Literaturgefluester

2015-05-29

Literarischer Lenz in Centrope

So heißt ein Festival, das von der „Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur“ im „Theaterbrett“ in der Münzwardeingasse nun schon das siebente oder achte Mal veranstaltet wurde und das bisher mehr oder weniger an mir vorbeigegangen ist. Aber heuer ist alles anders, heuer habe ich in den letzten Monaten gleich mehrere Einladungen dazu bekommen und so bin ich Donnerstagabend hingegangen, denn ich interessiere mich ja für die Literatur jenseits des Horizonts und Stefan Teichgräber von der Dokumentationsstelle hat vor Jahren auch die Veranstaltungen der „Szene Margareten“ organisiert, mich nach dem Flop mit dem Herrn Winter und der Bezirksrätin Steininger von 2002, glaube ich, mit „Tauben füttern“ und Honorar  eingeladen und mir dann auch eine Zeitlang die Programme seiner Veranstaltungen geschickt, so daß ich durch ihm vor Jahren schon mit ukrainischen Autoren in Kontakt gekommen bin. Er hat auch zweimal oder so die „Goldene Margarete“ in der Pannaschgasse organisiert, das war ein Literaturwettbewerb, wo man lesen konnte, da standen auch sehr viele osteuropäische Autoren am Programm, die meistens nicht persönlich da waren, weil die Szene weder Fahrt noch Übernachtung zahlte.

An eine Polin kann ich mich aber erinnern, die mit der Übersetzung ihres Textes nicht einverstanden war, so hat sie ihn sehr lang nur auf Polnisch gelesen, bis die Leute murrten, weil sie nichts verstanden haben und als das Lesetheater durch Margareten gegangen ist, war die Dokumentationsstelle eine Station und Stefan Teichgräber hat sie uns vorgestellt. Nun also ein Literaturfestival das sehr liebevoll und mit wahrscheinlich kleinen Mittel organisiert wurde und abwechselnd Lesungen von österreichischen, slowakischen, tschechischen, ungarischen etc Autoren in Übersetzung bot. Der Direktor des Theaters, Ludvik Kavin, ich glaube, auch ein Tscheche hat eröffnet und dann begann Ursula Kovalyk, die in Kosice geboren wurde, in Bratislava lebt, Krankenschwester war und jetzt in einer sozialen Einrichtung mit Obdachlosen arbeitet, mit ihrem Text der „Die Kunst-oder Zirkusreiterin“ heißt. Es ist das vierte Buch, der 1969 Geborenen und handelt der Tochter einer Alleinerzieherin, die für sie einen Vater sucht. Dann kam Bettina Balaka, die gebürtige Salzburgerin, die ich 1996 für mich entdeckte, als ich in der Jury des Nachwuchsstipendiums war, dann hat sie bald den Alfred Geßweinpreis gewonnen, bei der von der Ruth organisierten Veranstaltung „Poesie und Brotberuf“ sind wir gemeinsam bei der Poldi aufgetreten. Ihren vorletzten Roman habe ich gelesen, jetzt ist wieder einer erschienen, der „Unter Menschen“ heißt und, das ist interessant, von einem Hund handelt. Von einem Migrantenhund, wie Bettina Balaka erwähnte, denn die meisten Hunde kommen aus dem Ausland. Der in dem Buch aus Ungarn und dorthin läuft er wieder hin, vorher ist er aber bei einem übergewichtigen Diabetikerin, der unter einer sehr oder vielleicht auch nur vermeintlicht unsympathisch Magistra, Bachelor oder wie die neuen Titel jetzt so alle heißen, die Sektionschefin im Innenministerium ist, lebt, die alle anzeigt, aber seltsamerweise wegen einer unangemessenen Anzeige dreihundert Euro Strafe bekommt. So ruft sie nicht bei der Polizei an, als der Hund unter ihr sechs Stunden bellt, weil der Diabetiker inzwischen einen Hypo hatte, sondern ruft erst die Feuerwehr, als es aus der Wohnung raucht, weil die Ravioli angebrannt sind, der Notarzt schimpft  mit ihr und der Hund wird von einem Polizisten aus dem Krankenwagen entfernt. Dann wurde es lyrisch, nämlich mit Katerina Rudcenkova aus Prag, die aus ihrem Gedichtband „Gang über die Dünen“ las und dann gab es eine kleine Pause, weil der Star des Abends, die 1932 in Budapest geborene Anna Jokai, die schon mit dem „Staats“- und dem „Kossuth-Preis“ ausgezeichnet wurde und spirituellen Realistin ist, noch nicht da war. So gab es schon vorher die Brötchen und die „Raffaello-Kugeln“, dann kam die alte Dame, beziehungsweise las Sebastian Reinfeld aus einem Roman, der wenn ich es richtig verstanden habe „Das hungrige Leben“ heißt und vom Untergang einer Familie handelte, ein anderer „Das Licht der Welt“ lag am Lesetisch und anschließend gab es ein Gespräch mit der Autorin, das gleich von zwei Übersetzern am Podium und noch einem Herrn im Publikum, der möglicherweise Geörgy Buda war oder ihm ähnlich gesehen hat, übersetzt wurde. Den Abschluß des Donnerstags bildete die 1971 in Salzburg geborene, jetzt in Berlin lebende Autorin Kathrin Röggla, mit der ich einem im Salzburger Literaturhaus bei dem von Christine Haidegger organisierten Symposium „Sichten und Vernichten“ gelesen habe und die dann auch schnell berühmt geworden ist „Wir schlafen nicht“, habe ich gelesen. Sie war auch einmal Jurorin beim „Fried-Preis“ und wurde von Angelika Reitzer zu  dem von ihr organisierten Symposium „Wie im echten Leben“ eingeladen. Jetzt hat sie einen wahrhaft fulminanten Text über die Globalisierung hingelegt. Eine Frau oder vielleicht ein Mann fährt mit einem Fahrer zum Flughafen und monologisiert  die ganze Zeit vor sich hin, ob sie sich am rechten Weg befindet. „Wie in Mumbay, wir sind aber nicht in Mumby, Hongkong, Taschkent,etc“. Der Text heißt „Die Tangente“ und wird im nächsten Jahr in einem Erzählband, bei „Fischer“ glaube ich, erscheinen. Er wurde auch übersetzt und anschließend ebenso sehr fulminant auf Tschechisch gelesen. Am Freitag gings weiter mit etwas weniger Publikum und Martin Reiner aus Brünn, 1964 geboren, dem es irgendwie wie mir, nur umgekehrt ergeht, die Großmutter eine echte Wienerin, meine kam aus der Tschechai, der Name Deutsch, meiner hat das hacek in der Geburtsurkunde und die Sprache ist, genauso wie beim Peter Henisch, dessen Großeltern auch Zuwanderer waren, verlorengegangen. Er hat sich mit dem Werk eines mir bisher unbekannten tschechischen Dichters namens Ivan Blatny beschäftigt, dessen großer Roman Ludvik Kavin, wie er in der Einleitung erwähnte, sehr gefallen hat. Leider ist er nicht auf Deutsch übersetzt und Ivan Blatny, entnehme ich „Wikipedia“1919 in Brünn geboren, 1990 in Colchester, England, gestorben und im Exil an Schizophrenie erkrankt, wie auch dem „Roman über den Dichter Blatny“ zu entnehmen war. Dann kam Melica Beslija, 1973 in Bonien Herzegowina geboren und in Sarajewo aufgewachsen, die in Wien vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Slawistik studierte und bei „Atelier“, den Roman „Sarajewo in der Geliebten“ herausgab. Sie las mit sehr viel Dramatik und Engagemeint einen Text der „Nationalismus“ hieß und der ihr, wie sie in der Einleitung betone, sehr wichtig war. Herausgekommen ist eine Gespenstergeschichte, der Nationalismus, als kopflose Gestalt, die in eine Wirtschaft eindringt und zwei Freunde zu entzweifen versucht. Leider hat sie Ludwik Kavin beim Lesen unterbrochen, so daß nicht klar wurde, odb es ihm gelungen ist?

Die Geschichte hat es aber, wie ich fürchte, bewiesen und war wahrscheinlich auch das, was Melica Besilija in Sarajevo erlebte, bevor sie nach Wien gekommen ist.

Antonio Fian las sechs seiner Dramolette, wo es um die Unmöglichkeit sich zu verstehen geht, darunter das, was man im Literaturmuseum nachhören kann, aber auch das wo Kanzler Gusenbauer in einer Hauptschule Nachhilfe gibt und die Kinder aufschreiben läßt, was an den Eurofightern gut ist, etc. Nach der Pause folgte Adga Pavi Pain aus Kosice, der in Bratislava lebt, einer der bedeutensten und umstrittensten Autoren, wie im Programm stand. Er schreibt unter verschiedenen Pseudonymen und Ludvik Kavin wunderte sich auch über seinen Namen, der so gar nicht slowakisch klingt. Der schwarz gekleidete schlanke Mann mit einer schwarzen Baseballkappe hatte eine Menge Bücher auf dem Büchertisch liegen, darunter eines aus der „Edition zwei“, die es, glaube ich, inzwischen nicht mehr gibt, aus dem „Wieser-Verlag“ und in seinem Text ging es um eine Disko, beziehungsweise um zwei DJs, die in einem Pionierhaus auflegen.

Dazu passte auch der letzte Text des Ungarn, Laszlo Darvasi aus Szeged, 1962 geboren, der krankheitshalber nicht gekommen war. So gab es nur die Übersetzung und da entschuldigte sich die junge Frau die gelesen hat, gleich für die vielen schlechten Wörter, die nun kommen werden. Ich dachte zuerst, sie meint ihre ungarische Aussprache, es waren aber die Worte „Scheiße“ gemeint, die oftmals vorkamen, denn es war auch ein sehr deftiger realistischer Text, von zwei Jungen, die offenbar in ein Hotel hochfuhren und die ganze Zeit übers Scheißen und daß man sich danach abwischen mußte redeten, dazwischen gab es einige Schlägereien und so ist vielleicht auch die Realität im heutigen Ungarn, Bulgarien oder Rumänien, wo es Straßenkinder und viele Probleme gibt und dann war das Festival schon fast vorbei.

Das heißt, es gab wieder freie Brötchen und Getränke, die man sich kaufen konnte.

Ludvik Kavin lud zur Diskussion ein und es war eine interessante Mischung zwischen österreichischer und ost-bzw. mitteleuropäischer Literatur, so daß ich mich schon auf das nächste Jahr und den nächsten literarischen Lenz freue und kann noch hinzufügen, daß ich schon einmal, ich glaube, es war 1998 oder 1999 zu einem runden Geburtstag von Rolf Schwendter im „Theaterbrett“ gelesen habe.

2 Kommentare »

  1. hallo, Eva, wollte dir Fotos von der Habringer-Lesung schicken, hab aber nur Fehlermeldung bekommen, hast du eine neue mailadr.?

    Kommentar von rudolf lasselsberger — 2015-05-29 @ 18:15 | Antworten

  2. Eigentlich nicht, jancak@wu-wien.ac.at, vielen Dank, freu mich auf die Fotos!

    Kommentar von jancak — 2015-05-29 @ 22:38 | Antworten


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