Literaturgefluester

2023-07-28

Die Metamorphosen der Eja Augustin

Lauter Applaus drang aus dem Haupthof des Museumsquartiers, die „O-Töne“, das sehr beliebte Literaturfestival, daß sich Eja Augustin gern und regelmäßig anzuhören pflegte, war zu Ende und sie konnte nach Hause gehen.

So stand sie also auf, packte ihre Handtasche und schüttelte den Kopf. Denn eigentlich hatten ihr die die Aussagen der Autorin nicht gefallen. Letzte Woche war es ähnlich gewesen. Da hatte die Autorin den Moderator kritisiert und statt auf seine Frage zu antworten auf seine roten Schuhe hingewiesen und mehrmals betont, daß er vor kurzem „Staatspreisträger“ geworden war. Gut, sie hatte sich über seine vielleicht zu anmaßenden Kritikerfragen geärgert und zurückgeschossen. Das war okay und voll in Ordnung und das würde sie, wenn sie in diese Situation kommen würde, genauso tun, denn sie war ebenfalls eine schreibende Frau. Zwar keine berühmte, sondern nur eine sich in Außenseitersituation befindende Selfpublisherin. Aber eine, die sich sehr für Literatur interessierte, viel las und daher auch das Gratisangebot der Stadt Wien, beziehungsweise der Literaturabteilung gern annahm.

Also durfte die Autorin, den sie interviewenden Moderator gerne kritisieren, die diesmalige Autorin hatte aber eigentlich nichts anderes getan, als die Literatur für sinnlos und unwichtig zu erklären. Etwas, was sie überhaupt nicht so sah, denn sie nahm ihr Schreiben sehr ernst, auch wenn sie, wie sie immer hören konnte, es längst nicht so gut beherrschte, wie die ehemaligen „Bachmann-Preisträgerin“, die jetzt sogar eine der wichtigsten Literaturzeitschriften Österreichs herausgab, obwohl sie wahrscheinlich halb so alt, wie Eja Augustin war.

Vielleicht war ihr ihr Ruhm zu Kopf gestiegen oder hatte es sie überfordert, plötzlich von einer Lesung, von einem Interview zum anderen herumgereicht zu werden? Das wäre verständlich und da könnte Eja ihr keinen Vorwurf machen. Schließlich hatte sie ja einmal Psychologie studiert. Trotzdem war es aber unbefriedigt von der Autorin nichts anderes gehört zu haben, als, daß das Leben und das Schreiben sinnlos war und das schien jetzt modern zu sein.

Hatte sie doch in letzter Zeit öfter Romane gelesen, wo die Autoren erklärten, daß sie ihren Text selbst nicht erklären können, oder den Inhalt vollends auf den Kopf stellten und da hatte Eja sich gedacht, daß das wohl deshalb war, weil schon so viele Bücher geschrieben worden waren und wollte man da auffallen, musste man da vielleicht schlapsige Antworten geben. Das wäre eine Erklärung, mit der sie etwas anfangen konnte, aber eine, die ihr nicht so besonders gefiel, denn sie nahm ihr Schreiben ernst, wurde aber zu solchen Veranstaltungen nicht eingeladen,

„Da sind Sie nicht gut genug! Haben Sie doch keinen Verlag! Wer will Sie lesen? Wenn wir Sie einladen haben wir lauter leere Stühle und das wollen wir nicht! Das können wir uns nicht leisten!“

Und es stimmte. Der Hof des Museumsquartiers war sehr voll. Das Publikum hatte begeistert geklatscht und drängte sich jetzt auch um den Bücher- beziehungsweise, um den Signiertisch, um sich ein Autorgramm von der Autorin zu holen und das war vielleicht ein weiteres Problem über das man sich ärgern konnte. Die Leute lasen immer wieder und schrieben dafür mehr. Fünfundzwanzig Prozent der Schulabgänger konnten, wie sie neulich gehört hatte, nicht mehr sinnerfassend lesen, wenn sie die Schule verließen und die die es noch konnten, lasen vielleicht lieber Comics, Chick Lits oder gingen vielleicht gleich ins Internet, um dort zu chatten.

Sie las sehr viel und würde sich jetzt auch die Buchpreisbücher wieder holen. Die zwanzig Bücher, die für den „Deutschen Buchpreis“ nominiert würden und die zehn von der „Österreichischen Buchpreisliste“, während ihre selbstgemachten Bücher niemand lesen wollte.

„Das interessiert uns nicht, wir sind lieber für Qualität!“, war eine Antwort, die sie öfter hören konnte und jetzt drängten sich tatsächlich einige Leute, um den Büchertisch oder stellten sie sich am Signiertisch an, um ein Autogramm von der ehemaligen „Bachmann-Preisträgerin“ zu bekommen.

„Ob die alle gelesen werden?“, fragte sich Eja Augustin kritisch, die jetzt selbst um den Büchertisch herumstrich, sich aber keines kaufen würde, weil sie ihr ganz ehrlich zu teuer waren und hatte auch ihre Zweifel daran, weil sie öfter die sehr gehypten Bücher von den Buchpreislisten in den offenen Bücherschränken oft noch originalverpackt fand.

„Da hat wieder eine Schwiegermutter ein Buch von Reinhard Jirgl oder Ulrich Petzer zu Weihnachten bekommen und fängt nicht viel damit an, weil sie lieber Kimis oder vielleicht auch gar nichts liest“, dachte sie kritisch und dann wieder an ihre sechzig selbstgemachten Bücher, die sie im Laufe ihres Lebens schon geschrieben hatte. Und das Thema schreiben, war auch eines, daß sie sehr interessierte.

Gab es da ja schon „Den verrückten Traum der Thea Leitner“, wo eine erfolglose Autorin in dem berühmten „Star-Verlag“ eingesperrt wird und sich dann in den Verleger verliebt, sowie „Das literarische Leben der Dora Faust“, wo eine erfolglose Autorin einen Roman schreiben will und da über sehr viele Geschichten stolpert. Eine literarische Agentur an die sie das Buch geschickt hatte, hatte nicht viel damit anfangen können und eine Schriftstellerkollegin hatte sich über den sprechenden Namen sehr mokiert. Denn eine Thea Leitner gab es ja. Gut, das waren vielleicht Anfangsfehler und wahrscheinlich würde es jeden Namen, den man einem Protagonisten verlieh, im wirklichen Leben schon geben und neben dem “ Literarischen Leben“ und dem „Verrückten Traum“ könnte sie auch Metamorphosen stellen.

„Die Metamorphosen der Eja Augustin“ und unter diesen Titel ihre Schreibgedanken in ihren Blog stellen oder als einundsechzigstes selbstgemachtes Buch herausgeben.

„Eine interessante Idee!“, dachte Eja Augustin.

„Habe ich heuer ja ein Jubiläumsjahr, schreibe ich nun schon fünfzig Jahre, habe seit fünfzehn Jahren einen literarischen Blog in dem ich meinen Senf über den Literaturbetrieb verspritze und feiere im November meinen siebzigsten Geburtstag. Da könnte ich ein literarisches Geburtstagsfest machen und siebzig Minuten aus meinen sechzig Büchern oder aus meinen „Metamorphosen“ lesen!“, dachte sie und lächelte der Autorin, die jetzt vom Signiertisch aufschaute aufmunternd zu.

„Es ist doch nicht alles so sinnlos, wenn man erfolgreich ist und das Schreiben und das Lesen ist schön und wenn sich Ihre Leser über Ihre Bücher freuen, sollten Sie das vielleicht auch tun!“

Kommentar verfassen »

Du hast noch keine Kommentare.

RSS feed for comments on this post. TrackBack URI

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Bloggen auf WordPress.com.