Literaturgefluester

2016-08-30

Mein Vater war ein Mann am Land und im Wasser ein Walfisch

Vola, jetzt kommt das erste Longlistenbuch des sehr überraschenden dBp 2016, ein Buch einer mir bisher unbekannten Autorin und eines genauso unbekannten Schweizer Verlages, mit schon einmal einem sehr spannenden Titel, der neugierig macht und so war ich sehr froh, daß mir der Verlag das E-Book zur Verfügung stellte.

Auch das Cover ist sehr ungewöhnlich, sieht man da ja eine stilisierte Figur mit einem Käppchen am Kopf, einer Flasche in der einen, einen Koffer in der anderen Hand und dann war ich erstmal eine Weile ratlos, denn die 1990 in Lenzburg geborene Michelle Steinbeck, die am Schweizer Literaturinstitut in Biel studierte, scheint eine sehr experimentelle Autorin zu sein oder sagen wir lieber eine Sprachkünstlerin wie Herta Müller oder Andrea Winkler und der sehr kurze Debutroman besteht aus zehn Kapitel, die Titel “ wie „Das Kind“, „Die Alte“, „Der helle Mann“, „Die  rote Stadt“ haben, geht  gleich hinein in das Geschehen und die Autorin, die von einer „Ich-Erzählerin“ ausgeht, macht es der Leserin, die gerne alles ganz genau und realistisch haben will, nicht ganz leicht.

Also wieder ein Buch für Tobias Nazemis Literaturdebatte, wie anspruchsvolle Literatur zu sein hat. Ob es da primärum die Handlung oder die schöne Sprache geht?

Michelle Steinbeck entscheidet sich eindeutig für das Zweite und so erzählt sie von einem Kind, das bei der Ich-Erzählerin namens Loribeth auftaucht, das sie stört und von ihr offenbar nicht gewollt wird, so tut sie es in einen Koffer und reist mit ihm durch das ganze Buch, wo ich nicht sicher bin, ob Roman, die richtige Bezeichnung dafür ist, lyrische Episoden würden vielleicht besser passen.

Was mir ein bißchen dabei aufstieß, ist der offensichtliche Kinderhaß der jungen Frau, aber man kann und soll wahrscheinlich, das Ganze natürlich tiefenpsychologisch deuten und da die Leserin zufälligerweise auch noch Psychologin und  als solche allerdings Verhaltensterapeutin ist, tue ich mir damit nicht allzu schwer.

Loribeth geht also zu einer Wahrsagerin, das ist die „Alte“ und dann macht sie sich mit dem Kind im Koffer auf die Suche nach dem verlorenen Vater.

Einen Fridolin Seifert triff sie auch dabei und in ein Schiff oder in ein Haus am Meer muß sie auch hinuntersteigen.

Es ist nicht leicht den Inhalt dieser poetischen Geschichte widerzugeben.

Der Klappentext beziehungsweise, die Buchbeschreibung hilft da ein wenig weiter und verrät, was man beim Lesen übersehen könnte.

„Loribeth ist auf der Flucht. In ihren Koffer ein erschlagenes Kind. Eine Wahrsagerin hilft ihr weiter: Sie muß den Koffer samt Kind zu ihren verschollenen Vater bringen, um erwachsen zu werden. Auf ihrer phantastischen Reise überquert sie Städte, Wüsten und Meere und verliebt sich in alle Wesen, die ihr etwas Eßbares anbieten. Doch unerwartete Begegnungen, Katstrophen und eine erschreckend lebendige Kofferleiche zwingen sie stets weiterzuziehen, bis der Koffer seinen Bestimmungsort findet und Loribeths Blick sich verändert: Das Magische geht ins Reale über. Das langersehnte Leben im Kreis der auserwählten Freunde ist öd, nichts passiert. Um ein wenig Magie zurückzuholen wird gefeiert. Doch Loribeth kann nicht aufhören zu fragen: soll das nun alles sein“

Mir war es, wie schon angedeutet, zu wenig real, weil mir die schöne Sprache vieleicht zu wenig ist und ich mit dem Magischen wahrscheinlich auch nicht allzuviel anfange.

Trotzdem habe ich einen interessanten Verlag und eine interessante Autorin kennengelernt und weiß jetzt vielleicht ein wenig besser, was in den Schweizer Literaturinstituten passiert und welche interessante literarische Stimmenn, die Schweizer Literatur zu bieten hat und bin auch gespannt bei den inoffiziellen und offiziellen Bloggern, sowie den anderen Literaturkritikern zu lesen, was sie zu den Buch sagen und, wie es ihm bei der Preisvergabe gehen wird?

In der österreichischen Jungautorenszene kenne ich mich ja ein wenig aus, weiß, daß es da auch einige magische Stimmen gibt, die ich beispielsweise erst letzte Woche bei den Ö-Tönen hörte, bei den Schweizern bin ich ein wenig unbedarfter.

Also habe ich der Jury für die spannende Auswahl zu danken und hoffe doch ein bißchen, daß es auch realistischer wird, denn ich bin ja ein Handlungstyp, an den gesellschaftlichen Entwicklungen und Problemen interessiert und nur die tiefenpsychologischen Entwicklungsstufen des Erwachsenwerdens sind mir  zu wenig und die Psychologin hängt vielleicht doch noch ein bißchen daran, wie man Kinder nicht mögen kann, daß man sie töten muß und in einen Koffer sperrt, obwohl sie schon weiß, daß es ein bißchen anders zu verstehen ist und Michelle Steinbeck eigentlich sehr mutig ist, das so offen zu verbalisieren.

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