Literaturgefluester

2015-09-11

Macht und Widerstand

Buch sieben meines Longlistlesens ist das zweite Geburtstags- oder Weihnachtsbuch, nämlich Ilija Trojanows „Macht und Wiederstand“ und den seit einigen Jahren in Wien lebenden Bulgaren, habe ich ja, glaube ich, bei der „Literatur im März“, als es um Südafrika gegangen ist, da ist er gerade von dort zurückgekommen, hat seinen „Weltensammler“, der auch mal auf der LL stand, geschrieben und jetzt kuratiert er in der „Alten Schmiede“, im „Augarten-Radius“, vertrat Herta Müller bei der „Literatur im Herbst“, hat einige Bücher über Bulgarien und auch anderes veröffentlicht.

Ein  politisch sehr aufgeschlossener Mensch und für den neuen Roman dürfte er Jahrelang in den bulgarischen Archiven der Staatssicherheit recherchiert haben und aus den dort gefundenen Akten, die zum Teil, von Alexander Sitzmann übersetzt, den ich auch bei der „Literatur im Herbst“ kennenlernte, als es um Bulgarien ging, wurden, die Geschichte von zwei widersprüchlichen Charakteren in der Zeit des bulgarischen Realsozialismus auf vierhunderfünfundsiebzig Seiten, also auch ein dickeres Buch, ich fürchte, jetzt kommen, nur mehr solche, beschrieben.

Methodi und Konstantin, der eine hat sich in den Apparat hinaufgedient, der andere war ein Anarchist und Widerstandskämpfer, seit er mit einigen anderen Jugendlichen, eine Stalin Büste sprengen wollte und dafür zu zwanzig Jahren verurteilt werden, eigentlich stand ja der Tod auf ein solches Vergehen, aber Moskau als höhere Instanz war dagegen, so war er zehn Jahre in den Lagern, kam dann  zurück, verbrachte die Zeit bis zur Wende im Untergrund, beziehungsweise als Elektriker in einer Provinzstadt und versuchte nacher in den Archiven seine Akten aufzuspüren.

Da bekam er am Anfang nur Nichtssagendes geliefert, später kam er dann an das Material und ganz am Schluß, 2007 , da war er schon an die Siebzig, sollte er auch als Leiter der Kommission bestellt werden, die ehemaligen Machthaber, Methodi liegt inzwischen im Spital und wird von seinen  Kumpeln, ehemaliger  Innenminister, etcera, besucht, wissen das aber zu verhindern, so kann Konstantin, Methodi, nachdem er gestorben ist, nur an seinem Grab besuchen und die Trauerreden vom „Aufrechten ehrenhaften Mitbürger!“ etcerta, durch eine Rede mit dem Megaphon und einen Fanfarenstoß per Tonband verhindern.

Das Buch ist abwechselnd in Methodi und Konstantin-Kapiteln geteilt. Dazwischen kommen Jahrenzahlen 1999, 1950 etcerta, erzählt, beispielsweise und die übersetzten Aktenfunde, wo die die Mitarbeiter, der Vater, die Freunde, etc von der Observierung berichten.

Man erfährt von den Folterungen, den Lagerzuständen und bei den Methodi-Kapiteln, wird der, nach der Wende von einer jungen Frau besucht, die behauptet seine Tochter zu sein, weil er ihre Mutter im Lager, in dem sie sich befunden hat, vergewaltet hat.

Ein sorgfältig recherchiertes, genau bearbeitetes Buch, in dem die Fakten in eine Romanhandlung gemischt werden, die natürlich nicht so poetisch ist wie Fritsch und Switters, aber auch nicht so künstlich überhöht, wie der Dutli, sind, würde ich mal flapsig schreiben.

Ein gut recherchiertes Stück Zeitgeschichte, in dem man viel von den Zuständen von Bugarien in der Zeit zwischen 1945 und 1989 und danach erfährt, von dem man, wenn man sich für Zeitgeschichte interessiert und darüber gelesen hat, wahrscheinlich auch schon einiges wußte.

Im Literaturcafe gibt es eine Besprechung über das Buch zu finden, da wird von Kritikern berichten, die über die vielen historischen Romane auf der LL stöhnen, aber als das würde ich das Buch nicht empfinden, sondern als politischen, zeitgeschichtlichen Roman, als großes Opus von Ilija Trojanow, den ich alles Gute für die Shortlist wünsche.

In den Blogs gibt es  Fans, wie beispielsweise Birgit Böllinger von „Sätze und Schätze“ zu finden und eine Lesung in der „Alten Schmiede, am 24.9, wenn die Saison dann schon begonnen hat, gibt es auch.

Da werden wir dann schon wissen, ob es auf die Shortlist gekommen ist.

Hingehen, wenn man sich in Wien befindet würde ich empfehlen.

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