Literaturgefluester

2015-04-19

Eröffnung des Literaturmuseums

Filed under: Literaturbetrieb,Veranstaltungen — jancak @ 18:27
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Von Ungarn bin ich gerade rechtzeitig zur Eröffnung des Literaturmuseums im Grillparzerhaus zuerecht gekommen, das dieses Wochenende den Besuchern bei freien Eintritt mit Lesungen und Kurzführungen zur Verfügung steht und dessen Errichtung nicht unumstritten war.

Vor allem die IG Autoren und, ich glaube, auch die Grazer Autorenversammlung haben sich Anfangs dagegen empört, weil die Befürchtung bestand, die Gelder der Literaturförderung könnten von den Autoren ab- und in das Museum fließen, wo dann den ausländischen Touristen und den Schulklassen, die Pfeife vom Sigmund Freud oder des Heimito von Doderers vorgeführt wird.

Johanna Rachinger, die Direktorin der Nationalbibliothek, in deren Kompetenz auch das Literaturarchiv und das sogenannte Grillparzerhaus beziehungsweise, das ehemalige Hofkammerarchiv in der Johannesgasse, wo Grillparzer Direktor war, fällt, zerstreute aber die Bedenken und der Plan eines Literaturmueseums geht auch auf den leider schon verstorebenen Wendelin Schmid Dengler zurück, der sich ein solches wünschte.

Jetzt ist Bernhard Fetz der Direktor, es gibt eine Kooperation mit der GAV, die eine Lesereihe bzw. Schreibgespräche, immer ein berühmter mit einem jüngeren Autor oder Autorin gemeinsam auftreten soll und am Freitag um halb elf gab es auch eine Pressekonferenz, die man sich per Video ansehen konnte.

Ab Abend gab es wahrscheinlich auch eine Eröffnung, aber da war ich nicht eingeladen, also Samstagmorgen, als literarisch interessiertes Publikum hinmarschiert und da von einer jungen Frau auch gleich ein Programm und einen Orientierungsplan in die Hand gedrückt bekommen.

Jeder hundertste Besucher, kann man dem Programm entnehmen, bekommt auch das bei „Jung und Jung“ erschienene und von Bernhard Fetz herausgegebene Begleitbuch „Das Literaturmuseum. 101 Objekte und Geschichten“, da war ich auch nicht dabei und das Grillparzerhaus bietet in drei Etagen ab nun den literarisch Interessierten Einblick in die österreichische bzw. in die europäische Literatur, wie Bernhard Fetz betonte, weil man das eine nicht vom anderen trennen kann und die dritte Etage, die Raum für Sonderausstellungen bieten soll, ist auch noch nicht in Betrieb, sondern wird erst im nächsten Jahr mit den Portraits von zehn Schriftstellern eröffnet werden.

So begann der Gang durch das Museum in der zweiten Etage, die der Aufklärung bis zum ersten Weltkrieg gewidmet ist und da ist das Kernstück, das original erhaltene Grillparzerzimmer, wo man sein Stehpult und auch die Leiter sehen kann, wo er einmal fast hinuntergefallen wäre oder sich den Kopf angeschlagen hat.

Denn das ganze Haus ist denkmalgeschützt und die braunen Regale, wo damals die Akten gelagert wurden, durften auch nicht entfernt werden, so wurde das Alte in das Neue integriert und damit das besser geht, schließt sich beispielsweise an Schaustücke aus der Zeit von Napoleon, ein Roadmovie von Peter Handke an, bzw. vis a vis der Uniform des Leuntnant Gustl, ist der Regiestuhl von Ernst Jandl zu finden.

Das erscheint mir  gewöhnungsbedürftig und wird vielleicht den etwas unbedarfteren Besuchern Orientierungsschwierigkeiten machen.

Man kann sich aber ein Tablett ausborgen und das immer an bestimmte Schaukästen halten und bekommt dann Zusatzinformationen.

Im ersten Stock geht es  weiter von 1918 bis zur Gegenwart und alle halbe Stunden gab es Kurzführungen  und da zeigen im Stock eins, die jungen Damen der Nationalbibliothek, beispielsweise die Landkarte des geschrumpften Österreichs, denn es beginnt, glaube ich, mit dem Monarchieheimweh, also mit Joseph Roths „Kapazinergruft“ und Radeztkymarsch“ und Heimito von Doderers Pläne zur „Strudlhofstiege“ und zu den „Dämonen“, danach kommt man zu Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ und während ich an den Hörstationen saß und mich ein bißchen durch die Textbeispiele zappte, hörte ich die jungen Frauen behaupten, daß wohl niemand den Robert Musil zu Ende gelesen hätte, es gäbe aber eine gute Hörbuchfassung.

Ich, bitte schön habe, das mit zwanzig Jahren, gebe aber zu, ich habe es wohl nicht ganz verstanden und sollte es wahrscheinlich nochmals lesen, aber keine Zeit, keine Zeit.

Dann gab es ein bißchen was zu den Volksbüchereien zu sehen, die im roten Wien gegründet wurden, um die Arbeiter zu bilden und eine Vitrine ist dem Bild der modernen Frau gewidmet und da denke ich fast, daß die offenen Bücherschränke besser als jedes Literaturmuseum sind, denn die Werke der Joe Lederer, der Annemarie Selinko etc, habe ich dort gefunden und natürlich auch die der Vicki Baum und da sagte eine der Führerinnen wieder, daß die heute nicht mehr gelesen werden würde, obwohl in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sehr bekannt.

Da kann ich gleich auf eines meiner Privatprojekte hinweisen und meine interessierten Leser einladen, mein „Vicki Baum lesen“, das ich nächstes Jahr starten werde zu verfolgen, denn da stehen „Verpfändetes Leben“,“Flut und Flamme“, „Kristall im Lehm“, „Die Karriere der Doris Hart“, „Liebe und tod in Bali“, auf der Leseliste. „Vor Rehen wird gewarnt“, müßte ich auch noch haben und „Menschen im Hotel“ habe ich wie „Stud chem. Helene Willfüer“ habe ich schon gelesen.

„Menschen im Hotel“ wurde auch mit Greta Garbo verfilmt. Ausschnitte davon waren zu sehen, dann ging es weiter zum Kabarett und zu Egon Fredell der sich am 16. März 1938 aus dem Fenster stürzte, als die Nazis bei ihm klopften.

Der Abreißkalender ist noch zu sehen und Ausschnitte aus dem „Herrn Karl“ mit Helmut Qualtinger gibt es zu auch zu sehen und hören.

Dann scheiden sich die Geister bzw. die Karrieren, die, die einen, wie etwa Karl Heinrich Waggerl und Richard Billinger machten, Erika Mitterer hat in der Nazizeit offenbar auch ganz gut verdient, während die anderen emigrieren mußten oder ums Leben kam, etwa Alma Johanna Koenig, Else Feldmann ect.

Marie-Therese Kerschbaumer hat in den Siebzigerjahren einen Roman darüber geschrieben „Der weibliche Name des Widerstands“, der etwa zu der Zeit erschienen ist, als ich sie im „Arbeitskreis schreibender Frauen“ kennenlernte, so ist das Literaturmuseum auch ein bißchen meine persönliche Geschichte, wie ich dem pensionierten Lehrer sagte, den ich getroffen habe, als ich mich gerade durch die „Jandl-Bänder“ hörte.

„Meine auch!“, antwortete er, denn er hat noch den Heimito von Doderer in der „Gesellschaft für Literatur“ gehört, ich habe an den Schreiborten, wo man zum Beispiel, die Collagen sehen kann, die Friederike Mayröckers Schreibzimmer nachempfunden sind, beispielsweise auch das Gefängnis Krems-Stein gefunden, das ich ja vor kurzem in anderem Zusammenhang besuchte, aber da war in den Siebziger und Achtigerjahren auch Jack Unterweger inhaftiert, hat dort die „Wortbrücke“ herausgegeben und in seiner Edition sind ja auch die „Hierarchien“ erschienen.

Jetzt sind wir aber fast schon bei der Avantgarde, der Wiener Gruppe, dem poetischen Akt, „hosn rosn baa“, H. C. Artmann, Friedrich Achleitner, Gerhard Rühm und dem Kinosaal wo unter anderen auch der berühmte Film gezeigt wird, wo Ernst Jandl „Napoleon“ schreit, bzw. sich über einen sprechenden Koffer ärgert.

Als ich so weit war, war es schon ein Uhr Nachmittag und ich hatte die Lesungen im Fojer unten von Teresa Präauer und Antonio Fian, der für Franzobel eingesprungen zu sein scheint, versäumt, so ging ich nach unten, wo Elisabeth Reichart auch eine, die den Nationalsozialismus mit „Februarschatten“ und „Komm über den See“ engagiert aufarbeitete, um vierzehn Uhr las.

Um fünfzehn Uhr folgte ihr Martin Pollack mit einem Auschnitt aus seinem „Vatermord“ und dann kam, um vier die große alte Dame F.M. und las Prosa und Gedichte, wie sie sagte, bzw. Bernhard Fetz ankündigte und ich wieder einmal dachte, daß ich das eine vom anderen nicht unterscheiden kann und um fünf kam die Frau Generaldirektor und stellte das Konzept des Literaturmuseums vor.

Gratiskaffee von Julius Meinl gab es dazwischen auch, beziehungsweise konnte man diesen mit einem Gedicht bezahlen und auf eine Pinwand hängen und eine Sondermarke und am Sonntag gab es mit Lesungen von Dimitre Dinev, der ein Stück aus seinem neuen Roman las, das ich, glaube ich, schon im vorigen Jahr bei der Sontagsmatinee in Krems hörte, wo das Dienstmädchen Anna Nagl ins Wasser gehen wollte und dann im ersten Weltkrieg als rote Kreuz Schwester Dienst auf einem Sanitätsschiff machte, Anna Kim  las ein Stückchen aus ihrem Roman „Anatomie einer Nacht“, Peter Henisch aus der „Kleinen Figur meines Vaters“, wo auch in der Ausstellung Bezug darauf genommen wurde Julya Rabinowich  ein Stückchen aus der „Erdfresserin“ und zwar das, das ich schon vorige Woche in Krems hörte, aber dann noch die Fortsetzung, wo die illegale Prostiutierte Diana, den Polizisten Leo kennenlernt und den offenbar übel mitspielt und  Robert Menasse  auf Wunsch von Bernhard Fetz, aus der „Vertreibung aus der Hölle“, einen Roman, den ich schon gelesen habe und dann noch eine Miniatur in Anspielung auf Thomas Bernhard.

Gegen Mittag bildeten sich vor dem Museum Schlangen, die Leute wurden offenbar nicht mehr hineingelassen, obwohl es drinnen gar nicht so voll war und sie per Facebook auch zum Kommen aufgefordert wurden und ich bin am Morgen, zu Mittag und nach der Menasse Lesung wieder in die Ausstellung gegangen und habe  hauptsächlich das nachgehört, wozu am Samstag nicht gekommen bin.

Elf Minuten aus Elfriede Jelineks „Liebhaberinnen“, von ihr selbst gelesen beispielsweise, da habe ich mir die Originalausgabe in den Siebzigerjahren, die in der Ausstellung auch zu sehen war, gekauft, es gab auch Filmausschnitte aus der „Publikumsbeschimpfung“ von Peter Handke und aus Wolfgang Bauers „Change“.

Weiter in die Moderne als bis zur Wiener Gruppe oder Wolfgruber, Bauer, Innerhofer geht die Ausstellung nicht wirklich.

Es gibt zwar eine Schautafel, wo auf Migranten, wie Zdenka Becker, Julya Rabinowich, Seher Cakir, Dimitre Dinev, etc hingewiesen wird und eine Filmwand zur engagierten Literatur beginnend mit der Arena Besetzung 1976, da sieht man Gustav Ernst, dann kommt die Waldheim Affaire mit dem berühmten Pferd und bei den Ereignissen um Oberwart 1995 kann man Textausschnitte von Clemens Berger sehen.

Andrea Winkler, Cornelia Travniek, Vea Kaiser, Angelika Reitzer, Robert Prosser, Clemens J. Setz, etc, werden wohl noch in Zukunft anzufügen sein und mit ihren Initialen, wie Schlafanzüge, Hüte, Mäntel etc, zu versehen, vielleicht gehören sie aber auch zu den Autoren, die in der Sonderaustellung im nächsten Jahr vorkommen.

Die Generaldirektorin und Bernhard Fetz haben jedenfalls in ihren Reden immer darauf hingewiesen, daß sie ein Museum für alle sein und niemanden ausgrenzen wollen und keine Konkurrenz zur „Alten Schmiede“, Literaturhaus etc machen wollen.

In Zukunft werden es neben den Touristen wohl die Schulklassen sein, die in den Genuß des Museums kommen, da hat Frau Rachinger sowohl bei ihrer Vorstellung, als auch in der Pressekonferenz darauf hingewiesen, daß sie sich freut, daß die Angebote bis zur Semesterende schon ausgebucht sind und, daß das „Literaturmuseum“ in Zeiten, wie diesen, wo die Literatur aus dem Schulunterricht verschwindet, da eine Ergänzung bzw. Hilfestellung anbieten will.

Ob die Schüler in Scharen ins „Literaturmuseum“, der Eintritt ist bis Neunzehn frei, sonst wirds ab Dienstag sieben Euro kosten, schwärmen werden, um sich hier Nachhilfe zu holen, wäre ich zwar skeptisch und sehe auch eine sehr starke Hierarchisierung im Literaturbetrieb.

Da sind die einen, die überall eingeladen werden und da die anderen, die ihre Werke in den kleinen Initativen, die ein paar hundert Euro oder vielleicht gar keine Subvention haben, wie beispielsweise im „Reading!!!room“  präsentieren.

So gesehen ist das „Literaturmuseum“ sicherlich ein Mainstreamort, Ruth Aspöck kann ich aber anfügen, kommt in einem Video, das Marlene Streeruwitz machte vor und ich habe die Ausstellung sehr interessant und gut gemacht gefunden, bin aber vielleicht selbst ein kleines „Literaturmuseum“, beziehungsweise kann das „Literaturgeflüster“ jetzt schon mit über zweitausendzweitausend Artikeln über das literarische Leben der letzten sieben Jahre aufweisen und da geht es über den Mainstream weit hinaus.

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