Literaturgefluester

2017-04-07

In jedem Augenblick des Lebens

Filed under: Bücher — jancak @ 17:38
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Das Memoir über den Tod seiner Frau, die nach einem Kaiserschnitt an Leukämie gestorben ist, des schwedischen Dichters Tom Malmquist hat mir „Klett-Cotta“ zur Verfügung gestellt und ich habe es, bevor ich es gelesen habe,  schon in großer Auflage bei „Thalia“ liegen sehen.

Ist es doch ein Buch mit einem interessanten Thema, das viele Leute interessieren könnte und Tom Malmquist hat sich damit, wie man im Klappentext lesen kann, durch seine Trauer geschrieben, als er mit der kleinen Livia zu Hause war undseine Vaterschaft gerichtlich einklagen mußte.

Ein Buch das daher schon viele Rezensionen bei „Amazon“ hat, die von ein bis fünf Sterne gehen und auch einiges zu bemängeln haben, daß es keine Ausrufungszeichen hat und man daher nicht sofort erkennen kann, wer hier spricht, beispielsweise oder auch, daß es sich teilweise wie ein medizinischer Bericht liest und keine Gefühle zu erkennen sind.

Die fehlenden Ausrufungszeichen haben mich auch ein bißchen irritiert und ich hatte Anfangs  Schwierigkeiten mich bei den vielen Vornamen, die genannt wurden, auszukennen, wer jetzt wer ist?

Die Gefühle habe ich mir vorstellen können, beziehungsweise denke ich, daß es einem, wenn man plötzlich mit einem Baby alleine ist, von der Neonatologie in die Intensivstation hetzt und dann noch seinen Vater an Krebs verliert genau so ist und alles geht ja die Öffentlichkeit auch nicht an und ich habe sogar die Art wie Tom Malmquist die Zeit in dem Krankenhaus beschreibt und wie er  sich mit Distanz gegen den medizinischen Apparat in den er da hineingeraten ist, wo jeden Augenblick, die Tür zu den einfachen Familienzimmern aufgerissen werden, jemand hereinkommen und „Hallo, ich bin John Perrson, Oberarzt in der CIVA und zuständig für Karins Zeit hier“ sagen kann, wehrt.

Die Patienten werden in Schweden offenbar mit Vornamen angesprochen, alles ist licht und modern und Karin mit der Tom seit zehn Jahren zusammen ist, hat eineinhalb Monate vor dem Geburtstermin offenbarAtemprobleme und mußte ins Krankenhaus. Dort wird eine Myeloische Leukämie festgestellt, das Baby mit Kaiserschnitt herausgeholt und Tom rennt von der einen in die andere Abteilung, kämpft mit den Krankenschwestern, weil er unbedingt die Decken austauschen und mitbringen will, um Karin den Geruch Livias und der, den der Mama zu übermitteln.

Er kämpft auch mit den Angehörigen und darum, daß er als erster von den Ärzten die Informationen bekommt, die er dann an Sven und Lillemor, Karins Eltern, weitergibt, weil die das offenbar so haben wollte. Auch das wird bei „Amazon“ bekritelt, daß den Eltern den Zutritt zur sterbenden Tochter verwehrt.

Im ersten Teil wird das geschildert und man bekommt einen guten Einblick von der modernen Medizinallmacht, wo man warten muß „bis Karin installiert ist“ bevor Tom an ihr Krankenbett darf und dann kommen auch noch die Genetiker und Psychologen, die reden und Informationen austauschen wollen und manchmal kommen sie im falschen Moment, weil Tom mit der kleinen Likva schon wieder an einem Krankenbett sitzt und jetzt seinem Vater beim Sterben zuschaut. Aber ich greife vor.

Im zweiten Teil ist Tom mit Liva zu Hause und bekommt, seltsam könnte man denken, aber vielliecht ist das in Schweden so oder auch wieder Tom Malmquist Schreibstil sich gegen die Behörden zu wehren, einen Brief vom Jugendamt, daß er die Vermögensverhältnisse des „Kindes weiblich, Unbekannt Lagerlöff deklarieren soll“.

Seltsam, denn eigentlich sollte es ja um das Sorgerecht gehen, war Tom doch nicht mit Karin verheiratet. Aber als er am Jugendamt anruft, wird er ans Finanzamt verwiesen und die Vaterschaft muß er auch einklagen, beziehungsweise muß das das Gericht für die Tochter tun.

Dazwischen reflektiert er seine Beziehung zu Karin mit der er zehn Jahre zusammen war. Sie war Literaturkritikerin und hat auch geschrieben, Tochter eines Psychoanalytikers und einer Lehrerin und im nächsten Teil ist Livia vier Monate, die Vaterschaft ist noch nicht ganz erstritten, aber Tom sitzt schon wieder in einem Intensivzimmer einer Palliativstation, eine Krankenschwester kommt herein und erklärt, bevor er in sein Zimmer darf, den Zustand seines des krebskranken Vater.s

Der war Sportreporter, hat einen großen Skandal aufgedeckt, hat auch zuviel getrunken und seiner Frau im Haushalt und in der Kindererziehung offenbar alles überlassen.

Auch das wird reflektiert und dann kann Livia schon „Papa!“ sagen und krabbeln, muß in die KITA und auch da kommen die Erzieher und stecken dem Papa Formulare in die Hand, wo er die nächsten Angehörigen, das sind die beiden Großmütter angeben muß und Reservewäsche für den Regen in die Spind legen.

Dann geht er hinaus, darf der kleinen Livia am Arm der Erzieherin nachwinken, die zuerst keine Ahnung zu haben scheint, wie man das tut, dann aber „unterm Kirschbaum steht und winkt“

Man kann und es wurde schon, darüber dieskutieren, ob man Bücher über seinen Krebs, seine bipolare Störung etcetera schreiben darf und soll, ob sie wichtig oder eine Zumutung sind und den anderen belästigen?

Es ist aber sicher interessant, daß sie meistens, wenn sie von einem bekannten Autor stammen, in großen Auflagen erscheinen.

Wie bekannt der 1978 geborene Dichter, Musiker und Songwriter in Schweden ist, habe ich keine Ahnung. Mir war sein Name jedenfalls völlig unbekannt.

„In jeden Augenblick unseres Leben“ ist sein erster Roman, entnehme ich dem Klappentext, ergänze wieder etwas oberlehrerhaft, daß es eher ein Memoir ist, daß mich die angeblich fehlenden Gefühle nicht gestört haben, mir die Distanz mit denen er den medizinischen und den Sozialapparat Schwedens beschreibt, gut gefallen hat und man natürlich darüber diskutieren kann, wie authentisch, geschönt, überarbeitet, etcetera, die dreihundert Seiten jetzt sind. Gehe aber davon aus, daß es wichtig für den Autor war, über diese Erfahrungen seines Lebens zu schreiben und es ist sicherlich auch sehr interessant darüber zu lesen, obwohl, da das Kindbettfieber jetzt ja überwunden ist,  es zum Glück inzwischen nicht mehr so oft  passiert, daß man seine Frau bei der Geburt eines Kindes verliert, während es viel wahrscheinlicher ist seinen krebskranken Vater oder Mutter durch die letzten Tage zu begleiten.

2015-10-15

Schwarze Liebe, Schwarzes Meer

Filed under: Bücher — jancak @ 00:01
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Daß man die literischen Genres nicht vermischen darf, weil die Leser keine Bücher wollen, wo sich ein Krimi, als Liebesroman erweist oder umgekehrt, lernt man, glaube ich, in den Schreibseminaren und auch, daß man diese Regeln durchaus mal brechen darf und so hat sich der 1946 in Konya geborene Zülfü Livaneli, einer, wie im Klappentext steht, der bekanntesten Künstler, Sänger, Filmer der Türkei, in seinem neuen, mir freundlicherweise von „Klett-Cotta“ zur Verfügung gestellten Roman „Schwarze Liebe, Schwarzes Meer“ nicht daran gehalten, aber wahrscheinlich hat er gar keine Schreibseminare besucht und Schreibratgeber gelesen.

Ich bin ja auch eine, die sich für Neues und für Regelbrecher interessiert und so habe ich den stillen Roman mit dem Genremix sehr genoßen, obwohl nicht wirklich viel Neues in ihm zu lesen ist und man manches vielleicht auch als  kitischig interpretieren könnte.

Aber trotzdem interessiert mich ein in der heutigen Türkei spielender Roman, ich habe noch nicht sehr viele davon gegelesen und Feridun Zaimoglus „Siebentürmeviertel“ kann man wohl nicht wirklich echt türkisch benennen, sein Roman spielt auch in der Vergangenheit und die Beziehung zwischen einem jungen Mädchen und einem hier als alt, obwohl er erst Ende fünfzig ist, beschriebenen Mannes, klingt auch sehr interessant.

Zwei Beschreibungen, eine für den Krimi, eine für die Liebesgeschichte, kommt auch noch dazu. Verlag oder Autor machen es wirklich spannend, so daß ich lange nicht wirklich wußte, lese ich jetzt einen Krimi oder einen Liebesroman?

Wahrscheinlich beides oder auch nichts davon, sondern die Erzählungen des fast siebzigjährigen Autors, der sich  irgendwie mit der Scheherazade aus „Tausend und einer Nacht“ zu vergleichen scheint und raffiniert aufgebaut, sind diese Verwirrungen und Fallstricke auch.

Es geht in ein kleines Dörfchen bei Istanbul, am schwarzen Meer gelegen, wohin sich die reichen Istanbuler am Wochenende oder in den Ferien zurückziehhen.

Dort wohnt Ahmed, ein Ingenieur und Rentner, obwohl er erst Ende fünfzig ist und irgendwie ein seltsamer Mensch. Er geht wenig aus dem Haus, hat darin jede Menge Bücher und seinen Zimmer auch den Namen der jeweiligen Genres zugeteilt. So gibt es ein „Liebeszimmer, Eifersuchtszimmer, etcetera.

Das stimmt nun auch nicht ganz, denn er geht doch hinaus, einerseits mit seinem Hund Kerberus ans Meer spazieren, aber auch auf die Party von Arzu Kahraman, einer jungen Frau, die mit einem älteren Künstler verheiratet ist.

Dort zieht er sich bald in den Oberstock und zu Büchern zurück und am nächsten Morgen erfährt er von seiner Putzfrau, sie wurde ermordet.

Dann klopft die junge Journalistin Pelin Soysal, aus Istanbul, bei ihm an, die für ihre Zeitung über den Mord recherchieren will und er erzählt er,  wie einst Schererazade zwar nicht in tausend Nächten, aber in einigen, die Geschichte seines Zwillingsbruders Mehmet, der in seinem Leben keine Liebe finden konnte und nun einsam herum zu irren scheint.

Mit der Liebe von Ahmet scheint es auch ein wenig seltsam zu sein. Denn er verträgt keine Berühungen, hat im Keller aber einen Umarmungsapparat stehen, der offenbar für die Therapie von Auisten verwendet wird,  den er für sich selbst gebraucht.

Die beiden Brüder haben ihre Eltern sehr früh durch einen Autounfall verloren, sind bei den Großeltern aufgewachsen, Ingenieure geworden und nach Weißrußland gegangen.

Dort verliebte sich Mehmet in die schöne Olga, da sie kein Englisch und er kein Russisch spricht, brauchen sie zur Verständigung, die Dolmetscherin Ludmilla, was auch ein wenig seltsam ist und zu spannenden Geschichten anregen kann.

Mehmet will Olga zuliebe sogar konvertieren, sie nach Istanbul mitnehmen, aber zuerst fliegen sie nach Sotschi, die Brüder, Olga und die Dolmetscherin. Sie kommen aber nicht soweit, denn vorher wird Mehmet verhaftet, in ein Loch geworfen und harrt dort eineinhalb Jahre aus, bis ihm der Bart und die Haare bis an den Bauch reichen, ist das wirklich realistisch und sich die Verwechslung aufklärt?

Er wurde für einen tschetschenischen Terroristen gehalten und dann vergessen, nach einenhalb Jahren kommt er nach Weißrußland zurück und findet Olga, sowohl im Wahnsinn, als auch in den Armen einer anderen wieder, so daß er fortan herumirrt oder selber wahnsinnig wird.

Dazwischen die Krimigeschichte, die eigentlich keine wirkliche ist, obwohl die bulgarische Kinderfrau des Mordes verdächtigt wird und am Schluß gibt es noch einen Liebestod, sowie eine überraschende Wende, man sieht Zülfü Livaneli versteht zu plotten.

Briefe an den Staatsanwalt und die weisen oder auch listigen Sätze des Autors, beziehungsweise des Protagonisten „Vergessen Sie nicht, daß auch mein Bruder und ich nichts weiter als eine Geschichte sind!“

Wahrscheinlich genau das Buch, das man den berühmten Schwiegermüttern zu Weihnachten unterm Christbaum legen kann. Meiner würde es, glaube ich, gefallen.

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