Literaturgefluester

2022-11-28

Die eigene Stimme erheben?

„Texte.Teilen“, heißt die „Alte Schmiede-Veranstaltung“, wo sich Mieze Medusa viermal im Jahr drei Autorinnen aussuchen und ihre Bücher und Texte vorstellen kann.

Da gibt es dann immer ein Thema, das heutige war offenbar „Wo Heimat ist?“ und drehte sich, um die Mehrsprachigkeit und die eingeladenen Autorinnen waren Evelyn Steinthaler, Zdenka Becker und Precious Chiebonam Nnebedum und Mieze Medusa präsentierte zwei Romane und einen Lyrikband.

Begonnen hat es mit der 1971 geborenen Evelyn Steinthaler, die schon einige Sachbücher zur Zeitgeschichte geschrieben hat. Diesmal war es ein Roman über die kärntner-slowenische Zeitzeugin Katja Sturm-Schnabl und es hätte eine Biografie werden sollen.

„Bahoe books“ hat einen Roman daraus gemacht. Eh klar, die Verlage schreiben auf alles „Roman“ darauf, weil es sich angeblich besser verkaufen läßt und die 1936 geborene Sprachwissenschaftlerin und Literaturhistorikerin Katja Sturm-Schnabl hat den „Anschluß“, die Deportation in Zwangslager als kleines Mädchen und später wahrscheinlich den Orttafelstreit erlebt.

Vom Ersten hat Evelyn Steinthaler gelesen, im Anschluß erhob sich eine Dame, stellte sich als Katja Sturm-Schnabl vor und betonte, daß sie mit dem Roman nicht einverstanden sei, weil sie eine Biografie haben wollte.

Ein brissantes Thema und eine angespannte Stimmung, die Mieze Medusa aufzulösen versuchte, in dem sie sich freute, die Romanheldin kennen zu lernen und ich dachte wieder „Spannend, spannend, was ist ein Roman und was ist eine Biografie?

Bei den Buchmessen habe ich gelernt, daß das autofiktionale Schreiben momentan sehr in ist. Annie Ernaux, die heurige „Nobelpreis-Trägerin“ tut es, aber auch viel andere und Hera Lind, die sowohl auf der Online Autorenmesse als auch auf der „Buch-Wien“ auftetreten ist, schreibt schon seit Jahren „wahre Geschichten“, meistens Kriegsschicksale und Zeitzeugenberichte, die dann in großen Verlagen erscheinen.

Da ist wahrscheinlich alles rechtlich abgesichert, wie weit man auf das Buch Einfluß nehmen kann? Anni Bürkl hat, bevor sie Krimis schrieb, sich als Ghostwriter betätigt, was sehr teuer war.

Da kann man wahrscheinlich sagen, wie man es will und ich denke ein Buch, wo der echte Name steht, ist wahrscheinlich ein autofiktionaler Roman, während im echten, die Namen ja verfremdet sind und vorne das Sätzchen steht „Die Handlung und die Personen sind erfunden“, um sich rechtlich abzusichern, worüber dann manchmal alle lachen.

Wenn es sich um eine Biografie handelt, sollte man sich wahrscheinlich vertraglich absichern, daß man Korrektur lesen und Einspruch erheben kann und eine Autofiktion liest sich wahrscheinlich leichter und ist spannender, als eine Biografie, wo vielleicht nur die Fakten aufgereiht sind.

Ein Thema über das sich diskutieren läßt. Das war aber wahrscheinlich nicht Sinn der Veranstaltung und nochmals spannend, daß die 1951 in Eger geborene und in Bratislava aufgewachsene Zdenka Beckera, die in den Siebzigerjahren nach Österreich kam und jetzt in St. Pölten lebt, nach dem Tod ihrer Schwiegereltern einen Koffer voller Briefe aus der Kriegszeit gefunden hat und einen Roman darüber schreiben wollte.

Ein ähnliches Thema, reale Briefe und eine erfundene Geschichte, denn unsere Schwiegerväter haben wohl alle das Problem, daß sie in den Krieg geschickt wurden und dann die Frage beantworten mußten, wie weit sie mitschuldig waren?

Das Schweigen bis in die Achtzigerjahren war die Folge und da denke ich, daß man Briefe und Tagebücher, die man nach seinem Tod nicht gelesen oder veröffentlicht haben will, wohl verbrennen sollte, damit das nicht passiert.

Zdenka Becker hat einen Karl und eine Hilde zu ihren Romanfiguren gemacht. Der Karl ist dement und kennt seine Frau und seine Kinder nicht mehr und da liest ihm die Hilde wohl die Briefe vor, die am Dachboden lagen.

Dann kam ein Sprung in die Jetztzeit und zum spoken word, denn die dritte Autorin, kommt aus Nigeria, hat 2020 den „Exil-Preis“ gewonnen und hätte schon bei Mieze Medusas Slamfestival auftreten sollen, da war sie aber im Ausland.

Jetzt ist ihr erster Gedichtband herausgekommen und da ist wieder interessant, daß sie die englischen Texte aus Zeitgründen von ihren Freundinnen übersetzen ließ, obwohl sie sie auch auf Deutsch schreiben oder selber übersetzen hätte können.

Eine interessante Spannbreite und und da ist auch spannend, daß Shelly Kupferberg in ihren Vertrag „Erzählendes Sachbuch“ stehen hat und Ferenc Barnas, den ich auf der „Buch-Wien hörte“, eine Familiengeschichte mit politischer Verbindung geschrieben hat.

Die eigene Stimme erheben, ein Ausdruck, den Precious Chiebonam Nnebedum verwendet hat, kann, wie die Veranstaltung zeigte, in verschiedenen Formen, als Biografie, Autobiografie, mit und ohne Ghostwriter geschrieben, ausgedrückt werden und ist etwas, was ich auch immer versuche und meine Schwierigkeiten damit habe.

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