Literaturgefluester

2014-09-06

Krieg und Hunger oder 175 Jahre Marktamt

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:10

Nachdem ich am Mittwoch mit dem Rohkonzept des „Miranda Schutzengelchen“ fertiggeworden bin und dann auch gleich die Praxiswohnung und die Fenster putzte, habe ich mich am Donnerstag nach meiner elf Uhr Stunde aufgemacht und bin rund um den ersten Bezirk gegangen, obwohl der Text jetzt gar nicht mehr so heißt,beim „Leiner“ auf der Dachterrasse einen verlängerten getrunken, mir den Buchhandlungen viele Leseproben, darunter die, von dem neuen Kohlmeier-Buch und das von der Judith W. Taschler besorgt und bin anschließend in die Kaffee-Rösterei Alt-Wien zur Buchpräsentation von „Kaffee in Wien“ gegangen, mir dabei ein paar Notizen gemacht und ein paar Szenen beobachtet und für den Freitag, wo ich auch nur eine Stunde hatte, hatte ich ein besonderes Programm.
Hat mir doch Angelika Herburger, die die „Literatur am Naschmarkt“ organisiert, gemailt, es gebe um drei eine szenische Lesung mit Beppo Beyerl und Peter Glanninger zum Thema „Krieg und Hunger“ und vorher gab es ein großes Fest, weil das Marktamt seinen hundertfünfzigsten Geburtstag feiert und dort, dachte ich, kann ich auch meinen Wien-Tag verbringen und so habe ich mich in mein neues „chinesisches“ Gewand geworfen, das ich mir gestern um je fünf Euro, in dem neuen Geschäft in der Kettenbrückegasse kaufte und bin zum Marktamtgebäude hinuntergegangen, wo es einen Stand mit Broschüren und ein Glücksrad gab und die „16er Buam“ schon Wienerlieder sangen.
Einen Kochstand gab es auch und eine Philippinin, neben deren Stand ich auf einem Mauersims Platz genommen hatte, holte ständig neue Sachen aus ihrem Auto, stellte sie in ihren Stand auf und bot uns Tee und andere Gratisproben, wie Tee, Saft und einen Fächer an.
Danach erschien die Prominenz, der Stadtradt Mailath-Pokorny, der Stadtrat Ludwig, die Ulli Sima, die Stadträtin Frauenberger und und und, zogen sich grünen Marktamtschützen an und begannen für die Fotografen mit der Starköchin Kim schauzukochen, deren sehr scharfes Curry mit Hühnerfleisch und heimischen Gemüse man dann gleich verkosten konnte.
Man konnte auch das Buch gewinnen, wenn man am Glückrad drehte oder Äpfel oder Mannerschnitten, aber leider galt das nicht für alle, denn als ich einen „MO-Verkäufer“, diesen Tip geben wollte, hieß es „Nur für Kunden oder das kostet was!“
Die Musik ging aber weiter und wurde um dreizehn Uhr vom „Wiener Glühen“ abgelöst, da kam ich dann mit der Mutter zwei der Künstler ins Gespräch, die Fans der „16-er Buam“ habe ich schon früher kennengelernt und als Peter Glanninger mit seiner Lesung begann und einen Text vortrug, den Victor Adler“ 1914 in der Arbeiterzeitung veröffentlicht hat „Genossinnen und Genossen!“, begann der Standler neben mir zu lachen und drehte laut die Musik in seinem Auto auf.
Ja, die Literatur hat es schwer, das habe ich schon öfter gemerkt, die Texte aber, die Kriegsbegeisterung, die sich 1914 auch in der Arbeiterzeitung bemerkbar machten, wo dann etwas später über die Rationalisierungen und den Hunger geschrieben wurde, waren sehr interessant und die „Edition Mokka“ hat auch vor kurzem Viktor Adlers Texte aus der Frühzeit der Arbeiterbewegung herausgegeben.
Peppo Beyerl hatte dann noch Treffenderes, nämlich Texte von Karl Kraus aus der „Fackel“ und den „Letzten Tagen der Menschheit“ und da las er vor allem die, wie die Wiener zu den Greißler gingen und nichts bekamen, weil die Preise immer höher wurden.
Angelika Herburger verteilte Kopien der damaligen Lebensmittelmarken, wo es 70 Gramm Brot oder 50 Gramm Mehl zu holen gab und der Tisch war mit einer alten Waage, Kartoffeln und Sackerln dekoriert, gegen die man die Lebensmittelmarken eintauschen konnten, in denen sich ein paar Broschüren mit Beppo Beyers Texten über den „Naschmarkt“ bew, eine Sozialreportage von Max Winter, sowie drei Sackerln mit ein paar Gramm Mehl, Zucker und Kaffee befanden und Beppo Beyerl, der das Einlösen übernahm, kontrollierte auch sehr genau, ob man die betreffenden Marken hatte.
„Das geht nicht, die sind für Niederösterreich!“, ect, fast so, als wenn man als Obdachloser, Asylwerber, etc, am Glücksrad drehen will, dachte ich und diskutierte das auch mit dem Marktamtangestellten, der mir für die Broschüren, die ich mir mitgenommen habe, noch ein Marktamtsackerl schenkte.
Eine lehrreiche Veranstaltung und Krieg und Hunger gibt es, fürchte ich, vielleicht auch noch heute und wahrscheinlich nicht einmal so weit weg.

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