Literaturgefluester

2021-06-16

Lesen statt telefonieren

Filed under: Büchergeschichten — jancak @ 00:56
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Wir leben in Zeiten, wo jeder ein oder sogar mehrere Handies besitzt, also die Telefonzellen der Vergangenheit angehören. Es ist auch schon lange her, daß ich eine solche benützte, obwohl ich gar kein Handy habe und vor einigen Jahren ist, was ich als eine der wenigen sinnvollen Maßnahmen halte, die in letzter Zeit passierten, sind die offenen Buchschränken wie, die Schwammerln, wie ich immer schreibe, aus dem Boden geschoßen.

Sinnvoll deshalb,weil sonst ja alles registriert,verwaltet und kontrolliert wird und wenn man beispielsweise aus einer Mülltonne hinter einem Supermarkt etwas herausnimmt, kann man verhaftet werden, auch wenn man vielleicht Mndestrentenbezieher ist und die Sachen brauchen könnte. Aber hier kann man sich einfach Bücher aus dem Kasten nehmen oder hineinlegen, wenn beispielsweise, die Mutter gestorben, ist, man eine Wohnung ausräumen wil, etcetera.

2010 wurde der erste in Wien, glaube ich in der Zeglergasse von Frank Gassner initiert und da gab es auch ein Geschrei darüber, das Ganze „Obdachlosenakademie“ genannt, obwohl, wenn man da schon sarkastisch sein muß, „Bibliothek“, der passendere Ausdruck gewesen wäre.

Die Schränke wurden auch ein bißchen vandalisiert oder leer geräumt. Da gab es einmal einen alten Mann, der alles leerräumte, was Frank Gassner ziemlich ärgerte. Ich habei in der „Absturzgefahr“, darüber geschrieben und es gab auch das Gerede, die Leute nehmen sich die Bücher und verkaufen sie dann, was ich eigentlich nicht glaube, daß sich da Käufer dafür finden und deshalb wurden von Frank Gassner anfangs auch häßliche Bandagen darauf geklebt, die die Bücher eigentlich kaputt machten und später abgestempelt. Das hat sich inzwischen normalisiert und die Buchhändler hatten, was eigentlich wundern könnte, nichts dagegen und schrieen nicht auf, daß jetzt der Handel einbricht und die Schränke daher verboten werden müssen, sondern stellen sogar selber manchmal ihre Leseexemplare hinein und der Hauptverband regte sich auch nicht auf, sondern stellte einmal sogar Freikarten für die „Buch-Wien“zur Verfügung.

Die Schränke sind voll und ich bin erstaunt, was man alles daran finden kann. Habe schon echte Schmankerln herausgenommen und meine Bildungslücken aufgefüllt. Sveto, Updike, Kisch, etcetera, gelesen, an die ich sonst vielleicht nicht gekommen wäre und auch viele Lesexememplare, die vielleicht Buchhändler oder Rezensenten hineinstellen.

Frank Gassner verstand seine Aktion, glaube ich, als Kunstprojekt und gar nicht so als Leseförderung. Die Schränke wurden von Künstlern entworfen, der in der Zieglergasse beispielsweise von Hermann Nitsch, dessen Assistent Frank Gasser einmal war, erneuert. Es kam dann der Schrank im Hegerpark, wo es eine Zeitlang das „Rosa Winkel-Buch zu entnehmen gab“, den in der Grundsteingasse, wo ich mal gelesen habe und der, der in der Gumpendorferstraße Ecke Otto Bauergasse geplant war, hat es nicht gegeben.

Dann kamen bald die Nachahmer. Der Bezirk oder eine Partei stellte in der Josefstädterstraße einen hin und kupferte von Frank Gassner, der sich darüber ärgerte, ab. Es gibt den „Wortschatz“ am Margaretenplatz. Für mich eine reiche Quelle, weil ich da ja oft vorbei gehe und irgendwann bin ich auf die Zelle bei der „Seedose“am Viehofner See gestoßen. Das war die erste ehemalige Telefonzelle und eigentlich eine gute Idee, die Zellen, wenn man sie nicht mehr braucht, weil alle Leute Handies haben, in Bücherzellen umzufunktionieren und damit der Leseförderung zu dienen.

Eine gute Idee für mich, die ja reichlich davon profitiere, ob die Leute dann wirklich mehr lesen, weiß ich nicht und würde da auch skeptisch sein und kann mich auch an das wahrscheinlich schon zitierte Beispiel erinnern, das ich auch einmal bei einer IG-GV vorgegtragen habe. Da stand ich in der Zieglergasse. Es lagen viele schöne alte „Jugend und Volk-Bücher“ darin. Ein Mädchen stürzte sich darauf. Die Mutter hielt sie davon ab und warnte „Das ist ja die alte Rechtschreibung und dann machst du wieder Fehler und bist verwirrt!“

Und ob wirklich soviele Migrantenkinder kommen und durch die Bücherschränkefunde lesen lernen, wie sich vielleicht die Politiker wünschen, weiß ich nicht und ebenfalls ist es mir unbekannt, ob es in Wien auch Büchertelefonzellen gibt oder doch, die vor dem Theater in der Wiedenr Hauptstraße ist eine solche, aber die ist rot angestrichen und wird von dem Theater betrieben.

In St. Pölten gibt es, um wieder zum Thema zurückkommen, den bei der „Seedose“, den ich vor circa zehn Jahren entdeckte. Da habe ich auch schon schöne Bücher gefunden und sie, beziehungsweise das Notizbuch das ich einmal darin fand, in meinen zweiten Corona-Buch erwähnt.

Seit zwei Jahren gibt es die Bücherzelle in Altmannsdorf. Da haben Verlage, als sie eröffnet wurden, schöne Bücher hineingelegt. So habe ich Ransmayer „Cox“ gelesen und lege selber öfter meine Bücher hinein, habe ich in Harland noch ein paar Schachteln von den „Hierarchien“ gefunden und so habe ich mir vorgenommen immer ein Buch hineinzulegen, wenn ich zu den Schränken fahre. Leider vergesse ich öfter, was vielleicht nicht soviel macht, denn Altmannsdorf ist ja eher klein. Da würden meine Hierarchien bald auffallen.

Es ist auch interessant, welche Bücher, die Leute hineinstellen. Frank Gasser wollte, glaube ich, anfangs soziologische Studien darüber machen. Ich weiß nicht, ob er es getan hat. In Wien findet man viele Leserexemplare und auch viel zeitgenößische Gegenwartsliteratur. Die habe ich auch schon in der „Seedose“ gefunden und zum Muttertag in Altmannsdorf Cornelia Travniecs „Junge Hunde“ und ein Skriptum einer Fahrschule. Das habe ich genommen, weil ich dachte, daß die Anna vielleicht ihre Fahrkünste auffrischen will und die „Jungen Hunde“, die ich schon gelesen habe, für Doris Kloimstein, mitder ich ja eifrig Bücher tausche und die Anna hat mir, als wir das letzte Mal in Harland waren gesagt, daß es da jetzt einige neue Bücherzellen gibt.

In Harland beim Amtshaus, da habe ich schon beim Vorbeifahren gedacht, das schaut fast so aus und dann noch eine in Stattersdorf. Das ist eine Initiative der ÖVP, die damit wahrscheinlich das Lesen fördern will und als ich mit der Anna, der Lia und dem Alfred zuerst beim beim Bäcker und dann am Spielplatz war, habe ich auch vier Bilderbücher für die Lia gefunden. Im Stattersdorfer Schrank gab es den älteren Bestseller „Schande“ von Nobelpreisträger J.M. Coetzee und sonst eigentlich Kinderbücher, ChickLits, Krimis und was sonst, die Leute lesen und Peter Klein, der ehemalige Programmleiter von Ö1, beklagte letzten Samstag im „Standard“ unter dem Titel „Unterbelchtete Bestseller und blinde Flecken“, daß die Leute meistens nicht das Lesen, was die Kritiker empfehlen und das, was auf den Bestsellerlisten steht,ist dann das, was Denis Scheck oft in die Mülltonne schmeißt. Das ist auch ein altes Problem beim „Deutschen Buchpreis“, das die Kritiker Hochwergtiges auswählen und die Buchhändler dann stöhnen, weil die Leute, das nicht kaufen und keine Krimis, ChickLits, Fantasy etcetera, was sie vielleicht kaufen würden, auf diese Listen kommen.

Petra Hartlieb, die engagierte Buchhändlerin und auch Krimis und Liebesromanautorin, hat sich darüber beklagt, als sie in derJury für den dBp war und wurde von den Kritikern, die sich angegriffen fühlten, angefeindet. Sie hat aber, glaube ich, recht und ich bin ja eine, die alles liest.

Also ChickLits, Krimis, Fantasie, aber meistens zeitgenößische Gegenwartsliteratur und in letzter Zeit, das von den Buchpreislisten und alles natürlich nicht. Denn ich kann ja nicht hunderttausend Millionen Bücher lesen, obwohl ich das gerne würde, sondern lese cirka hundertfünfzig bis hundertfünfundsiebzig im Jahr, was schon sehr viel liest. Peter Klein meint in seinem Artikel, daß man dreitausend Bücher in seinem Leben lesen würde.

Das hat Wendelin Schmidt-Dengler ausgerechnet und ist von einem Buch pro Wochen, also fünfzig im Jahr ausgegangen. Da kenne ich aber Statistiken, daß die Deutschen acht und die Österreicher neun Bücher im Jahr lesen würden oder ist es umgekehrt und viele junge Leute lesen gar nicht mehr, obwohl sich das Buch erstaunlich gut gehalten hat. Wird es ja immer noch gedruckt und die E-Books, die ich nicht so gerne lese, halten sich eher zurück. Das gute alte Buch hat sich also erhalten und wurde nicht so, wie man vor etwa zehn Jahren fürchten konnte und von den E-Bookreadern verdrängt, wom itich wieder zu den Bücherzellen zurückkomme.

Es gibt nämlich noch einen, wie mir die Anna letzten Freitag zuflüsterte, nämlich den beim Bootshaus und daran bin ich am Samstag, als ich zum Markt wollte, vorbeigefahren und habe auch etwas für den Alfred, passend zum Vatertag gefunden, nämlich einen noblen Bildband über „Toskanische Landhäuser“ und wenn am achten Juli , die Oma dort ihren Geburtstag feiert und sie mich mit meinen vierten G nicht hineinlassen, kann ich mich mit dem Takeaway-Kaiserspritzer, den ich vielleicht doch bekommen, zur Bushaltestelle setzen und in den eventuellen Funden schmökern.

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