Literaturgefluester

2009-12-02

Ohrenschmaus 09

Filed under: Uncategorized — jancak @ 01:17

Jetzt mein Bericht über den dritten Ohrenschmaus Literaturpreis für Menschen mit Lern und Intellektuellen Behinderungen, der am 1. Dezember im Museumsquartier vergeben wurde.
Es gab drei Preisträger-Preisträgerinnen in den Kategorien Prosa, Lyrik und Lebensbericht, eine Ehrenliste mit positiv aufgefallenen Texten und einen Sonderpreis für eine visuelle Textcollage, es gab Trommelwirbel, eine Jongleurgruppe, einen Sänger, Josefine Bitschnau, die einundachtzigjährige Lebensberichtpreisträgerin spielte ein Ständchen auf der Harfe, Frau Minister Schmied verlas das Preisträgergedicht, Barbara Rett las die Laudatio für den Lyrikpreisträger, Heinz Janisch, die für Josefine Bitschnaus Text, ich die der Prosapreisträgerin Sarah Lutschaunig, Kurt Palm das vierte Jurymitglied, stellte den visuellen Sonderpreis vor, Johannes Kaup moderierte gekonnt das Programm und Frank Hoffmann und Chris Pichler stellten zu Beginn Texte der sogenannten Ehrenliste vor.
Es war sehr schön und stimmig, auch wenn man bei denen, die die Preise übergaben, manchmal ein bißchen das Bemühen spürte, haben sich wahrscheinlich alle trotzdem sehr gefreut.
Das Siegergedicht des 1940 in Landsberg an der Warthe geborenenen Dieter Gebauer gibt es wieder als Zotter Schokolade, sehr fein und zu empfehlen in Buchform und als Doppelpack in der Geschmacksrichtung Kirschschokolade mit Mandelkrokant und Cashewnougat mit Wiesenblüten und ich stelle das Gedicht hiermit vor:
Dieter Gebauer
Meine Laune
Meine Laune ist groß wie ein Fass.
Meine Laune schmeckt wie Dreck.
Meine Laune riecht wie Schuhwichse.
Trotzdem bin ich immer gut gelaunt.
Meine Laune hört sich an wie ein Kuckucksschrei.
Meine Laune fühlt sich an wie so eine alte Hose.
Meine Laune sieht aus wie ne alte Hose.
Meine Laune und ich sind unzertrennlich.
Wenn ich mit meiner schlechten Laune in den Urlaub fahre, hat sie auch Urlaub.
Dann hab ich keine schlechte Laune.
Und jetzt noch die Laudatio zu dem Siegertext von Sarah Lutschaunig: „Nachrichten im Fernsehen“
Wenn man sich vor das Fernsehkastel setzt, kann man was erleben, wie alle wissen, die das manchmal tun.
Frau Christl Gänspichler hat sich an einem Kirschkern totgeschluckt, Frau Sauschädel statt Wasser das Geschirrspülmittel erwischt und die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen einer Mutter und einer Tochter haben leider auch zum Tod geführt, so daß man anschließend gleich den Begräbniszeitpunkt erfahren kann. 1. 1. 2012, 21.30 Zentralfriedhof.
Herrlich satirisch der Siegertext von Sarah Lutschaunig, der uns so richtig vor Augen und Ohren führt, mit welchen Terrormeldungen wir überschüttet werden, wenn wir uns abends beispielsweise zum „Zeit in Bild“ vor den Fernsehschirm setzen.
Die 1984 geborene Sarah Lutschaunig, die seit 2002 in der künstlerischen Werkstatt Flip Flap von Jugend am Werk tätig ist, führt uns aber auch die kleinen Katastrophen des sogenannten Alltagslebens vor, das Geschirrspülmittel, die schlechten Noten oder den Briefträger, der die Briefe, weil er unter Schmerzen leidet, wegschmeißt, statt sie auszutragen, wer hat sich solches, wenn man von den derzeitigen Postliberalisierungen hört und den Briefkasten schon wieder einmal leer vorfindet, nicht auch schon gedacht?
Äußerst knapp, pointiert, mit treffenden Wortspitzen, sprachlich hervorragend sind diese Kurzgeschichten unserer kleinen Alltagsnöte ausgedrückt.
Medien- Gesellschaftskritik und experimentelle Literatur in einem, deshalb gratuliere ich als Nichtfernseherin und realistische Autorin besonders gern.
Wer neugierig auf den Text ist, es gibt ihn als CD zu kaufen.
„Best of Literaturpreis Ohrenschmaus 07-09“, gefördert vom bmuk als ORF Radio Ö1 CD.
Da sind auch die anderen Texte z. B. „Der böse Gerhard“ von Renate Gradwohl, die 2007 den Lyrikpreis gewonnen hat, Josefine Bitschnaus „Auszüge aus ihrer Kindheit und Jugendzeit“ enthalten, sowie ein Text von Anton Blitzstein, der ja nach den neuen Teilnahmebedingungen leider nicht beurteilt werden konnte und ein Buch vom Sprungbett Lädle „Sonnenschein und jeden Tag ein Glas Spezi“ Bilder, Gedanken und Geschichten von Menschen mit und ohne Behinderung, laut Otto Lambauer, der die Rede für die Caritas halten mußte und mit dem ich nachher noch zwei Gläser Wein getrunken habe, die Kaderschmiede für den Ohrenschmaus, gibt es auch.
Da sind unter anderem die Texte von Herbert Offenhuber, der auch schon gewonnen hat und heuer wieder auf der sogenannten Ehrenliste steht, enthalten. Sehr zu empfehlen und interessant zu wissen, was Menschen mit Lern- und intellektuellen Behinderungen so alles schreiben.
Fotos von der Preisverleihung gibt es unter www.ohrenschmaus.net zu sehen.

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