Literaturgefluester

2016-06-28

Jeder stirbt für sich allein

Filed under: Bücher — jancak @ 00:05
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Von Rudolf Ditzen, respektive Hans Fallada, 1893-1947, habe ich schon einiges gelesen, beziehungsweise in den Schränken gefunden.

Das erste war „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“, das habe ich wie „Bauern, Bonzen und Bomben“ eher langatmig und schwer zu verstehen, gefunden.

Von „Kleiner Mann, was nun?“, das jetzt von „Aufbau“ wieder aufgelegt wurde, habe ich sogar die „Rororo-TB-Ausgabe Nr 1, von 1950 und dann habe ich Anfang des Jahres noch eine Liebesgeschichte von ihm gelesen, die habe ich nicht gefunden, sondern in einer der nicht mehr bestehenden Buchhandlungen auf der Wiederner Hauptstraße, um zwei oder drei Euro gekauft.

„Jeder stirbt für sich allein“, kurz nach dem Krieg geschrieben und vom späteren DDR-Kulturminister Johannes R. Becher in Auftrag gegeben, wurde vor kurzem, zum ersten Mal vollständig von „Aufbau“ wieder aufgelegt und ein großer Erfolg geworden.

Jetzt ist es zu mir gekommen und ich kann nur bestätigen, es ist der beste Fallada, den ich gelesen habe.

Lang ist es auch, siebenhundert Seiten, einige davon sind aber Anhang, aber flotter und packender geschrieben, als das, was ich bisher von ihm gelesen habe und es geht um ein brisantes Thema.

Johannes R. Becher soll ihm die Unterlagen eines wahren Falles gebracht und den Widerstandsroman in Auftrag gegeben haben, wogegen sich Fallada erst einmal wehrte.

Ein Ehepaar  Hampel, beide um die fünfzig, eine Berliner Arbeiterfamilie, die Postkarten gegen Hitler schrieben, in Häuser legten und dafür hingerichtet wurden, hat es gegeben. Fallada machte einen spannenden Roman daraus, in dem es auch noch einige Seitenstränge gibt, die eigene Geschichten sind.

Ob sich das Ganze wirklich so zugetragen hat, weiß ich nicht. Fallada schreibt im Vorwort, daß er sich gar nicht sosehr mit den realen Fakten, um besser erfinden zu können, beschäftigt hat und er hat erfunden, beziehungsweise geschrieben und es wirkt auch so, als hätte es ihm Spaß gemacht.

Da trägt die Briefträgerin, Eva Kluge, 1940, als Frankreich gerade kapitulierte, Post in das Haus Jabloskistraße 55, in dem oben am Dach eine alte Jüdin, dann ein frühpensionierter Gerichtsrat, eine Nazifamilie und das Ehepaar Quangel wohnt, beide Arbeiter, er bei der Arbeitsfront, sie bei der NS-Frauenschaft, der einzige Sohn im Feld und auch das nicht mehr, denn Eva Kluge bringt die Todesnachricht.

Ein Schlag für die Mutter, der darauf ein zorniges „Du mit deinen Führer!“, zu Otto Quangel, einem Möbeltischler, entfährt.

Das ist die Wende beziehungsweise der Auftakt, denn Otto Quangel fängt zuerst zu denken und dann zu schreiben an.

Die Frau, des wortkargen Mannes unterstützt ihn dabei und bevor sie das tun, entledigen sich beide ihrer NS-Positionen.

Eva Kluge tut das auch, tritt aus der Partei aus und flüchtet aufs Land, denn sie hat einen widerlichen Ehemann, den Enno Kluge und einen Sohn, der ihr bei der SS Schande machte und das ist schon die Nebengeschichte.

Denn da geht es auch, um zwei kleine Gauner, den Spitzel Backhausen und den arbeitsscheuen Enno, der aber ein Pechvogel ist, denn er ist ausgerechnet beim Arzt, um sich wieder einmal krank schreiben zu lassen, als dort eine dieser Karten „Mutter, Hitler hat dir deinen Sohn ermordet!“, eingeworfen wird und die Sprechstundenhilfe ist ohnehin spitz auf ihn, holt die Polizei und verdächtigt ihn.

Kommissar Escherich, ein alter Hase, erkennt zwar sofort den Irrtum, ist aber selber in Bedrängnis, denn sein Gestapo-Vorgesetzter macht großen Druck und will sich nicht seiner Polizeiarbeit, mit Fähnchen, die Standorte, wo die Karte gefunden werden, denn das Berlin zwischen 1940und 1942 ist so verängstigt und jeder etwas zu verbergen, daß fast alle Karten sofort abgeliefert werden,  zu markieren und so den Täter einzukreisen.

Er braucht einen schnellen Erfolg, so zwingt er den feigen Enno zu einer Unterschrift und treibt ihn schließlich in den Selbstmord. Diese Stelle gefällt mir weniger, aber sonst glaube ich, daß Fallada ein ausgezeichnetes Bild über das Leben der kleinen Leute in den Berlin, wo alle „Heil, Hitler!“, sagen mußten und es keinen Widerstand gegeben durfte, gelungen ist.

Es gibt den Widerstand doch, er ist aber leise und leider unwirksam und die Gestapo ist roh und verkommen, die Söhne bringen ihre Väter in die Psychiatrie und lassen sie niederspritzen und jeder beraubt und bespitzelt jeden.

Die Quangels haben aber zwei Jahre Glück und können ihre Karten ziemlich unbemerkt niederlegen, bis ihnen Fehler passieren und der Kommissar dank seiner Fähnchen entdeckt, daß der Täter in der Jablonskistraße wohnen muß.

So werden Otto und Anna verhaftet, Trudel Herweg, die frühere Braut des gefallenen Ottos, eine aufrechte Arbeiterin wird auch noch in den Fall verwickelt, sie erwischt den Fastschwiegervater beim Karten auslegen und ihr nunmehriger Ehemann wird auch noch mit einem Koffer eines ehemaligen Widerstandkämpfers entdeckt.

Lange wird dann noch die Zeit im Gefängnis, die Verhöre, bis zum Urteil, beschrieben.

Fallada ist wahrscheinlich ein eher umständlicher Schreiber, hat aber selber angemerkt, daß ihm damit sein bestes oder wieder ein gutes Buch gelungen ist, das ich zum Lesen sehr empfehlen kann, denn man bekommt ein ausgezeichnet Bild darüber, wie es damals gewesen war, so daß man besser versteht, warum das alles geschehen konnte und sich keiner wehrte.

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