Literaturgefluester

2012-05-24

Der Junge und das Meer

Filed under: Uncategorized — jancak @ 10:17

Von Tschingis Aitmatow, den kirgisischen Dichter, 1928 dort geboren, 2008 in Nürnberg verstorben, der am Maxim Gorki Literaturinstitut in Moskau studierte und auch Berater von Michail Gorbatschows war, findet man viel in den offenen Bücherschränken.
„Der Junge und das Meer“, habe ich, glaube ich, zeitgleich mit der Iris Hanika gefunden oder war das „Der weiße Dampfer“, der als nächstes auf meiner Leseliste steht? Als ich mich mit der Anna vor ein paar Monaten zum Essen traf, habe ich ein altes DDR- Bändchen mit zwei Aitmatow Geschichten „Scheckiger Hund, der am Meer entlangläuft“ und „Frühe Kraniche“ gefunden und dann noch einmal „Dshamilja“, die Liebesgeschichte, die wie ich jetzt weiß, Loius Aragon „für die schönste der Welt hält“ und als ich am Montag in die Alte Schmiede ging, lag in der Abverkaufskiste, des nun mehr einzigen Buchgeschäftes, an dem ich vorüberkomme, auch ein Aitmatow-Bändchen, um einen, zwei oder drei Euro. Welches weiß ich nicht mehr, denn ich hab ja ohnehin genug zu lesen und als ich mich gestern ein bißchen per Wikipedia auf die Aitmatow-Lektüre einstimmte und ich halte, obwohl ich immer wieder Kritiken höre, die Wikipedia Einträge für sehr gut und beziehe mich auch oft auf sie, nur meiner ist nicht ganz vollständig, hören meine Bücher ja bei „Und Trotzdem“ auf, aber das ist eine andere Geschichte und gehört nicht hierher, fand ich, daß Aitmatows Liebesgeschichte in der DDR zur Pflichtlektüre in den Schulen gehörten und das die Geschichte „Der Junge und das Meer“ in den DDR Ausgaben „Scheckiger Hund, der am Meer entlangläuft“, heißt.
Also habe ich nächstes Jahr, wenn das Bändchen an die Reihe kommt, weniger zu lesen und bei der rororo-Ausgabe von 1988, die ich gelesen haben, steht auf der Rückseite natürlich der Vergleich mit „Der alte Mann und das Meer“ und davon, daß die Geschichte, die man wahrscheinlich Novelle nennen kann „ein großes bewegendes Gleichnis ist, das in die Botschaft von der moralischen Unbesiegbarkeit des Menschen, an Hemingway einnert.“
Man kann es natürlich auch viel weniger prosaisch deuten. Da fährt irgendwo in Kirgisien wahrscheinlich, ein Boot aufs Meer hinaus, weil drei Fischer, der Dorfälteste und zwei andere Männer, Vater und Onkel, den Jungen, der später ebenfalls Fischer werden soll, auf seine erste Ausfahrt mitnehmen. Das gehört offenbar zu den kirgisischen Bräuchen und ist wahrscheinlich, wie die Jugendweihe zu verstehen, ein Ritual des Erwachsenwerdens und natürlich auch eine Lehre, die man durchmachen muß und so ist Kirisk sehr stolz darauf und natürlich gibt es für diese erste Ausfahrt auch eigene Regeln, so hat ihn die Mutter ans Ufer begleitet und zum Abschied „Na, geh in den Wald und nimm trockenes Holz mit!“, gesagt, denn die bösen Geister oder Götter, die einem ans Leben wollen, muß man täuschen.
Und so ist Kirisk nun im Boot, Organ der Älteste sitzt am Steuer und raucht an seiner Pfeife, Vater und Onkel rudern und als sie ihn fragen, ob er Angst hat, schüttelt er stolz den Kopf. Er doch nicht, er denkt ans Dorf, an die Mutter, die Schwester und auch an das Mädchen, in das er vielleicht ein bißchen verliebt ist und sieht den „Scheckigen Hund“, das ist ein Hügel, den man immer sieht, wenn man vom Meer wieder ans Land zurückkommt.
In dieser Geschichte wird überhaupt sehr viel symbolhaft ausgedrückt, so gibt es die Ente Luwr und wenn man krank ist und nicht trinken darf, beschwört man die „Blaue Maus“, die einen Wasser geben soll und die Fischer denken heimlich an die große Fischfrau und haben mit ihr auch schon ihre Erlebnisse gehabt.
Jetzt geht es aber ins Meer hinaus und Kirisk soll lernen Robben zu fangen, zuerst muß er sie aber von den großen Steinen, die vor der Insel liegen, unterscheiden. Sie fangen dann auch eine Robbe und machen ihre Rast und als sie wieder ins Boot steigen, steigt der große Nebel auf, sie verlieren die Orientierung und die Katastrophe, bzw. das Gleichnis beginnt.
Sie müssen alles über Bord werfen, nur ein Fäßchen Wasser und einen Sack mit Dörrfisch behalten sie und der Älteste hat jetzt die große Aufgabe, das Wasser sorgfältig in kleinen Rationen zu verteilen. Er selbst trinkt nichts und geht, als seine Kräfte schwinden, auch als Erster freiwillig ins Meer. Mylgun, der Onkel, ein bißchen jünger, als der Vater und noch nicht so ganz gefestigt, der noch manchmal seine Späße macht und auch ein bißchen durchdreht, das heißt die Naturgewalten nicht so demütig, wie die anderen annimmt, folgt als zweiter und als letzter opfert sich der Vater für den Jungen und sein Überleben, aber der bleibt dann ganz allein im Boot ohne Wasser und Nahrung zurück und ist sowieso viel zu schwach, um die Ruder zu bewegen. Es gibt aber ein Zeichen, wenn man die Eulen fliegen sieht, dann weiß man, man ist auf den richtigen Weg und der Nebel verschwindet auch einmal und so treibt das Boot mit dem Jungen an das Ufer zurück. Er sieht den „Scheckigen Hund“ und weiß er ist gerettet, weiß, daß er ein Fischer werden und vielleicht auch sein Mädchen heiraten wird. Daß er dann vielleicht selber einmal, viel später an der Reihe ist, als erster auszusteigen, weiß er vielleicht nicht oder doch? Jedenfalls hat er das Lied auf den Lippen „Scheckiger Hund, der du auf dem Meer entlangläufst, allein kehr ich zu dir zurück- ohne Atkytschch Organ, ohne Vater Emraijin, ohne Aki-Mylgun, Frag mich wo sie sind, aber erst gib mir zu trinken“, eine Parabel also von der Welt, von längst verschütteten Kräften im Menschen“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt und sich natürlich an dem Vergleich mit der anderen berühmten Parabel erfreut.
Der in Ostdeutschland gewählte Titel, beschreibt die Symbolhaftigkeit wahrscheinlich besser, obwohl ich mich erinnern kann, mit dem ungewöhnlichen Titel am Anfang nichts angefangen zu haben und da ich ja ein wenig schlampert bin, habe ich auch nicht genau genug geschaut und „Schrecklicher Hund“ in meine Leseliste geschrieben. Keiner meiner Leser hat es gemerkt, obwohl die ja immer sehr gut darin sind und als ich aus Clemens Meyers Erzählungen „Die Nacht der Lichter“, gemacht habe, hat sich der sehr empört bei mir gemeldet. Tschingis Aitmatow kann das nicht mehr tun und ich weiß auch nicht, wie die Erzählung im Original, in Russisch, denn Aitmatow hat, habe ich Wikipedia entnommen, in dieser Sprache geschrieben hat, heißt. Beeindruckend ist sie allemal, ob man sie sich nun als Parabael und symbolhaft oder ganz realistisch nach dem Spruch „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“ und das Leben ist nun einmal sehr gefährlich und wir alle müssen sterben, deutet.
Interessant habe ich gefunden, daß sie zum Robbenfangen ausfahren, eine erlegen und sie dann, um selbst zu überleben ins Meer werfen. Ja, das Leben ist grausam und naturgewaltig und nicht so leicht zu verstehen. Man glaubt, man muß soviel machen und dirigieren und ist am Ende ganz hilflos den Naturgewalten ausgeliefert und so sind mir auch, ich gestehe es, bei den dramatischsten Stellen, auch ein paar Tränen hinuntergeronnen, wie das bei sentimentalen Frauen so sein kann.

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