Literaturgefluester

2014-11-13

Kindfrau

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:15

Das „Lolita-Thema“ neu entdeckt, aufgerollt von einer fünfundzwanzigjährigen, in St. Pölten geborenen, jungen Frau, die Deutsch und Geschichte studierte, an ihrer Dissertation schreibt und deren Debutroman bei „Picus“ erschienen ist, eine weitere „Unter Dreißigjährige“ in meiner Sammlung junger literarischer Talente, auf die ich von Robert Eglhofer aufmerksam gemacht wurde, der mir ihre Lesung bei der „Buch-Wien“ empfahl.
Spannend, spannend, könnte man so sagen, obwohl ich am vorigen Samstagabend nach meiner „Nanowrimoarbeit“ eher schwer in das Buch hineingekommen bin, das aus vier Teilen besteht und immer wieder „Kursive-Abschnitte“ hat, die zum Überfliegen auffordern, obwohl man dadurch vielleicht Wichtiges übersieht. Denn das Buch springt locker von der Gegenwart in die Vergangenheit zurück, hat manchmal auch zwei Erzählstimmen und die Heldin ist Angelika, eine Lehrerin, die gerade ihren fünfunddreißigsten Geburtstag feiert.
Ihr Mann heißt Erich, liebevoll besorgt, teure Geschenke machend, aber nicht viel Zeit habend, weil immer in Sachen seiner Karriere unterwegs, von einer Beförderung zur anderen, daher viel im Büro oder auf Dienstreise, wovon er ihr dann liebevolle SMSe schreibt.
Er will ein Kind, sie eigentlich nicht.
In dieser Ausgangslage begegnet sie Vincent wieder, einen um dreiundzwanzigjährigen älteren Mann und kommt in ihre Kindheit zurück, als sie zwölf war und es zu einer Beziehung, einer unerlaubten Begegnung zwischen ihnen kam.
Denn Mißbrauch ist ja jetzt das große Thema und in aller Munde, manchmal wird vielleicht auch nicht ganz so gut damit umgegangen und Andrea Kern, die junge Frau und Lehrerinnentochter erzählt, daß Angelika vielleicht gar nicht so unschuldig daran war, vielleicht diese Beziehung haben wollte, brauchte, etc, stückchenweise wird das aufgerollt.
Im ersten längeren Teil begibt sich Angelika nach der Schule auf die Suche nach dem Mann, nach ihrer Vergangenheit, lügt Erich, wenn er sie anruft, an, daß sie zu Hause über ihren Verbesserungen säße, kramt in alten Zeitungsausschnitten, wo man erfährt, daß die Geschiche aufgeflogen ist, der Mann verhaftet wurde und ins Gefängnis kam und sich zuerst Polizisten, später dann wohl eine rothaarige Psychologin, um die Kleine kümmerten. Die Wahrheit aus ihr herausholen wollten, aber Angelika verstummt.
So erlebt ihr Mann Erich sie jedenfalls, der schon einmal verheiratet war und vielleicht auch um einiges älter ist.
Das ist schon der zweite Teil des Buches, als Angelika nach einem Unfall im Krankenhaus liegt und er sie besucht, bzw. diesen in SMS ihr anzukündigen versucht.
Zuerst liegt sie im Koma und er redet auf sie ein, um ihr Unbewußtes wieder zu erwecken, dann ist sie wach, läßt sich aber von der Schwester eine Schlaftablette reichen, damit sie nicht mit ihm reden muß.
Der dritte Teil passiert zwei Jahre später, da ist der Mann wieder geschäftlich unterwegs und läßt per SMS Lia, das ist die Katze, nicht das Kind, wie man vielleicht vermuten könne, grüßen, er komme bald nach Haus.
Angelika ist etwas orientierungslos, die Schularbeiten sind schon korrigiert, da ruft die Kollegin oder Freundin Karin an und lädt zu einem Kinobesuch und sie sieht sie Vincent wieder.
Es kommt zu einem Gespräch, einer Verabredung am nächsten Tag in einem Cafe, er läßt sie eine dreiviertel Stunde warten, kommt dann doch. Sie erzählt ihm den Lebenslauf, der eigentlich von Erich stammt, sie ist beruflich sehr erfolgreich, viel unterwegs, während ihr Mann Lehrer ist und ihr über den damaligen Mißbrauch oder die Beziehung und Erwartungen von Kindern viel erzählen kann.
Vincent erzählt von seinem damaligen Gefängnisaufenthalt und, daß er eigentlich nicht allein schuldig war, sie hat es auch gewollt, vielleicht mitverführt, er hätte aber die Grenzen setzen müßten, (sagt Erich, der von Angelikas Vergangenheit gar nichts weiß) und davon, daß er mit einer siebenundfünfzigjährigen Frau mit Brustkrebs verheiratet ist, die alles weiß. Weil sie eine vierzehnjährige Tochter hat, hat er ihr alles erzählt. Sie sind zur Therapie der Frau in der Stadt, die Tochter begleitet sie und geht, während der Behandlung mit dem Ersatzvater, Daddy hat ihn Angelika immer genannt, weil sie nicht Papa sagen wollte, shoppen oder in den Zoo, obwohl der Lehrer Erich immer sagt, daß Vierzehnjährige das gar nicht wollen.
Angelika verfolgt Vinenct in der Straßenbahn, mietet sich für zwei Tage in das Hotel ein, in dem er mit seiner Familie wohnt, erzählt Erich per Handy sie wäre zu Haus, verfolgt Vincent und Clarissa am nächsten Tag, kommt auch mit der Frau ins Gespräch und wird von Vincent in ihrem Zimmer entdeckt.
Der vierte Teil passiert wieder zwei Jahre später, jetzt ist Angelika schwanger, es wird ein Mädchen, obwohl sie sich doch einen Jungen wünschten und geht mit dicken Bauch in ein Cafe, um sich Kuchen zu bestellen und Honig in den Ingwertee zu träufeln.
Eine sehr interessante Geschichte, vor allem, weil sie von einer so jungen Frau erzählt wird, die das Thema ganz anders, als bisher üblich, aufzurollen versucht.
Interessant auch die Karriere Andrea Kerns zu verfolgen und zur Lesung werde ich ja nicht kommen können, da ich nur bis Samstag auf der Buch-Wien sein werde, weil wir am Sonntag wieder nach Bük ins Bad fahren werden.

3 Kommentare »

  1. […] – Dr. Eva Jancak für Literaturgeflüster […]

    Pingback von Das “Lolita-Thema” neu entdeckt | Andrea Kern — 2014-11-15 @ 11:32 | Antworten

  2. Ich habe das Buch „Kindfrau“ mit Begeisterung gelesen, die Autorin hat eine besondere Sprache, die Bilder erscheinen dem Leser/der Leserin, sie fesselte mich mit jedem Wort; Spannung. Unvorstellbar, dass eine so junge Frau die Gefühle derartig gut darstellen kann. Ich bin gespannt, welche weiteren Bücher sie uns schreibt.

    Kommentar von Kruder — 2015-02-28 @ 21:14 | Antworten

  3. Ja das ist sicher spannend, ich verfolge die jungen Literaturtalent und ihre Entwicklungen auch sehr genau, also können wir abwarten, was auf meinen Blog oder sonst noch über Andrea Kern zu berichten gibt

    Kommentar von jancak — 2015-03-01 @ 08:25 | Antworten


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