Literaturgefluester

2015-12-07

Der Circle

Jetzt komme ich langsam langsam zu den Geburtstagsbüchern des vergangenen Jahres und da zu einem sehr umstrittenen Bestseller, den es inzwischen als Taschenbuch gibt, so daß ich Freitags in der Mittagspause des „Jelinek-Müllers Symposiums“ bei „Kuppitsch“ etwa eine dreiviertel Stunde darin weitergelesen habe.

Nämlich Dave Eggers der „Cirkel“ ein Buch das von den einen mit George Orwells „1984“ verglichen wird, von den anderen für kitschig beziehungsweise, unliterarisch gehalten wird.

Mich, eine eifrige Bloggerin, die auch sehr viel Privates in mein literarisches Tagebuch hineinstellt, die sich politisch sehr engagiert, aber kein Handy und keinen Facebookaccount hat, hat das Buch natürlich sehr interessiert und ich muß sagen, ich bin begeistert und habe abgesehen von Anfangsschwierigkeiten, da war es für mich nicht ganz leicht, in das Buch hineinzukommen, sehr intensiv darin gelesen, einen ganzen Sonntagvormittag in der Badewanne, bis das Buch an den Rändern  schwarze Flecken von der schwarzen Buchhülle hatte, die mir zu Weihnachten 1972, glaube ich, eine Schulfreundin in der Straßergasse schenkte.

„1984“ habe ich auch gelesen, vor mehr als dreißig Jahren und es hat mich ebenfalls schwer beeindruckt und ich denke man kann die beiden Bücher nicht vergleichen oder doch vielleicht, wenn auch auf andere Art und Weise.

George Orwell war, habe ich gehört, durch den World war II, traumatisiert und wollte dagegen anschreiben und das, was er geschildert hat, war, was die technischen Möglichkeiten betrifft, sehr sehr weit von der Wirklichkeit von 1948 oder 1949, wo das Buch ja geschrieben wurde und erschienen ist, entfernt, wo es vielleicht gerade erst das Fernsehen gab, aber noch nicht überall, nach Österreich ist es erst in Fünfzigerjahren gekommen. Es spielt in dem Buch aber, glaube ich, eine große Rolle, denn dadurch werden die Menschen ja überwacht, aber kein Internet, kein Facebook, kein Google und kein Twitter.

Heute gibt es das alles und ich denke, daß das, was der „Circle“ schildert, das Buch spielt, glaube ich in der Zukunft, vom Technischen alles schon möglich und auch anwendbar ist.

Das, glaube ich, ist der Unterschied, daß von einer Wirklichkeit ausgegangen wird und was die angebliche mangelnde literarische Qualität betrifft, nun es ist kein experimenteller Roman und auch keiner der sprachlich sehr kompliziert angelegt ist, bei „Amazon“ habe ich, glaube ich, gelesen, daß alles so linear geschildet und sehr voraussebar ist.

Linear geschildert vielleicht schon, vorhersagbar finde ich gar nicht, gibt es da  ganz im Gegenteil ganz überraschende Wendungen und wenn ich mich nicht irre, ist das Konzept, glaube ich, schon nach dem großen Vorbild angelegt oder nachempfunden.

Da ist also Mae, eine junge Frau, die Psychologie studiert hat, eine Zeitlang in einem sehr altmodischen Betrieb gearbeitet hat und nun durch die Vermittlung ihrer Freundin Annie in den Circle kommt, das ist ein IT-Unternehmen, das Goolgle, Facebook, Twitter, etc aufgekauft hat und alle Accounts bzw. Passwörter vereint und so das Leben für die User einfacher und angenehmer macht.

Das ist überhaupt, die große Aufgabe des Konzerns, das Leben für alle angenehmer und die Menschen besser zu machen und so staunt Mae, die aus eher einfachen Familienverhältnissen kommt und durch ihr Studium hochverschuldet ist, über den Luxus, der auf dem Firmenareal herrscht.

Am ersten Tag darf sie gar nicht arbeiten, sondern wird von Annie und von anderen Cirklern herumgeführt, es gibt Luxusrestaurants, Animierprogramme, Therateraufführungen, Sportmöglichkeiten und auch Wohnheime, wo die Angestellten schlafen können, wenn sie Überstunden machen und nicht nach Hause gehen wollen und das alles kostenlos.

Dann wird Mae eingeschult, sie muß am Anfang irgendwelche Kundenprogramme betreuen und wird nachher gleich bewertet, das Ziel sind hundert Punkte, wenn man die nicht erreicht, muß man ein Follow up schicken und sein Ranking verbessern und von seinen Chefs wird man nur gelobt.

Trotzdem natürlich überwacht, so muß Mae gleich ziemlich viel unterschreiben, sie bekommt einige Computer in ihr Büro gestellt und wird am Anfang auch sanft gerügt, als sie am Abend nach Hause, beziehungsweise zu ihren Eltern geht, ihr Vater hat Parkinson und Schwierigkeiten mit der amerikanischen Sozialversicherung, die seine Behandlung nicht bezalen will und dadurch die sozialen Programme versäumt, so hat ein Mitarbeiter sie zum Beispiel eingeladen zu seinem Abend zu kommen, sie hat das nicht beachtet, der ist tief gekränkt und sie muß sich entschuldigen.

Mae ist aber ehrgleizig und arbeitet an ihrem Sozalprogramm, so steigt ihr Wert nach und nach im Ranking und bei der gesundheitlichen Untersuchung bekommt sie gleich einen Chip eingeplanzt, damit alle ihre Werte offen sind, denn das sind die Werte der Cirkler „Transparenz“.

„Eigentum ist Diebstahl“ „Heilen ist Teilen“, aber das sind Maes eigene Worte und die wird sie erst viel später sagen, wenn sie schon bald eine kleine Kamera um ihren Hals geschnallt hat, um alle ihre Schritte aufzunehmen.

Erst einmal lernt sie bei den diversen Parties zwei interessante Männer kennen, Francis mit einer schwierigen Kindheit, der an einem Programm arbeitet, wo Kinder Chips implantiert bekommen, damit sie vor Gewalt und Entführungen sicher sind, denn nur darum deht es im Cirkle und Kalden, das ist ein seltsamer Typ, unauffindbar, schon alt, mit grauen Haaren, die Cirkler sind alle jung und dynamisch, so daß Annie in ihm bald einen Spion vermutet.

Einen dritten Mann gibt es auch noch, Mercer, das ist ihr Juendfreund, aber der will von ihr bald nichts mehr wissen, als sie seine Luster aus Hirschgeweih, die er erzeugt, ohne sein Wissen online stellt und sich die Follower bei ihm melden, denn Mercer ist in diesem Punkt ein wenig altmodisch und lange nicht so internetaffin wie Mae.

Als aber Francis, die Liebesnacht, die er mit ihr verbringt, online stellt ist sie wieder entsetzt und verlangt die Löschung, aber das geht in einem Konzern wie dem Circle nicht, der von den drei Weisen gegründet Bailey, Stanton und Ty, gegründet wurde.

Mit Bailey kommt sie bald in Kontakt, zuerst einmal führt Annie sie in sein Büro, das darf aber niemand wissen. Aber das geht in diesem Konzern auch nicht, denn „Privatheit ist ja Diebstahl an der Information für die Allgemeinheit, wo alle alles wissen sollen, um davon zu profitieren und so bekommt Mae bald ein kleines Problem.

Sie ist nämlich eine leidenschaftliche Kanufahrerin, gibt das in ihrem Account aber nicht an und als sie eines Abends spät von ihrem Eltern kommt und sich ein Boot ausborgen will, ist der Verleih schon verschlossen.

Sie findet aber ein zu spät zurückgegebenes Boot, borgt es sich einfach aus und wird beim Zurückkommen schon von der Polizei erwartet. Denn der Konzern hat inzwischen überall Überwachungskameras installiert und Maes Handy hat das, glaube ich, auch gemeldet.

Die Besitzerin kennt Mae zwar und sagt „Kein Problem!“, der Konzern weiß es aber sofort und Mae wird von Bailey zur Rede gestellt und gehört in weiterer Folge zu den ersten transparenten Mitarbeitern, die mit einer Kamera, um den Hals fortan herumlaufen.

Die Politiker tun das bereits und die, die sich weigern oder sogar von „Überwachung“ sprechen, werden kurz darauf als Drogenhändler oder Pornographen entlarvt.

Mae beginnt den ganzen Konzern zu filmen und ihren Usern alles zu zeigen und wenn sie mit Annie oder auch mit Kalden allein sprechen will, muß sie sich aufs Klo zurückziehen, denn nur dort darf man die Kamera ausschalten.

Das wollen meist die anderen, Mae nicht, denn die ist von der Wundertätigkeit des Konzerns, ihr Vater ist inzwischen auch mitversichert, überzeugt und schlägt bei einem Meeting auch vor, daß alle einen Zwangsaccount bekommen sollen, denn nur so können alle wählen, ihre Meinung sagen und man kann den Staat viel Geld ersparen.

Alle sind begeistert, außer Kalden und Mercer, die Mae warnen und von ihr  eine Umkehr wollen.  Sie schlägt die Warnungen in den Himmel und hat nur ein Problem, als bei einer öffentlichen Abstimmung und der Frage „Ist Mae Spitze?“, das nur 97% smilten.

Sie tat das natürlich auch nicht, aber wer sind die bösen anderen? Das kostet sie ein paar schlaflose Nächte, bis Francis ihr erklärt, daß sie das ganz leicht erherausfinden kann, denn im Konzern ist  alles öffentlich und mit ihrer Freundin Annie gibt es auch Probleme, denn die, eine Nachfahrin der Mayflower-Generation, also aus ganz blauer Familie, ist die Testperson in einem Programm, die die Vergangenheit erforscht und eigentlich hätte Mae das machen wollen.

Es endet aber ohnehin nicht gut für Annie, stellt sich doch heraus, ihre Vorfahren waren Slavenhändler und der Vater und die Mutter sind ihrer Jugend nackt herumgelaufen und einem Ertrinkenden haben sie auch nicht geholfen.

Mit Annie geht es also abwärts, dafür mit Mae aufwärts, als sie demonstriert, wie einfach es ist, einen Menschen auszuforschen. Zuerst wird das an einer Kriminellen demonstriert, dann beginnt sie aber Mercer zu suchen, der vor dem Konzern in den Wald geflohen ist und treibt ihn dadurch in den Tod.

„Das macht nichts!“, sagt Bailey.

„Er war psychisch krank und wollte sich nicht helfen lassen und mit einem selbstfahrenden Auto, das der Konzern wahrscheinlich bald erzeugen wird, wird das auch nicht mehr passieren!“

Inzwischen werden noch Haifische gefüttert, um die Überlegenheit des Stärkeren zu demonstrieren und dann entpuppt sich Kalden als einer der Drei, der von seinem eigenen Programm erschrocken, Mae um Hilfe bittet. Sie weigert sich aus Loyalität zu dem Konzern, aber keine Angst, Ty oder Kalden wird nichts passieren.

Er darf in der Firma mit einem Büro ohne Aufgabe und Funktion als Berater verbleiben, denn die Firma ist ja menschenfreundlich und will für alle nur das Beste.

Das unterscheidet den Roman wahrscheinlich von „1984“, das nichts „wirklich Böses“ in ihm geschieht, außer daß Haifische Seepferdchen fressen, was sie aber im wirklichen Leben wahrscheinlich auch tun und die Menschen glücklich sind, weil sie mit Chips herumlaufen und ständig voten können sollen und dürfen.

Wie gesagt, im wirklichen Leben gibt es die Möglichkeit zu all dem, wahrscheinlich schon. Aber es muß keiner ein Handy und einen Facebookaccount haben, obwohl auch das immer schwieriger wird und man immer wieder davon hört, wie gerne und wie weit wir selber unsere Freiheit aufgeben und uns zu gläseren Menschen machen lassen.

So ist der Roman sicherlich ein Spiegel und eine spannende Geschichte, die aufzeigt, was alles passieren und wie leicht das alles entgleiten kann und ich denke, jeder der sich dafür interessiert, sollte ihn lesen und darüber nachdenken, wie weit man gläsern werden und sich Chips, etc, implantieren lassen will.

Ansonsten ist es ein Roman der Jetztzeit und vielleicht auch eine Satire, des 1970 geborenen Dave Eggers, von dem ich inzwischen auch „Ein Hologramm für den König“ in den Bücherschränken gefunden habe.

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