Literaturgefluester

2014-02-21

Punk Pygmalion

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:01

Vor cirka zwei Wochen habe ich von einer Melusine Barby alias Jutta Pivecka ein Mail bekommen, das mich auf das Romandebut „Punk Pygmalion,“ in der Schweizer „edition taberna kritika“ erschienen, der auch Texte von James Joyce, Hartmut Abendschein, Elisabeth Wandler-Deck und Sudabeh Mohafez, verlegt, das im Blog „Gleisbauarbeiten“ entstanden ist, aufmerksam machte.
Nun denkt man bei Melusine Barby wahrscheinlich an Fantasy für Girls.
Der Blog „Gleisbauarbeiten“ gehört aber zu dem Lit.Net.Blogs-Projekt, über das Christiane Zintzen immer berichtet, zu dem auch die „Dschungl-Anderswelt“, E.A.Richter und einige der genannten Autoren gehören und Blogromane interessieren mich sehr und so habe ich mich, während ich auf das Buch gewartet habe, auch ein bißchen eingelesen und herausbekommen, daß Jutta Pivecka 1965 geboren wurde, in der Nähe von Frankfurt am Main lebt und Kunstgeschichte, Literatur- und Politikwissenschaft studiert hat.
Es gibt einen zweiten Blogroman von ihr, der von einer Melusine handelt und „Punk Pygmalion – Roman in Briefen“, was genau genommen eigentlich „mit Briefen“ heißen sollte, entstand zwischen 2010 und 2012.
Das Buch besteht aus drei Teilen, die die Namen Ansgar, Lars und Emmi tragen, drei Zeichnungen von der Autorin gibt es auch, Helmut Abendschein, den ich auch von Christiane Zintzens Blog kenne, hat das Lektorat übernommen.
Und Pygmalion, bekannt durch Bernhard Shaw, ist die Geschichte von dem Bildhauer, der sich in seine Skulptur verliebt, die dann lebendig wird.
Hier beginnt es anders. Die Ich-Erzählerin M. genannt, Kunstgeschichtlerin, verheiratet, zwei Kinder und nicht sehr glücklich, fährt 2010 nach Berlin um ihrer frisch geschiedenen Freundin Emmi, beim Umzug zu helfen. Dabei finden sich Briefe, die in den Achtzigerjahren von den in Dänemark lebenden Hamburger Ansgar geschrieben wurde, den Emmi 1983 am Wannsee kennenlernte. Sie haben dabei auch eine Leiche gefunden.
Ansgar fährt nach Dänemark zurück, wo er bei seinen Vater lebt, BWL studiert, obwohl er Bildhauer werden will, er wird als grober Mann mit groben Händen geschildert und schreibt nun Briefe an die siebzehnjährige Emmi, er selbst ist zweiundzwanzig, wo er sie zu seinem Ebenbild formen will. Er drängt ihr seinen Musikgeschmack auf, Emmi läßt sich eine schwarze Punkfrisur schneiden und dreißig Jahre später, entsteht bei den beiden Frauen der Plan, daß M. die Briefe in ihren Blog veröffentlichen soll. Sie tut das auch und Emmi gesteht ihr, daß sie Ansgar wiedergesehen hat, eine Beziehung mit ihm eingegangen ist und verschwindet dann nach Frankreich in das Ferienhaus. Es kommen nur Ansichtskarten, bzw. Mails von ihr, in denen sie M. bittet, dem Blogroman eine positive Wende zu geben.
M. googlet nach und bekommt heraus, daß Ansgar ein berühmter Bildhauer geworden, aber inzwischen verschwunden ist, so suchen seine Frau Maya und sein Sohn Lars nach ihm.
Emmis Mutter ruft an und sagt, auch Emmi ist verschwunden, sie wurde nur im Juni in dem Haus gesehen und da war sie in Beleitung eines jungen Mannes, der wie Ansgar vor dreißig Jahren ausgesehen hat.
Ein Leser macht M. auf die Möglichkeit aufmerksam, daß man im Internet fälschen kann und Emmi meldet sich wieder um, M. die Adresse von einer Frau zu geben, die ein Kind von Ansgar hat, ihn aber nach der Geburt nicht mehr oft gesehen hat. Nur einmal kam Ansgar, der schon 1983 während einer Europareise verschwunden ist, um seinen Sohn Lars, der inzwischen in Berlin an der Kunstakademie studiert, seinen Skizzenblock zu überlassen.
Im zweiten Teil „Lars“, reist M. nach Berlin um Lars zu treffen, der inzwischen in einer Galerie seine „Fatherhood-Skulpturen“, er hat die Skizzen fertiggemacht, ausstellt, er führt M. durch sein Atelier und zeigt ihr die Zeichnungen der nackten Emmi mit der er sich offenbar sein Ebendbild erschaffen hat.
Dann kommt er noch einmal zu M. und bringt ihr schließlich einen USB-Stick, wo Emmi die Geschichte aus ihrer Perspektive schildert, wo sich die Identitäten noch einmal vermischen, M. zu Emmi wird oder umgekehrt und es ist sehr interessant zu erleben, wie sich die Fiktion mit der Wirklichkeit, der Blogroman mit der Realität vermengt.
Statt eines Nachwortes gibt es noch die Erklärung, daß im Jahr 1983 vier Wasserleichen angetrieben wurden und, daß in Deutschland derzeit etwa siebentausend Personen als vermißt gelten und sich die Polizei nur einschalten würde, wenn sie minderjährig, selbstmordgefährdet oder Opfer eines Verbrechens wären.
Ich finde Blogromane, wie erwähnt, sehr spannend. 2009 habe ich ein bißchen bei Karen Wiborgs „Sechzig Grad“ mitgelesen. Auf Christian Dörings Seite gibt es einen, an dem eine christliche Autorengruppe schreibt, aber Jutta Piveckas Projekt ist experimenteller, verwirrender, vielschichtiger und für alle Interessierten, die wissen wollen, was im Netz alles möglich ist, das dann zu Papier wird, sehr empfehlenswert.
Einen berühmten Mailroman mit einer Emmi gibt es auch.
Ich blogge ja nicht gerade Literatur, sondern meine literarische Befindlichkeit, meine Veranstaltungsberichte, die Bücher, die ich lese und seit ein paar Jahren, auch regelmäßig meine Schreibberichte.
Auf die Idee einen Text direkt im Netz entstehen zu lassen, bin ich noch nicht gekommen, wäre aber interessant. Und ich habe ja auch ein Buch, das aus meinen Blog entstanden ist.

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