Literaturgefluester

2020-06-05

Der Tag als meine Frau einen Mann fand

Filed under: Bücher — jancak @ 00:31
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Wieder ein Buch von meiner Backlistleseliste, ein Buch aus dem Bücherschrank, nämlich Sibylle Bergs „Der Tag an dem meine Frau einen Mann fand“, 2015 erschienen und nicht auf der dBp stehend, aber wieder einmal Skurrilität der letzten Schweizer Buchpreisträgerin, deren „GRM:Brainfuck“ ja eine starke Dystopie war und spannend, daß wir jetzt ja, wenn auch in einer anderen Weise inzwischen in einer solchen leben, allerdings noch nicht so ganz gechipt sind.

Von der 1962 in Weimar geborenen und in Zürich lebenden Autorin, die ich letzten Winter, sowohl in Wien als auch in Basel erlebte, habe ich das erste Mal etwas gehört, als ich den Schreibratgeber las, den ich einmal über die Cornelia von Goethe-Akademie bekommen habe.

Da wurde ihr „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ sehr gelobt und ich habe mir ihren Namen wahrscheinlich schon wegen des skurrilen Titels gemerkt.

Dann habe ich im Schrank ihr Kolumnenbuch „Gold“gefunden, als ich „Paul und Paula“ geschrieben habe, hat mir Klaus Khittl „Vielen Dank für das Leben“ geborgt, von dem er sehr begeisgtert war und richtig, 2009 als ich ja auf der Jagd nach dem Buchpreisbüchlein war, ist sie mit „Ein Mann schläft“ auf der deutschen Longlist gestanden.

Das Buch habe ich noch nicht gelesen, wohl aber „GMR“, das wie schon beschrieben sehr steil und übertrieben ist und „Der Tag als meine Frau einen Mann fand“ kann ich gleich anfügen, ist es auch und es ist wohl typisch Sibyille Berg, die ich ja schon in Leipzig daraus lesen hörte, die wohl wirklich eine außergewöhnliche spitze Schreiberin ist, daß man während des Lesens ständig hin und herschwankt, denn einiges an dieser Midlifegeschichte ist sehr berührend und total nachvollziebar, anderes wieder so abgehoben, daß man nur den Kopf schütteln kann, aber das ist ja angeblich das, was die Leser haben wollen und für Literatur halten.

Es geht um ein Paar, Intellektuelle, Mittelschicht, so zwischen vierzig und fünzig, er mittelmäßiger Regissuer, sie Ehefrau aber auch in einem Antiquariat tätig, Rasmus und Chloe, zwanzig Jahre verheiratet und wie das so ist, total auseinandergelebt.

Das Buch ist in kurze Kapitel aufgeteilt, die alle fast Geschichten als Titel haben, wie „Rasmus entfernt Körperflüßigkeit aus seiner klösterlich kargen Wohnung“ oder „Ein Jahr später—- Cloe liegt schlaflos“.

Man sieht also aus zwei Perspektiven erzählt und es beginnt irgendwo in einem Entwickungsland, der Name wird nicht genannt, es könnte aber vielleicht Thailand sein, weil es in dem Buch ja um viel Sex und auch um einen Massagesalon geht.

Rasmus, der einmal ein begnadeter Regisseur werden hätte können, die Kurve aber nicht gekratzt hat, daher in eher mittelmäßigen Theatern tätig ist, ist mit Chloe dorthin gezogen, um mit Jugendlichen ein Theaterprojekt aufzuziehen. Diese stelle finde ich grandios und kann sie, die ich ja auch unterrichtet habe, gut nachvollziehen. Er will mit den Jugendlichen diskutieren, ihnen Kapitalismuskritik beibringen und sie wollen nur Bier trinken.

Er geht dann mit Chloe in einen Massagesalon, dort rauchen sie etwas und Chloe verliebt sich unsterblich in den Masseur mit den roten Haaren. Das Paar fliegt wieder in ihre Eigentumswohnung nach Deutschland zurück, die eigentlich Rasmus Mutter, einer feministischen Finnin gehört, Chloe holt Benny, das ist ihre Liebe und außerdem ein rumänischer oder bulgarischer Roma nach, legt ihn sozusagen in Rasmus Ehebett. Es gibt dann auch wilde Sadomaso-Orgien, Rasmus Mutter taucht auf und spielt zuerst mit, dann verkauft sie die Wohnung, um nach Rumänien zuziehen, Rasmus erlebt einen Herzinfakt und am Ende reist Benny wieder ab und das Paar findet sich für die nächste Runde ihres Lebens in einer kleinenren Wohnung ein.

Midlekrisis einmal total rasant erzählt, das ist wohl Sibylle Bergs Stärke, mir war manches zu stark. Manches konnte ich, wie geschrieben gut nachvollziehen und irgendwie auch auf mein Leben anwenden, obwohl ich ja mit den Sexorigien nicht so mitbieten kann und habe inzwischen noch ein Berg Buch, nämlich „Ende gut“, 2004 erschienen, gefunden. Mal sehen, wann ich es lesen werde.

2018-05-11

Fische

Nun kommt das Debut einer amerikanischen Twitterin Melissa Broder „Fische“, bei „Ullstein“ erschienen, das ein Kultbuch werden könnte und von dem ich nicht recht weiß, ob es mir gefallen hat oder ob ich den sehr packend geschriebenen Roman nicht für Erotik-Kitsch halten soll?

Es geht um Liebe und Einsamkeit, lese ich in der Beschreibung, um die Liebessucht der Frauen an die vierzig und ihre Beziehungslosigkeit und das Ganze sehr flott dahin geschrieben, könnte auch eine Parodie auf die amerikanische Frau vor der Midlifekrise sein.

Es gibt einige Stellen, die mich durchaus in Bahn zogen, die, wie Lucy zum Beispiel in Veenice Einkaufen und zum Friseur geht, um sich auf ihre Dates vorzubereiten und auch die, wo sie in dem teuren Dessoushop angefeuert von der Verkäuferin und einer Freundin, die Reizwäsche für den Sex, der später in einer Hoteltoilette stattfindet wird, ausprobiert.

Alles andere vor allem die Erotikszenen erscheinen mir der wahrscheinlich prüden Mittesechzigerin zu aufgesetzt und auch sonst scheint mir diese Achtunddreißigjährige ein wenig übertrieben.

Da ist also Lucy, sie ist achtunddreißig, wohnt in Phoenix in der Wünste und schreibt schon endlos lang an ihrer Dissertation über „Sappho“. Bekommt, was mich ein wenig verwundert hat, von der Universität auch ein Stipendidum dafür. Das heißt nicht mehr lang. Jetzt soll sie endlich einmal fertig werden und sie hat auch einen Freund namens Jamie, einen Geologen, von dem sie offenbar nicht recht weiß, ob sie ihn liebt.

Sie führt mit ihm jedenfalls eine sogenannte freie ungebundene Beziehung und als er, als sie ihm eine Trennung vorschlägt, unerwartet darauf eingeht und nicht widerspricht, dreht sie durch.

Sie besucht ihm und gibt ihm einen Faustschlag, macht einen Selbstmordversuch und wird dann von der Polizei auf der Autobahn in ihrem Auto im Nachthemd mitten von einem Berg von Donuts erwischt, was zu einer Zwangstherapie führt, damit sie nicht ins Gefängnis muß.

Die Schwester Annika, die in Los Angeles in einer Luxusvilla lebt und den Sommer in Europa verbringen will, bietet ihr an, in den Stadtteil Venice zu kommen, den Hund Dominic zu hüten und die Dissertation fertig zu schreiben. Sie tut das widerwillig, schleppt sich an die Promenade von Santa Monica, beobachtet neidisch die Liebespaare, schläft lustlos mit dem Hund auf ihren Knien und muß in die Zwangsgruppentherapie.

Dann gibt sie eine Kontaktannounce auf, will Sex auf der Straße oder so, lernt zwei Männer kennen, kleidet sich für sie, wie schon erwähnt, neu ein, schläft mit dem einen in der Hoteltoilette und ist enttäuscht von ihm und dann lernt sie und das ist das Höhepunkt des Buches auf einem Felsen, den Fischmann Theo kennen, der auch einiges, als sie jünger ist.

Das heißt, er sieht nur so aus, in Wahrheit ist er schon mindestens vierzig. Und das führt zu Komplikationen. sie schleppt ihn im Bollerwagen an Land. Der Hund Dominic ist eifersüchtig und fängt zu knurren an, so daß sie ihn betäuben muß. Am Schluß will sie reumütig zu Jamie zuirück, der bekommt aber von seiner Liebhaberin ein Kind, der Hund stirbt an der Überdosis der Beruhigungstabletten, die sie ihm gegeben hat. Theo dreht durch, als sie ihn verlassen will und so will sie mit ihm ins Meer gehen. Das geht aber nur als tote Frau, so daß sie es sich doch noch überlegt, den Fisch ziehen läßt und mit ihrem Koffer zu ihrer Schwester und ihrem Schwager zurückgeht und die Dissertation ist auch nicht fertig geworden. Das heißt schon, sie erscheint ihrem Doktorteam aber als zu narriativ und zu wenig wissenschaftlich und so ist in dem Buch eigentlich alles schiefgegangen, was nur schiefgehen kann, obwohl es ohne Zweifel sehr stark frech und rotzig geschrieben ist.

Aber mir der schon erwähnten eher prüden Mitsechzigerin wahrscheinlich etwas zu offensiv erotisch war und das mit dem Fischmann, die Methapher und die Metaphorik dahinter, hat, wie sie zugeben muß, die Psychologin auch nicht so ganz verstanden.

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