und nicht der Linke gewonnen hat!“
„Aber der wird die nächste schwarz-blaue Regierung verhindern, hat er geschworen, wenn er Bunderskanhzler wird!“, mischte sich jetzt wieder Erwin ein, der sein Bier ausgetrunken und die Dose in den Mistkübel geschmissen hatte.
Aber lassen wir das Politisieren und vertschüßen und zum Fahrscheinautomat! Sehe ich doch die Security anmarschieren, die sicher unsere Fahrkarten sehen will! Die wollen wir nicht enttäuschen! Wir können sie aber, wenn euch das freut, ihrer Meinung zum Parteitag und dem neuen Vorsitzenden fragen! Das wird ein Spaß ihre Meinung zu hören und wenn ihnen dazu noch ein gewesener Sohziologe seine erklärt, wird das besonders lustig!“, sagte er Andreas Steiner herausfordernd ansehend, der wieder den Kopf schüttelte und sitzen blieb, während sich der dicke Robert und der glatzköpfige Erwin zu den Fahrscheinautomaten entfernten, denn es hatte ihn wirklich sehr verärgert, daß sich wieder der konservative Kanditat und nicht der, der versprochen hatte, sich für alle einzusetzen und dafür zu sorgen, daß alle armen Kinder, ihr tägliches Mittagessen bekamen, die Wahl gewonnen hatten, was vielleicht für ihn und das Kind, um das er sich, obwohl er ihm nicht viel helfen konnte, gut gewesen wäre, obwohl es anders rum besser gewesen wäre, aber vielleicht kann sich das noch ändern….
So das ist ein Text, den ich Sonntagabend aus Impressionen die ich am Beginn unserer Main-Radreise am Hauptbahnhof und den Ergebnissen der SPÖ-Vorsitzenden-Wahl am 3. Juni zusammengestellt habe. Dann ist am Montag den fünften überraschend ein Fehler der Auszählung bekanntgegeben worden, so daß es inzwischen einen anderen Vorsitzenden gibt, worüber ich vielleicht bei Gelegenheit einen satirischen Text schreiben kann.