Literaturgefluester

2016-09-23

Das Pfingstwunder

Jetzt kommt Buch elf des bisherigen LL-Lesen und mein bisheriger Favorit, leider wird es das in der Realität nicht spielen, denn Sibylle Lewitscharoffs „Pfingstwunder“ wurde ja nicht in die Shortlist aufgenommen, was ich sehr bedauere, denn es ein tolles Buch und vielleicht die perfekte Kombination zwischen U und E, beziehungsweise die Verbindung zwischen Realismus und abgehobenes Wortgeschwafel.

Letzteres vielleicht schon ein bißchen, denn die 1954 in Stuttgart geobrene Büchner-Preisträgerin, ist ja bekannt für ihre „verzwirbelte Sprache“, habe ich, glaube ich, auch irgendwo auf einen Blog gelesen und die hat sie wahrscheinlich auch in die Bredouille und um den Preis gebracht, denn zuerst, bei „Blumenberg“ auf dem Sofa hieß es ja, „Ich hasse alle Selbstmörder!“, da habe ich mich gewundert und wußte noch nichts über die Biografie, dann auf der „Buch-Wien“, daß „Amazon“ in die Hölle fahren oder nein, so hat sie es nicht ausgedrückt, da wäre ich schon ein wenig die „Pfingstwundersprache“ und dann kam das mit den „Retortenkindern“, alle schrien pfui und Elke Heidenreich, sagte, glaube ich, etwas von einer „schwäbischen Hausfrau“ und ich hab begriffen, daß jemand, der sich Tag für Tag mit der schönen Sprache mit den ausgefallenen Wortschöpfungen, um auf die langen Listen und die Preispodien zu kommen, beschäftigt, vielleicht die Unterscheidung, daß man sowas zwar, als Roman schreiben und alle schreien „Bravo!“, aber nicht auf einem Vortragspult sagen darf, verliert und das finde ich interessant, denn ich habe mich in der letzten Zeit, Zufall oder nicht, mit der guten Literatur geschäftigt und dann einige LL-Bücher gelesen, die von älteren Herren stammen, mal „Bücher-Preisträger,“ mal nicht, die mit ihren letzten Lieben nach Italien fuhren oder sogar, weiterer Zufall sich auf einen Kongreß begaben. Da ging es zwar um Jean Paul und in den Himmel ist auch niemand gefahren, obwohl der Titel es ja angekündigt hätte, aber ich habe mich bei der „Rauschzeit“  eher gelangweilt, wo auf fünfhundet Seiten diskutiert wird, daß einer seine Jugendliebe trifft und der andere in die Oper geht.

Ist das gute Literatur, die berührt und was Neues bietet? Bezüglich der Sprache wahrscheinlich schon und konstrueirt waren die Bücher auch sehr und ich war bisher kein Lewitscharoff-Fan, das möchte ich ausdrücklich betonen, kann man auch im Blog nachlesen.

Beim „Bachmannpreis“ bin ich auf sie gestoßen, dann habe ich „Montgomery“ beim Bücherturm bei „Literatur im März“ gefunden und nicht verstanden, weil zu abgehoben, zu kompliziert, eh schon wissen, bei „Apostoloff“ mit dem sie, glaube ich, in Leipzig auf der Liste war oder auch gewonnen hat, war es ähnlich, „Blumenberg“ habe ich, das war schon nach der Aufregung im letzten Jahr gelesen und jetzt waren es zuerst die Verisse und die Blogger, die schrieben „Ich hoffe doch, daß sie nicht auf die Shortlist kommt!“

Sie ist nicht gekommen und ich habe das Buch noch davor am Dienstag Morgen zu lesen begonnen, nicht das Buch selbst, „Suhrkamp“ hat mir ja die „Fahnen“, also ein breites Skriptum, auf das man herrlich Notizen machen kann, geschickt und war eigentlich sofort begeistert, ob es daran lag, daß ich mich in diesem Sommer auch ganz zufällig mit dem „Tod des Vergils“ beschäftigt habe, weiß ich nicht, denn es ist leicht zu lesen und, ich glaube, es ist ihr auch das Kunststück gelungen, endlich einmal aus der „Fadiness“ der schönen Worte und den abgehobenen Sphären, was ich ja bei den „Witwen“ ein bisschen bedauert habe, wo ja auch ein Philosoph mit einem altmodischen Namen mit vier angeblichen Witwen auf Reisen geht und am Cover prangt ein barockes Fotos, herauszukommen.

Gut, Lewitscharoffs Held heißt auch Gottlieb und hat eine Universitätsprofessorenkarriere hinter sich, er ist Dante- Forscher und hat sich, als solcher Anno 2013 zu Pfingsten nach Rom auf den Aventin begeben, um mit dreiunddreißig anderen Dante-Forschern, die „Göttliche Kommödie“ zu diskutieren.

Eh schon wissen und sehr abgehoben, könnte man jetzt sagen und was fange ich damit Anno 2016 angesichts der Flüchtlingskrise und „Brexit-Katastrophen“ an? Das interessiert mich ja nicht und vielleicht verstehe ich es auch nicht besonders, denn mit meiner Hauptschuldbildung habe ich die „Divina Commedia“ ja nicht intus oder ich will umgekehrt beim Longlistlesen nur die hehren Inhalte und die schöne Sprache haben und von der bösen rauhen Welt da draußen nichts wissen, sondern abschalten und entspannen?

Weit gefehlt, denn der Held taumelt zu Beginn durch seine Frankfurter Wohnung, fragt sich, wie er heißt und, ob er nicht etwa wahnsinnig ist, denn, das was da in Rom im Saal der Malteser geschehehn ist, kann er keinen erklären, daß da dreiunddreißig Forscher und drei Leute vom Personal auf einmal aufgesprungen sind, sich wie toll gebärdeten,  aus dem Fenster sprangen und gegen Himmel fuhren.

Ich würde sagen, Sibylle Lewitscharoff macht sich gehörig über all das lustig, tut es in einer sehr zerzwirbelten Sprache und wir bekommen ein Dante-Seminar dabei geliefert, das hat ja Herbert, einer der offiziellen Bücherblogger an dem Buch bemängelt, daß man nachher zwar alles über die „Göttliche Komödie“ weiß, aber keinen Roman gelesen hat.

Dem würde ich entgegenhalten, obwohl ich ihm den Preis, den er angeblich schon hat, von Herzen wünsche, daß das bei Thomas Melle ganz genauso ist und noch viel mehr, denn das „Pfingstwunder“ ist, glaube ich eindeutig ein Roman, ein solcher, wie „Die Witwen“, „Rauschzeit“ und „Widerfahrnis“, obwohl da ja „Novelle“ draufsteht.

Es ist einer, den die Kritiker vielleicht ein wenig kitschig nennen, denn ein Pfingstwunder gibt es nicht und ich denke, wenn die angehenden Psychiater und Psychologiestudenten „Die Welt im Rücken“ lesen sollen, dann sollen, das die Germanistik- und vergleichenden Literaturwissenschaftsstudtendten, sowie die Gymnasiasten auch mit dem „Pfingstwunder“ tun und das Neue, was mich vielleicht zwar nicht unbedingt berührte, aber doch erstaunen und aufhorchen ließ, ist die Verbindung mit der Realität.

Denn Gottlieb Elsheimer kommt nach alldem, den Verhören durch die Polizei, etcetera, nach Hause, rennt schlaflos in seiner Wohnung herum, geht am Abend zum Italiener essen, betrinkt sich, während er all das aufzuschreiben beginnt,  hat dann nur mehr Zwiback im Haus, weil er auf das Einkaufen vergißt und fragt sich natürlich auch die berühmte Frage, wieso ausgerechnet er zurückgeblieben ist?

Ja, Bezüge zu Primo Levi und dem Holocaust gibt es auch, fragt sich, ob er jemals wieder unterrichten kann und höre und staune, vor allem die, die ja beklagen, daß sich die heurige Longlist sowenig mit der Flüchtlingsfrage beschäftigt, und diese Romane ausgelassen hat, ob er nicht vielleicht einen syrischen Flüchtling, vielleicht auch eine Frau mit Kind, ja auch das, denn Elsheimer ist  ein Mann mit vielleicht „lüsternen Begierden“ in seine große Wohnung aufnehmen soll?

Läßt das aber, denn es würde an der Sprache scheitern und der Flüchtling würde ihn vielleicht stören, Gedanken die wir wohl alle haben, die meisten vielleicht nicht einmal so weit kommen und dann erfahren wir noch viel über Dante, Vergil, die göttliche Kommödie und und und…

Sibylle Lewtscharoff schreibt in ihrer Danksagung noch, daß sie das Buch einem Stipedienaufenthalt in der „Villa Massimo verdankt und dort auch in dem Saal der Malteser auf dem Aventin gelesen hat.

Interessant ist auch, daß ihr der Österreicher Klaus Zeyringer die Übersetzung ins Wienerische und ins Steirische machte, denn das Buch ist ja vielsprachig und vielschichtig und es ist bis jetzt mein Preisfavorit, denn mein zweites Shortlist-Buch ist, was jetzt auch die Kritiker erkennen, kein Roman, obwohl ich Thomas Melle den Preis wünsche und vergönne, wenn ihn schon Sibylle Lewitscharoff nicht bekommen kann und jetzt nach einer kurzen LL-Pause weiterschauen, wie es mit den neun anderen LL-Büchern steht, von denen sieben ja noch in meinem Badezimmer auf das Lesen warten?

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