Literaturgefluester

2023-09-27

Begabte Bäume

Buch vier der Öst die ich ja heuer größtenteils vor der dBp lese, ist wahrscheinlich das künstlerisch anspruchsvolle Außerseiterbuch. Auf der Öst gibt es ja zum Gegensatz zum deutschen Buchpreis nicht nur Romane, sondern auch Essays, Lyrik, etcetera und heuer pünktlich oder besser etwas verspätet zum achtzigsten Geburtstag Bodo Hells „Begabte Bäume“ aus dem kleinen aber feinen „Droschl-Verlag“ und der im März 1943 in Salzburg geborene und in Wien bzw. auf einer Alm in Dachsteinnäche lebende Bodo Hell ist sicher ein Doyen der österreichichen experimentellen Gegenwartsliteratur. Ein Weggefährte Friederike Mayröckers könnte man so sagen, aktiv in der „Schule für Dichtung und der „Hochschule für Sprachkunst“, wo es, glaube ich, eigene Dachstein-Klassen gab.

Gelesen habe ich noch nichts von ihm, habe ihn aber, der sogar beim „Bachmann-Preis“ gewonnen hat, bei verschiedenen Veranstaltungen gesehen, der mit seinem Käppchen und seiner Maultrommel nicht zu übersehen ist und jetzt hinein in das „Baumalphabet“ zu dem Linda Wolfsgruber schöne Illustrationen geliefert hat.

So beginnt es mit dem „Ahorn“, mit dessen Saft man sich ja sein Müsli süßen und es als Zuckerersatz nützen kann. In Dachsteinähe gibt es wahrscheinlich einen Ahornkar und einen Ahornsee und da sind wir während wir uns mit Bodo Hell auf eine Bergtour machen, auch schon bei den Sagen über die er uns Auskunft gibt.

Dann gehts zum „Baum der Erkenntnis“ , der nach jüdischer Auffassung ein Weinstock war. Hier werden Adam und Eva und auch Noah zitiert, sowie aus der Bibel „Ich bin der Weinstock ihr seid die Reben“ und Mystikerinnen, wie Mechthild von Magdeburg, Teresa von Avila und die berühmte Hildegard von Bingen werden auch zitiert. Aber auch der griechische Gott Dionysos und der Winzer Ikarios haben sich mit dem Weinstock und den Reben beschäftigt, so daß man nur „Prost, wohl bekomms!“, sagen kann, bevor es mit der „Berberitze“ weitergeht, die sowohl für den usbekischen Pilaw als auch für iranische Reisgerichte verwendet wird.

Dann kommen wir schon zur „Birke“:, Hänge-Zwerg-Sumpf und niedrige schwarze vor allem aber weiße Birke“ und ein „Bretterzeilengedicht“ in der berühmten Hellschen Tonart gibt es auch:“ (der Wald) sehr warm kühl kalt, Sumpfwald, Jungwald, Gemeindewald, Hegewald“, etcetera, wo sich Hell in verschiedenen graphischen Ausformungen mit diesem Thema beschäftigt und dann kommen wir über die „Rotbuche“ für mich natürlich besonders interessant, zum „Von Bäumen zerissenen Corona“: „Donna Belladonna Madonna Primadonna Corona, die hl. Corona ist traditionell die fürs Geld und für den Lottogewinn zuständige Fürbittergestalt“, das haben wir in den Pandemiezeiten zwar anders serviert bekommen, es ist aber sicher heilsam mit der Hellschen Diktion in die Poesie abzugleiten.

Von der „Eibe“ und der „Eiche“ geht es dann zum Erzherzog Johann, der ja auch in der Dachsteinregion residierte und seine Nannerl heiratete, sicher auch ein wichtiger Punkt in der Naturbetrachtung und im historischen Geschehen.

Das (weibliche) „Hollerauge“ gibt es auch und da kommen wir ins Pielachtal und an die Traisen, wo ich ja fast zu Hause bin, beziehungsweise radfahre und dann zum Holz, zum Holzfällen, aber nicht zu Thomas Bernhard, sondern zu den Unfällen vor denen mn sich schützen muß, um nicht verletzt zu werden und dann natürlich zur „Holzverarbeitung“.

Dann beschäftigt Hell sich mit der „Huderpfanne Badewanne“ beziehungsweise mit der „Auerhahnbalz“, die Ende April in der Weststeiermark stattfindet und wir kommen schon zu einer anderen Weggefährtin, nämlich der 2016 verstorbenen Ilse Aichinger, die mit ihrem Mann Günther und Sohn Clemens und Tochter Miriam jahrelang in der Villa Cioppi-Puhr in Großmain lebte. Da gibt es den vier Seiten langen Text „In das Land Salzburg ziehen“ und andere Veröffentlichungen, die Hell zitiert und sicher lesenswert sind und dann kann man sich mit den Wortschöpfungen, die von der Natur zu der Kultur hinüberziehen bechäftigen: PFERDENATUR, AUSNAHMENATUR, FROSCHNATUR, etcetera bis zur REPARATUR, ABITUR, GARNITUR und von der SPRECHKULTUR zur REINKUTUR und UNKULTUR. Man sieht wie auch in früheren Texten Bode Hell ist ein wahrer Wortsammler und Sprachaktrobat.

Dann gehts zur „Kaiserbuche“ am „Haunsberg“, wo es den „Wilden Mann“ gab und zu den „Kastienrezepten“ von Hildegard von Bingen, die bis ins Tessins reichen.

Aber auch den „Waldkauz in Warteposition“ gibt es: „Schutz,Schmutz, Nichtsnutz, Aufputz, Liegestütz“ bis wir dann zur „Kiefer“ kommen.

Aber auch den „Kümmernis-Kommentar“ gibt es bei den K-Worten und das „Kümmernis-Lied“: „o hl. Frau Kümmernis wie schön gewandet stehtst du da/ samt deinen güldnen Schuhen/ die Hände flach ans Holz gespießt/ hast keine Zeit zum ruhen“, wird da gereimt.

Dann gehts über die „Lärche“ aus deren Holz es in der evangelischen Gemeinde Ramsau, einen „lärchernen Brunnentrog“ gibt, den schon Martin Luther gesehen hätte können, zur „Latsche“ durch die ich mich ja immer kämpfe, wenn ich mit dem Alfred auf den Göller gehe, die auch als Brennholz in diversen Hütten genützt wird und da gibt es Schilder, die die Wanderer bitten, das Holz hinaufzutragen: „BITT KNÜTT HÜTT“ steht da besipielsweise geschrieben, ob da vielleicht Ernst Jandl unterwegs war, will Bodo Hell wissen.

Die „Linde“ gibt es auch. Sprich Gerlinde, Herlinde, Sieglinde, aber auch die Linde Waber eine Künstlerin aus Zwettl, die glaube ich auch GAV-Mitglied ist und natürlich auch die, unter der Franz Schubert vielleicht einmal „Am Brunnen vor dem Tore“ komponierte. „Linde tröstet Schubert“ schreibt dazu Bodo Hell.

„Mammutbäume“ gibt es in Göttweig und im Innviertel den „Sauwald“. Da gibts die „Sauwald-Erdäpfel“, das „Inntönefestival“ und die „Sauwald-Bilder“.

Dann gehts zum „Tannenbaum“ wo sich Hell fragt, woher die „Blätter“ stammen, der auch ein „Vierundzwanzig Gräben-Räsel“ anzubieten hat.

Es gibt die „Ulme“ und das „Walcholder-Zweiglein“, die Weide“ und dann, bevor wir zum Zirbenschnaps und dessen Rezeptur kommen, natürlich den „Wienerwald“ beziehungsweise aus den „Geschichten“ daraus. Das Sozialdrama von Ödon von Horvath aus den Neunzehndreißigerjahren und sein Autor kann ich oder Bodo Hell noch anmerken, von einem Ast auf der Champ d`Elysse erschlagen wurde.

Und so sind wir durch durch das Alphabet der „Begabten Bäume“, ein interessantes Buch in dem man in der Hellschen schönen Sprache viel über die Natur und die wahrscheinlich ebenfalls begabten experimentellen Dichter und Dichterinnen dieses Landes erfährt.

Bin gespannt, ob es auf die Shortlist kommt. Wäre sicher zu empfehlen, den Doyen der experimentellen Gegenwartliteratur ein bißchen in den Mainstream zu bringen.

2023-09-26

Wovon wir leben

Jetzt kommt schon Buch drei der österreichischen Longlist, wobei das schon etwas übertrieben ist, denn ich bin zu meinen neunten deutschen Buchpreislesen, da wir ja bis Ende August in Frankreich war, nicht gekommen. Auch da drei Bücher schon vorher gelesen und seither nur den Olah begonnen, denn es waren noch ein paar andere Bücher zu lesen und die österreichische Longlist wurde schon ein paar Tage später bekanntgegeben und diese Bücher früher als die deutschen auf der Netgalley, wo man ja die Bücher im PDF haben kann, zu bekommen.

Also diesmal etwas anderes, diesmal zuerst die Öst und dann erst die deutsche dBp lesen und da gleich, weil mir Susanne Rössler das PDF schickte mit Birgit Birnbachers „Wovon wir leben“ begonnen und das ist ein Buch von dem ich schon gehört habe.

Nämlich bei „Buch und Wein“ und bei den „O-Tönen“ und die 1985 in Schwarzach im Pongau geborene Birigit Birnbacher habe ich durch ihr „Wir ohne Wal“,, ein Erzählband oder Roman der mich durch seine wechselnden Perspektiven überfordert hat, kennengelernt.

2019 hat sie mit der Erzählung „Der Schrank“ gewonnen, da wurde dann auch darüber gesprochen, daß die Erzählerin Soziloogin und Sozialarbeiterin ist oder war und in der Corona -Zeit ist der zweite Roman „Ich an meiner Seite“, wo es um einen straffällig gewordenen Jugendlichen geht, erschienen, den habe ich auch bei den „O-Tönen “ hinten stehen oder sitzend gehört und auf der Longlist ist er auch gestanden.

Also von dem Buch und der etwas schnippischen Art , wie Birgit Birnbacher im MQ Klaus Kastberger konterte, voreingenommen und jetzt bin ich etwas ratlos, denn es passiert in dem eigentlich eher schmalen Buch sehr viel, aber da ist jetzt nicht die kunstvolle Sprache, wie meistens, wenn ich das schreibe, gemeint, sondern der Inhalt, der ein sehr sehr realistischer, wenn auch sehr widersprüchiger ist und dann auch wieder surrealistische Elemente hat.

Das Ganze spielt im Innergebirg, wo Thomas Bernhard, glaube ich, auch eine Anspielung seinen „Frost“ geschrieben hat oder davon inspiriert wurde und die Heldin ist Julia Noch, eine Krankenschwester, achtunddreißig Jahre alt, die aus dem Innergebirg geflohen und, als Krankenschwester in die Stadt gegangen ist, ein Beruf, den sie vielleicht auch nicht ganz freiwillig wählte, weil das Pflegen ja die Profession der Frau ist und jetzt wurde sie entlassen und fährt wieder in das Heimatdorf, um sich von der Familie pflegen zu lassen, weil ihr ein Kunstfehler passierte und wieder widersprüchig oder zu dick aufgetragen, sie ist selbst krank.

Leidet an Asthma, hat Atmnot und in den Dorf ist auch nichts in Ordnung. Der Vater in Frühpension, ein Hypochonder, die Mutter hat ihn verlassen und ist nach Sizilien geflüchtet, der Bruder ist durch einen Kunstfehler des betrunkenen Betriebsartzes schon lang ein Pflegfall und die zwei Fabriken haben auch schon zugesperrt, so daß alle Männer entlassen worden und schon des Morgens im Wirtshaus sitzen. Der Wirt ist ein tyrannischer Typ und hat eine Ziege verspielt, die Elise heißt und nun bei einem Anitquar haust und ständig schreit, so daß sich Julia, die kranke Krankenschwester auch um sie kümmern soll?

Man sieht die Metaphernvielfalt, das ist vielleicht auch eine Kritik an dem Buch, daß es zu „perfekt konstruiert wurde“ und dann lernt Julia noch den Städter kennen. Der ist auch krank, hatte einen Herzinfrakt und soll sich nun erholen. Er hat für ein Jahr ein Grundgehalt gewonnen, wofür ihn Julia neidisch ist, denn sie weiß nicht, was sie jetzt machen und wie sie weiterleben soll?

Die Freundin Bea, eine Architektin, rät ihr, sich als technische Zeichnerin ausbilden zu lassen und der tyrannische Wirt, der auch aussteigen will, zwingt den Städter um sein Wirtshaus zu spielen und läßt ihm offenbar bewußt gewinnen. Der revnoviert nun das baufällige Haus mit den arbeitslosen Männern. Sie finden dabei ein totes Pferd, der Grund des Schreien der Ziege und der Vater versucht zu verhindern, daß ihm Julia wieder verläßt, in dem er sich am Bein verletzt.

Ein offenes Ende? Wird sie bleiben, wird sie gehen? Die Mutter ist auch zurckgekommen und das Buch bietet auch wirklich Grund über den Sinn des Lebens oder „Wovon wir leben“, ein Titel, den ich anfangs als zu nichtssagend empfand, zu spekulieren oder eigentlich sollten wir es „wofür? nennen.

Denn man kann sich in der Stadt als Krankenschwester, wo man alles dokumentieren muß und zuwenig Zeit hat überfordern, selbst krank werden und Kunstfehler begehen. Man kann auch in das Heimatdorf zurückkehren und seine Erfüllung in der Carearbeit finden. Den Vater pflegen, der Bruder blüht dabei offenbar auch auf und mit dem Städter das Wirtshaus neu aufbauen und alles selbst bestimmen. Geht auch nicht, weil das heute ja als kitschig und als sozial nicht erwünscht gilt und da sind auch noch die Traumen der Kindheit, die eine daran hindern können?

Interessant, interessant, was man alles und dann auch noch in einer sehr realistischen Sprache, was mir ja sehr gefällt, ausdrücken und sich vielleicht auch noch darüber lustig machen kann?

Man kann natürlich auch fragen, wieviel Autobiografisches dabei zu finden ist? Birigit Birnbacher deutet in den Interviews, die ich mir während des Lesens angeschaut habe, einiges an. Sehr widerspüchig, sehr viel Inhalt und eigentlich ein beeindruckendes Buch. Mal sehen, ob es auf die Shortlist kommt? Nachdem was ich bei den Kritikern finde, würde ich es fast vermuten und wäre auch damit einverstanden, obwohl ich ja noch sieben andere Östlist Bücher zu lesen habe.

2023-09-05

Die neue österreichische Longlist

Filed under: Buchpreisbloggen — jancak @ 15:16
Tags: ,

Während die auf die ersten deutschen Longlistbücher“ warte, wurde heute die Longlist des „Österreichischen Buchpreises,“, den es seit 2016 gibt, bekannt gegeben und da habe ich mir ausgerechnet, daß die Chance schon vieles gelesen habe, hoch ist, stehen doch schon sechs Österreicher auf der deutschen Liste. Also habe ich gedacht, daß

  1. Birgit Birnbacher „Wovon wir leben“, wo wir bei den O-Tönen waren
  2. Milena Michiko Flasars „Oben Erde, unten Himmel“
  3. Teresa Präauer „Kochen im falschen Jahrhundert“
  4. Clemens J. Setz „Monde vor der Landung“
  5. Raphaela Edelbauer „Die Inkommensurablen“
  6. Marlene Streeruwitz „Tage im Mai“
  7. Sabine Gruber „Die Dauer der Liebe“
  8. Thomas Olah „Doppler“
  9. Tonio Schachinger „Echtzeitalter“
  10. Luca Kieser „Weil da war etwas im Wasser“

stehen könnte und das hätte ich schon gelesen.

Die drei Debuts wären auch noch dabei. Aber da würde mir außer Olah und Kieser nichts einfallen und dann nach meiner ersten Stunde und dem Antrag, den ich geschrieben habe, nachgesehen, was wirklich daraufsteht.

Die Jury besteht heuer aus: Verena Brunner-Loss, Imogena Doderer, Joachim Leitner, Katrin Schumacher, Norbert Christian Wolf und die haben sich für

1.Birgit Birnbacher „Wovon wir leben“

2. Milena Michiko Flasar „Oben Erde,unten Himmel“

3. Susanne Gregor „Wir werden fliegen“

4. Wolf Haas „Eigentum“

5. Maja Haderlap „Nachtfrauen“

6. Bodo Hell „begabte Bäume“

7. Karin Peschka „Dschomba“

8. Teresa Präauer „Kochen im falschen Jahrhundert“

9. Clemens J. Setz „Monde vor der Landung“

10. Christina Walker „Kleine Schule des Fliegens“

Und bei den Debuts:

  1. Arad Dabiri „Drama“
  2. Rhomas Olah „Doppler“
  3. Eva Reisinger „Männer töten“

Sehr schön würde ich sagen und bin eigentlich, wie auch bei der deutschen Liste sehr zufrieden und jetzt auf das Lesen gespannt und neugierig und freue mich auf das Lesen, was, da noch einige andere Rezensionsexemplare auf mich warten, etwas dauern wird. Den Bodo Hell und die Birgit Birnbacher habe ich aber schon als PDFs bekommen und mir das deutsche Lesebüchlein hochgeladen.

Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.